Der Brechtener Gotthard Kindler ist am 4. November im Alter von 87 Jahren gestorben. Viele Menschen kannten ihn, weil er immer wieder zum Beispiel in Seniorenheimen auftrat, auf der Mundharmonika Bergmannslieder spielte und Geschichten aus seiner Zeit unter Tage auf der Zeche Minister Stein erzählte.
Sein Enkel Silvan Hagenbrock, der in Berlin lebt, erinnert sich an seinen Großvater: „Das war ein ganz lieber Mensch, der vielleicht eine harte Schale hatte, aber einen ganz weichen Kern.“ Für die Familie sei es erstaunlich gewesen - und zugegebenermaßen manchmal auch ein ganz kleines bisschen nervig -, dass Gotthard Kindler immer noch nach all den Jahren so sehr am Bergbau hing und soviel davon erzählte. Im Keller hatte er ein kleines Bergbau-Museum mit vielen entsprechenden Utensilien. Einige davon hat er dem LWL-Museum leihweise zur Verfügung gestellt. Er war Hauer, Lokführer und Ausbilder auf Zeche Minister Stein gewesen. Als die 1987 schloss, ging auch Kindler mit nur 51 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand.
Zuletzt hatte Kindler noch bei der Einweihung des Bergarbeiterdenkmals nach der Umsetzung an die Ecke Deutsche-/Evinger Straße mitgewirkt. Im Oktober 2022 war das. Und im März 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie hat er sich mit seiner Mundharmonika in den Innenhof des Seniorenzentrums Minister Stein gestellt, um die Bewohner in ihrer Einsamkeit zu unterhalten. Das ging vielen sehr nahe. „Ist es nicht erstaunlich“, fragt Silvan Hagenbrock, „dass er das noch getan hat, obwohl er selbst schon weit jenseits der 80 war?“ Gotthard Kindler selbst sagte zu solchen Aktionen immer: „Wenn ich dann sehe, wie sich die Senioren freuen, freue ich mich auch.“
Just in diesem Seniorenzentrum starb Gotthard Kindler nun auch. Er war dort, um seine Frau zu besuchen, die seit zwei Jahren dort lebt und an Demenz leidet. Er brach an ihrem Bett zusammen und wachte nicht wieder auf. „Wir fragen uns“, sagt Silvan Hagenbrock, „ob seine Frau das noch mitbekommen hat. In jedem Fall war es ein schneller Herztod ohne langes Leiden zuvor. Und das ist für unsere Familie doch sehr tröstlich.“

„Zuletzt“, berichtet Kindlers Enkel weiter, „habe sein Großvater an Einsamkeit gelitten.“ Er konnte es nur schlecht akzeptieren, dass seine Frau nicht mehr bei ihm war. In Telefongesprächen mit ihm, die stellenweise von großer Traurigkeit geprägt waren, seien auch manchmal Tränen geflossen. Möglicherweise habe er sein nahes Ende vorausgeahnt, so mutmaßt Hagenbrock.
Ein zweites Hobby Gotthard Kindlers waren Oldtimer. So ist er noch bis zuletzt mit einem alten VW-Bus herumgefahren. Früher hat er auch Oldtimer-Zeitschriften verkauft. Silvan Hagenbrock erinnert sich an frühere Familienurlaube am Bregenzer See in der Schweiz. „Eigentlich ist es doch erstaunlich, dass jemand, der aus eher sozial schwächeren Verhältnissen kam, sich solche Luxusurlaube leisten konnte, habe ich immer gedacht“, so Hagenbrock. Gotthard Kindler kam 18-jährig von einem Bauernhof im Schwarzwald, wo er aufgewachsen war, nach Dortmund und begann dort sofort, unter Tage zu arbeiten.
Seine Beisetzung findet nun passenderweise an St. Barbara statt - also am Tag der Schutzheiligen der Bergleute, dem 4. Dezember, um 14 Uhr auf dem Evangelischen Friedhof in Brechten. Kindler selbst hatte zuletzt vier Termine mit einem Bestatter, um die Modalitäten seiner Beisetzung schon zu Lebzeiten selbst zu regeln. An diesen Terminen habe er aber lediglich klargestellt, dass sein Körper nach dem Tod verbrannt werden soll und er eine Urnenbestattung wünscht. Auf die Frage der Familie, was es denn ansonsten an vier Terminen zu besprechen gegeben habe, habe der Bestatter geantwortet: „Och, er hat mir Geschichten aus seiner Bergbauvergangenheit erzählt.“ Vermutlich hat er dabei auch ein wenig auf der Mundharmonika gespielt.
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