
© Holger Bergmann
Auf einer Dortmunder Baustelle soll die Zukunft der Architektur entstehen
Baukreisel
An der B235 in Dortmunds Westen werden gerade drei Häuser abgerissen. Dabei sieht man nicht nur Bagger, die Wände einreißen. Man sieht auch sechs Männer. Sie klopfen mit Hämmern auf Steine.
Drei Gebäude aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg weichen in Lütgendortmund aktuell Neubauten. Die Gemeinnützige Gemeinnützige Baugenossenschaft eG Dortmund-Lütgendortmund (GBG) will an der Provinzialstraße (B235) 36 öffentlich geförderte Wohnungen in vier Gebäude bauen.
Doch das ist nicht alles, was sich auf der Baustelle tut. Vielmehr läuft dort parallel ein Projekt, das langfristig nicht mehr und nicht weniger als die gesamte Baubranche revolutionieren soll. Sechs Männer sieht man seit einigen Tagen auf der Baustelle arbeiten. Sechs Männer mit einer Mission.
Und was diese Männer machen, sieht man selten in Deutschland: Sie klopfen Steine. Sie befreien Backsteine von Mörtel und bereiten sie darauf vor, wiederverwendet zu werden.
Im Prozess einer Firmengründung
Die Männer befinden sich in einer Versuchsphase vor einer erhofften Firmengründung, ihre Arbeit ist noch eher Forschung als Gewerbe. Die angedachte Firma soll dann „Baukreisel“ heißen.
Das Team um das Gründertrio Jonas Läufer, Conrad Risch und Jonathan Schmalöer setzt sich komplett aus Architekten zusammen. Jonathan Schmalöer ist der Sohn von Richard Schmalöer, einem der Architekten der GBG-Häuser.
So wie er haben auch die anderen Steineklopfer ihren Architektur-Master druckfrisch in der Tasche und die Zukunft ihrer Branche im Visier. Ihr Traum ist das systematische Wiederverwenden von Material aus Gebäuden, die abgerissen werden sollen.
Schmutzige Baubranche
Jonathan Schmalöer rechnet vor: „Die Baubranche ist weltweit verantwortlich für 40 Prozent des CO2-Ausstoßes, für 60 Prozent des anfallenden Mülls und für einen beträchtlichen Anteil des Ressourcen-Verbrauchs.“

Das Team vom Baukreisel hat schon palettenweise als Ziegel-Steine für den erneuten Hausbau aufbereitet. © Holger Bergmann
Das wird sich ändern, da sind sich die jungen Architekten sicher. Denn Beton hat seinen guten Ruf verloren. Wegen der klimaschädlichen Zement-Produktion wird die Branche immer mehr CO2-Steuer bezahlen müssen. Das werde bald die Nachfrage nach Alternativen wecken, glauben die Architekten.
Susanne Schamp, ebenfalls Architektin für den GBG-Neubau, bestätigt, dass Beton immer unbeliebter wird. „Die Nachteile von Beton werden immer offensichtlicher. Zuletzt zum Beispiel bei den Brücken der A45“, sagt sie und spielt auf den nötigen Abriss einer Brücke der Sauerlandlinie an, weil das Material der Dauerbelastung nicht mehr standhält.
Bauen ohne Beton
Wenn es soweit ist und die Baubranche umdenkt, wollen Mitglieder des Baukreisels mit einem Konzept bereit stehen, das das Upcyceln von Altbauten, die Neunutzung von Ziegeln, Rohren und Holzbalken, günstiger werden lässt als das Bauen mit Beton.
Die Argumente des Baukreisels sind nachvollziehbar, bringen aber bislang nicht immer die gewünschten Ergebnisse. Vor wenigen Wochen halfen die Männer zum Beispiel beim Abriss eines alten Schulgebäudes.
In der Turnhalle entdeckten sie hochwertiges Eichen-Parkett und erzählten dem Schulträger, was sie damit alles machen könnten. Davon waren die Verantwortlichen so begeistert, dass sie das Parkett kurzerhand selbst ausbauten und behielten. Die jungen Architekten werten das als wertvolle Lektion.
Ziegel werden in einem Wohnhaus verbaut
Aber es geht voran. Für die Bausteine, die sie in Lütgendortmund gewinnen, haben die Baukreisler bereits einen Abnehmer. Die Ziegel werden in einem privaten Wohnhaus verbaut und einer Familie ein neues Heim bieten.
Eine weitere Lektion haben die Firmen-Gründer aus der Baustelle der GBG bereits gezogen: „Je früher wir zu einem Abriss hinzugezogen werden, desto effektiver können wir Baumaterial dem Upcycling zuführen und desto weniger Zeit geht dem Bauherren verloren“, sagt Jonas Läufer. Dass will der Baukreisel demnächst in seinem Umgang mit Bauunternehmen berücksichtigen.
Holger Bergmann ist seit 1994 als freier Mitarbeiter für die Ruhr Nachrichten im Dortmunder Westen unterweg und wird immer wieder aufs neue davon überrascht, wieviele spannende Geschichten direkt in der Nachbarschaft schlummern.
