Noch ist das nur ein düsteres Zukunftsszenario: Der Hannibal 2 in Dorstfeld, heruntergekommen und zugewuchert.

© Grafik: Martin Klose

Hannibal in Dorstfeld: Es müssen Lösungen her statt Versprechen

rnKolumne Klare Kante

Am Hannibal in Dorstfeld geht fast zweieinhalb Jahre nach der Räumung nichts voran. Unser Autor findet: Die Zeit der leeren Versprechen muss vorbei sein. Es muss etwas passieren.

Dortmund

, 02.03.2020, 07:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es gibt eine Zahl, die kommuniziert wurde, als die große Räumung des Hannibal in Dorstfeld am 21. September 2017 vollzogen war.

„Zwei Jahre“ werde es dauern, bis das Haus wieder bewohnbar wäre. Das war schon damals nur eine Schätzung, die Stadt und Eigentümer mehr oder weniger im Einklang mitgeteilt hatten. Aber es war zumindest ein Zeitraum, der greifbar war.

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Das war vor den gegenseitigen Klagen, vor den erst abgespeckten und dann abgelehnten Bauanträgen, vor der Umbenennung von „Intown“ in „Lianeo“. Das war vor mittlerweile 887 Tagen, also fast zweieinhalb Jahren.

Seitdem ist alles in der Schwebe. Obwohl die Probleme tonnenschwer sind.

Der Hannibal als Dystopie-Kulisse

Es braucht nicht viel Fantasie, um ein sehr düsteres Zukunftsszenario für den weiß gestrichenen Wohnblock an der Anschrift Vogelpothsweg 12-26 vor Augen zu haben: Ein leer stehendes Relikt gescheiterter Wohnträume, von der Natur zurückerobert, vielleicht huscht noch ein wildes Tier durchs Bild.

Die perfekte Kulisse für einen dystopischen Dortmund-Film. Unbewohnbar. Das enthält ein wenig künstlerische Dramatisierung. Aber es ist nicht so weit entfernt von der Zukunft, die dem Hannibal blüht, wenn sich nicht bald etwas tut.

Offiziell gibt es noch guten Willen

Ganz offiziell gibt es viel guten Willen. Der Hausverwalter „All Sites Property Management“ wirbt um Geduld beim komplexen Genehmigungsverfahren. Amir Dayan, der Investor hinter der Eigentümerfirma, spricht im Manager Magazin davon, dass die Instandsetzung noch „mehrere Jahre“ in Anspruch nehme, sagt aber auch, dass man das durchhalten wolle.

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Man will ja glauben, dass es dem Unternehmen vor allem darum geht, dass wieder Leben in den Dorstfelder Wohnkomplex einkehrt.

Aber wenn das wirklich so ist: Warum hat man dann noch nicht wirklich angefangen, etwas an der Situation zu verbessern? Warum zum Beispiel war es nicht möglich, die Bauanträge von Anfang so zu formulieren, dass sie den Anforderungen der Bauaufsicht entsprechen?

Es gibt keine Perspektive für das Hannibal-Hochhaus

Es fehlt gerade von allen Seiten eine klare Aussage über die Perspektive des Hannibals. Das macht das Glauben schwierig. Das sorgt dafür, dass der Verdacht einfach nicht verschwindet, der den Eigentümer mit seinem intransparenten Firmengeflecht ohnehin schon seit Jahren begleitet: Dass es bei der Sanierung ohnehin nur darum gehe, das Gebäude für den Verkauf attraktiver zu machen. Und nicht um die Menschen, die hier gelebt haben.

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Einige der ehemaligen Bewohner haben sich schneller an den plötzlichen Wechsel gewöhnt als andere. Ihnen ist das Schicksal des Hochhauses egal.

Die ehemaligen Mieter fühlen sich im Stich gelassen

Was aber etliche, mit denen man spricht, gemeinsam haben: Sie fühlen sich im Stich gelassen.

Mit der Räumung hat die Stadtverwaltung auf eine Notsituation reagiert, die sie nicht mitverschuldet hat. Die Folgen hat die Kommune mit hohem finanziellem Aufwand aufgefangen und viele der rund 800 betroffenen Menschen unterstützt.

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Doch zur Wahrheit gehört auch: In manchen Fällen hat die Kommunikation nicht geklappt. Einige Ex-Mieter beklagen, bei der Stadt fühle man sich nicht mehr für sie zuständig, man mache nicht ausreichend Druck auf den Eigentümer. Das stehe im Gegensatz zu den Versprechungen, die 2017 gemacht worden seien.

Es gibt keine realistische Szenarien für einen Ausweg aus dem Dilemma

Welche Wege führen aus der Krise heraus? Die Stadt Dortmund könnte ein unschlagbares Angebot auf den Tisch legen, das Gebäude kaufen, den Hannibal abreißen und neue Wohnungen bauen.

Nicht, dass dies zur Debatte stünde oder das Geld dafür parat liegen würde. Aber es wäre zumindest etwas, das an anderer Stelle bei - zugegeben kleineren - „Schrottimmobilien“ in der Dortmunder Nordstadt schon Praxis ist.

Andere Variante, leider sehr unwahrscheinlich bis ausgeschlossen: Der Eigentümer kehrt zur „großen“ Lösung zurück, die 2018 mal angekündigt worden war, und investiert grundlegend in das Hochhaus.

Wahrscheinlichere, dritte Variante: „Lianeo“ findet irgendwann einen Käufer für den maroden Wohnblock. Wobei offen wäre, was dann passiert.

Jede dieser Lösungen würde vor allem eines kosten: Zeit.

Hannibal wird zum Symbol für verfehlte Wohnungswirtschaft

Jeder Tag Leerstand nagt an der Bausubstanz und der Infrastruktur in den 400 Wohnungen in einem ohnehin schon in die Jahre gekommenen Gebäude. Das macht eine Sanierung immer unwahrscheinlicher.

Jeder Tag Leerstand macht den Hannibal 2 darüber hinaus noch stärker zu einem Symbol für verfehlte Wohnungswirtschaft in der Großstadt. Aber auch dafür, wie eingeschränkt die Möglichkeiten für Verwaltung und Politik oft sind, Wohnungsmarktentwicklungen zu steuern.

Wann immer die Rede von einem „Wohnungsmarkt unter Druck“ oder steigenden Mieten ist, wird man daran denken müssen, dass in Dorstfeld 400 Wohnungen verkommen.

Im Sinne aller Dortmunder braucht das Hannibal-Dilemma eine Lösung. An der alle mitwirken müssen. Das Bittere daran ist: Mehr als Appelle sind im Moment nicht möglich. Das macht die Situation um den Hannibal so frustrierend.

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