Handschellen wegen Flyer-Verteilaktion in Dortmund Was das Ordnungsamt darf und was nicht

Handschellen wegen Flyer-Verteilung: Was das Ordnungsamt darf und was nicht
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Seit Jahren ist es in Dortmund gelebte Praxis, dass Ordnungsamt und Polizei gemeinsam auf Streife gehen. In den vergangenen Jahren hat sich auch das Erscheinungsbild der Behördenvertreter schrittweise angepasst. Der Schriftzug „Ordnungsamt“ ist auch auf Schutzwesten zu sehen, Schlagstöcke und Handschellen befinden sich an Gürteln.

„Unsere Mitarbeiter sehen sich pro Jahr einer dreistelligen Zahl verbaler und körperlicher Angriffe ausgesetzt“, sagte der städtische Ordnungsdezernent Norbert Dahmen im vergangenen Oktober. Das Ordnungsamt wird deshalb genau wie die Polizei mit Bodycams ausgestattet. Die kleinen am Körper getragenen Kameras sollen dazu beitragen, brenzlige Situationen zu deeskalieren.

Eine körperliche Auseinandersetzung ist am Dienstag (8.8.) auf dem Nordmarkt entstanden. Ein 31-Jähriger hatte dort Flyer zur Ankündigung einer Demonstration verteilt. Weil er sich geweigert hat, dem Ordnungsamt die Zettel auszuhändigen, ist er zu Boden gebracht und mit Handschellen gefesselt worden.

Laut Stadt Dortmund leistete der Mann „erheblichen Widerstand“, die Handschellen seien „zur Eigensicherung der eingesetzten Kräfte“ nötig gewesen. Der Fall wirft jedenfalls die Frage auf, wie weit die Befugnisse des Ordnungsamtes ohne polizeiliche Unterstützung gehen.

Keine Regeln für Ausrüstung

Die Bezirksregierung Arnsberg ist die Aufsichtsbehörde in diesem Fall. Jede Ordnungsbehörde entscheide selbst, welche Schutzausrüstung richtig und notwendig sei, erklärt Sprecherin Ursula Kissel. Deshalb gebe es „keine speziellen oder allgemeingültigen Regelungen“ zu diesem Aspekt.

Die Kombination aus Ordnungsbehördengesetz (OBG) und Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) ergebe, dass die Einsatzkräfte auch „unmittelbaren Zwang“ anwenden dürfen. Dies sei der Fall, „wenn eine konkrete Gefahr besteht“, so Kissel: „Als Mittel zur Durchsetzung können unter anderem auch Handschellen und Pfefferspray vorgehalten werden.“

Nordmarkt Dortmund
Am Rande des Nordmarkts ereignete sich die Auseinandersetzung vom Dienstag. © Kevin Kindel

Ob die Flyer-Verteilung und die verweigerte Zettel-Herausgabe im akuten Fall eine Gefahr im Sinne des Gesetzes dargestellt hat, darf diskutiert werden. „Bevor eine Fixierung von Personen vorgenommen wird, muss die Ordnungsbehörde prüfen, ob kein milderes Mittel vorliegt“, so die Behördensprecherin. Also: Gibt es keine andere Möglichkeit, das Ziel des Einsatzes zu erreichen?

Der Dortmunder gab außerdem am Dienstag an, nach der Auseinandersetzung, die unter freiem Himmel stattfand, in Handschellen in einem Büro festgehalten worden zu sein. Ursula Kissel sagt dazu, dass das Ordnungsamt niemanden ohne die Polizei in Gewahrsam nehmen darf.

Gewahrsam nicht erlaubt

„Die Ordnungsbehörde darf vor Ort fixieren und muss dann entweder auf die Polizei warten oder den Betroffenen oder die Betroffene zur nächsten Polizeiwache bringen“, so die Sprecherin der Bezirksregierung. „Eine langfristige Ingewahrsamnahme sieht der Gesetzgeber für die Ordnungsbehörden nicht vor.“

Die städtische Pressestelle hat sich am Dienstagabend (8.8.) zur Situation wie folgt geäußert: „Nachdem die Mitarbeiter des Ordnungsdienstes die Personalien aufgenommen und das Sicherstellungsprotokoll erstellt hatten, wurden dem Betroffenen die Handfesseln unverzüglich abgenommen.“ Nach Angaben des Mannes habe das aber fast eine Stunde lang gedauert.

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