Die Dortmunderin Aurelia Thomalla musste 2017 aus dem Hannibal in Dorstfeld ausziehen. Seitdem versucht sie, Geld für den Umzug zurück zu bekommen. Jetzt klagt sie gegen die Stadt.

Dortmund

, 18.12.2019, 06:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Vor dem Sozialgericht Dortmund wird in den nächsten Wochen die Frage verhandelt, ob das Sozialamt Stadt Dortmund Aurelia Thomalla „finanzielle Nothilfe“ gewähren muss. Es geht um rund 3000 Euro, die sie der erzwungene Auszug aus ihrer Wohnung im Hannibal-Komplex in Dorstfeld gekostet hat.

Die Stadt Dortmund hatte den Hannibal am 22. September 2017 wegen Brandschutzmängeln räumen lassen. 752 Menschen mussten Hals über Kopf ihr Zuhause verlassen und kamen in Notwohnungen unter. Ein Teil der Mieter erhielt finanzielle Unterstützung von der Stadt Dortmund.

Dortmunderin verklagt die Stadt Dortmund

Aurelia Thomalla hat es in eine Wohnung in der Nähe des Borsigplatzes verschlagen. Das Geld, das sie für den Umzug zahlen musste, schmerze sie immer noch, sagt die Dortmunderin. Sie klagt gegen die Stadt Dortmund wegen „Untätigkeit“.

Die 412 Wohnungen des Hannibal II in Dorstfeld stehen seit September 2017 leer.

Die 412 Wohnungen des Hannibal II in Dorstfeld stehen seit September 2017 leer.

Denn trotz vorheriger Zusage und korrekter Vorlage eines Kostenvoranschlags sei ihr Antrag auf „finanzielle Nothilfe“ im Februar 2018 „telefonisch und ohne Angabe von Gründen“ abgelehnt worden, behauptet sie. Sie legt mehrere schriftliche Anfragen an die Stadt vor, in denen sie um Klärung bittet. Antworten habe sie darauf nie erhalten. „Meine Schreiben sind ignoriert worden“, sagt die 60-Jährige.

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Die Stadt Dortmund äußert sich nicht zum schwebenden Verfahren. „Wir weisen aber darauf hin, dass es seit der Räumung in sehr enger Dichte Kontakte und Vereinbarungen mit der Bewohnerin gegeben hat. Die Gründe für den nicht zufriedenstellenden Abschluss dieser Kontakte wird jetzt das Sozialgericht bewerten“, sagt Stadtsprecher Frank Bußmann.

225 von 752 Mietern erhielten finanzielle Unterstützung

In 225 Fällen zahlte die Stadt Dortmund nach eigenen Angaben insgesamt 474.000 Euro an Familien und Einzelpersonen aus dem Hannibal. „Diese Leistungen bezogen sich auf zusätzliche Aufwendungen durch den Wohnungswechsel“, sagt Frank Bußmann. Es gebe aktuell keine weiteren Streitfälle.

Um Weihnachten 2017 hatten zahlreiche ehemalige Mieter in der Dortmunder Innenstadt bereits gegen ausbleibende Hilfe bei Umzugskosten und anderen Aufwendungen demonstriert.

Für diejenigen, die wie Aurelia Thomalla keine Leistungen von Jobcenter oder Sozialamt erhalten, hatte die Stadt 2017/18 eine eigene Anlaufstelle eingerichtet. Thomalla ist eine von 50 Personen, die derzeit noch immer in den Wohnungen leben, die ihnen die Stadt nach der kurzfristigen Räumung zur Verfügung gestellt hat.

Notwohnung gegen „Nutzungsgebühr“

Sie zahlt nach eigener Aussage eine „Nutzungsgebühr“ an den Vermieter. Diese sei von der Stadt Dortmund festgelegt worden. Wie hoch der Betrag ist, möchte Thomalla nicht sagen. „Denn ich habe ihn nicht bestimmt und das hat nichts mit den Umzugskosten zu tun.“

Wie hoch die Differenz zur Gesamtmiete ist, habe ihr das Sozialamt nie mitgeteilt. Die Behörde äußert sich nicht mehr zu Details des Falls, weil der Klageweg bereits beschritten ist.

Die 60-Jährige sagt, dass das Leben in der Notwohnung am Borsigplatz nicht mit dem Hannibal vergleichbar sein. „Ich lebe aus dem Koffer, kann niemanden empfangen.“ Die Wohnung sei zudem deutlich kleiner als ihre vorherige.

Aurelia Thomalla fragt sich, was mit ihren Sachen passiert, die noch in der alten Wohnung sind. Egal, ob und wann der Großwohnkomplex saniert wird - irgendwann müssen die Sachen raus. „Wer bezahlt das dann?“, sagt sie.

Offene Frage nach dem Eigentum der Mieter

Aus Sicht der Stadt Dortmund stellt sich diese Frage laut Frank Bußmann aktuell nicht, „da in diesem Jahr keine uns bekannten Wohnungsräumungsaktivitäten stattgefunden haben“. Absprachen mit dem Eigentümer des Gebäudes, dem Unternehmenskonstrukt Lianeo (ehemals Intown), gebe es nicht, „da beide Parteien auf einen Gerichtstermin in der Hauptstreitsache warten“.

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Nach Anordnung der Stadt von 2017 kann das Haus erst wieder bezogen werden, wenn die Brandschutzmängel behoben sind. Gegen die Räumungsanordnung und die von der Stadt Dortmund in Rechnung gestellten 780.000 Euro ist der Eigentümer vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gezogen. Eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.

Plan wird wohl scheitern

Das eingereichte Sanierungskonzept des Eigentümers hatte die Stadt im November abgelehnt, weil es darin weiterhin Mängel beim Brandschutz gebe. Aus dem ursprünglichen Plan, dass die 412 Wohnungen 2020 wieder bewohnbar sein sollen, wird wohl nichts.

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hatte ein Sprecher des Hausverwalters „All Sites Property Management“ Anfang Dezember mitgeteilt, man sei bemüht „den Hannibal II zeitnah zu reaktivieren und dem Dortmunder Wohnungsmarkt zuzuführen“.

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