„Der klassische Handwerker ist zu sehr kundenorientiert“ Dortmunder Firma will anders sein

„Der klassische Handwerker ist zu sehr kundenorientiert“: Eine Firma will anders sein
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Stefan Lietzau verzeichnet bis zu zwei Jahre Lieferzeit für Wärmepumpen. Der 52-Jährige arbeitet in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK). „Der Schwerpunkt war bei mir schon immer die regenerative Energietechnik“, zu der zum Beispiel auch Solaranlagen gehören.

Wärmepumpen und Co. sind Teil der Debatte um das Heizungsgesetz, das die Ampel-Koalition – nach einem vorläufigen Stopp durch das Bundesverfassungsgericht – nach der Sommerpause beschließen will. Ab 2024 soll möglichst jede neue eingebaute Heizung mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden, schreibt die Bundesregierung. Eine sofortige Austauschpflicht besteht dann allerdings nicht. „Im Endeffekt weiß keiner, wo es hingehen wird“, sagt Stefan Lietzau vom Unternehmen SHKLegio aus Dortmund-Asseln. Was er im Verkauf von Wärmepumpen bemerkt: „Mehr Kunden springen ab, warten einfach ab.“ Sie würden unter anderem zögern, weil sie auf eine mögliche Förderung von bis zu 70 Prozent hoffen. Und neben den Unsicherheiten der aktuellen Marktlage, stellen sich Betriebe auch anderen Herausforderungen.

Handwerk und Unternehmertum

„Der klassische Handwerker ist zu sehr kundenorientiert“, sagt Stefan Lietzau. „Die Aufträge abwickeln ist das eine, die gleiche Arbeitsmasse gibt es aber auch für Buchhaltung, Büroführung, Mitarbeitermanagement und Marketing. Das geht oftmals unter. Das erfordert Grundlagen, die er nicht kennt“ – und die laut Lietzau in der Meisterausbildung nicht ausreichend vermittelt werden. SHKLegio, seine Firma, will es anders machen, sich vom Handwerksbetrieb zum Unternehmen entwickeln, sagt Geschäftsführerin Britta Drees. Dafür setzt die im Jahr 2015 gegründete Firma mit Sitz am Asselner Hellweg auf verschiedene Mittel.

SHKLegio unter der Geschäftsführung von Britta Drees (52) hat den Standort des Badstudio Grothaus am Asselner Hellweg 112 übernommen. Noch richtet der Betrieb das Ladengeschäft ein.
SHKLegio unter der Geschäftsführung von Britta Drees (52) hat den Standort des Badstudio Grothaus am Asselner Hellweg 112 übernommen. Noch richtet der Betrieb das Ladengeschäft ein. © Benjamin Kübart

Ein Faktor: Die acht Mitarbeiter starke Firma wird von einer Doppelspitze geführt. Während Stefan Lietzau als Anlagenmechaniker SHK und mit Techniker-Zertifizierung den handwerklichen Teil als Betriebsleiter übernimmt, kümmert sich die Industriekauffrau Britta Drees um die Unternehmensführung. „Wir ergänzen uns sehr gut“, sagt Drees, denn auch Stefan Lietzau hat nach seiner Gesellenprüfung zeitweise kaufmännische Erfahrung sammeln können. Drees: „Viele Betriebe scheitern, Jungmeister sind dann nach zwei Jahren pleite. In ihrer Lehre bekommen sie nicht vermittelt, Unternehmer zu sein. Und wenn ich keine Rechnungen schreibe, kann auch kein Geld reinkommen.“

Apps statt „Block und Stift“

Als einen wesentlichen Punkt heben die beiden die Digitalisierung ihres Unternehmens hervor. „Das Handwerk war die letzte Bastion, die nicht einfach zu greifen und zu strukturieren war“, sagt Lietzau dazu. „Viele Unternehmen kommen noch mit Block und Stift zum Kunden“ und setzen nicht auf Software-Lösungen, ergänzt Drees. Heute regelt eine App die Abläufe in ihrem Asselner SHK-Betrieb: Alle Aufträge, laufende Baustellen inklusive Bildern, die Stundenerfassung der Mitarbeiter oder Formulare sind über das Smartphone oder Tablet erreichbar und schaffen „die Möglichkeit, alles ohne Lücken in den Daten auflisten zu können“, erklärt Lietzau. Der Plan dahinter: Weniger Zettelwirtschaft und kürzere Auftragszeiten. Zusätzlich spiele der Umweltgedanke eine Rolle, sagt Drees: „Das Ziel ist ein papierloses Büro. Das klappt in vielen Bereichen, aber noch nicht zu 100 Prozent.“

Seine Kunden will das Unternehmen über das Internet gewinnen. Auf der Webseite können Interessenten ihre Daten eingeben, danach geht es schrittweise weiter: Der Kunde bekommt erst eine Eingangsbestätigung, dann einen Anruf, erst später kommt es zum ersten Beratungstermin. Dieser feste Ablauf soll wie ein Filter wirken, denn „nicht jeder Kunde ist unser Kunde“, sagt Drees. „Wir bewegen uns in einem Preisspektrum, das relativ hoch ist, und müssen unsere Zeit effektiv nutzen. Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen. Ein Kunde, der mittendrin ‚Nein‘ sagt – das ist ineffizient.“ Aber: „Wir können nur so gut arbeiten, wie der Kunde ehrlich zu uns ist.“

Für ihre Mitarbeiter hat SHKLegio ein Fitnesstudio in den eigenen Räumlichkeiten eingerichtet. "Das hat sich über Corona ergeben", sagt Stefan Lietzau.
Für ihre Mitarbeiter hat SHKLegio ein Fitnesstudio in den eigenen Räumlichkeiten eingerichtet. "Das hat sich über Corona ergeben", sagt Stefan Lietzau. © Benjamin Kübart

Und wie ist es, in Zeiten des Fachkräftemangels Nachwuchs für den eigenen Betrieb zu finden? „Ein Albtraum“, sagt Lietzau. Über die sozialen Netzwerke spielt SHKLegio deshalb abgestimmte Stellenanzeigen aus, bei denen sich Kriterien wie die Schulbildung, der Wohnort oder das Alter einstellen lassen. Interessierte müssen nur eine Kurzbewerbung einreichen und dabei weniger Angaben machen, als bei einem klassischen Bewerbungsschreiben. Für diese und ähnliche Initiativen ist das Unternehmen nun ausgezeichnet worden (s. Infokasten).

„Angst vor den Veränderungen“

„Es ist eine interessante Zeit“, sagt Wolfgang Diebke, zuständig für die Unternehmensberatung an der Handwerkskammer Dortmund. Laut Diebke gehört der Personalmangel zu einem der Kernprobleme der Branche: „Es ist ein Problem, zuverlässige Leute zu bekommen. Gleichzeitig besteht bei manchen Unternehmen das Luxusproblem, so viele Aufträge zu bekommen, dass sie wahrscheinlich gar nicht alle abarbeiten können.“

Unternehmen grenzen sich von den Mitbewerbern in ihrer Branche ab, wenn sie „besser sind, schneller, präziser“ , sagt er. Lieferengpässe stellen in handwerklichen Betrieben genauso wie fehlende Digitalisierung ein Problem dar. „Wenn die Akzeptanz im Mitarbeiterstamm nicht vorhanden ist, wird es doppelt schwierig für den Betriebsinhaber, so etwas zu implementieren. Das ist das Ungewisse, die Angst vor den Veränderungen.“ Deshalb sollten Betriebe auch externe Beratungen in Anspruch nehmen, sagt Diebke.

Die Firma SHKLegio erhielt den Preis „Excellence Award des Handwerks 2023“ in der Region Dortmund. Er wurde laut Britta Drees durch die Initiative „Mission Starkes Handwerk“ an 100 Mitglieder des Initiative-Netzwerkes verliehen – als Auswahlkriterien für den Preis nennt die SHKLegio unter anderem „die Qualität der Arbeit, Innovationsgeist“ und den „Beitrag zum Ruf der Handwerksbranche“. „Mission Starkes Handwerk“ wurde vom Unternehmens-Coach Sven Schöpker gegründet. Auch die Firma SHKLegio hat laut eigener Auskunft an den Coachings von Schöpker teilgenommen. Der Coach veröffentlicht im August sein Buch „Excellence des Handwerks“, in dem er ausgewählte Betriebe vorstellen, ihre individuellen Leistungen honorieren und die Firmengeschichte erzählen will – auch SHKLegio ist mit dabei. Das Buch erscheint im August im Bourdon Verlag.

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