Lotto und Post im Rewe-Markt

Dortmunder Händlerin: mit 50 selbstständig – mit 60 in die Insolvenz

Seit ein paar Wochen ist der Lottoladen schon dicht. Vor neun Jahren startete die Inhaberin voller Elan in die Selbstständigkeit. Nun steht sie vor der Insolvenz – und hat noch „Glück im Unglück“.

Bodelschwingh

, 23.05.2022 / Lesedauer: 4 min

Stoff-Rolläden in der Vorkassen-Zone eines Rewe-Marktes. „Wegen Geschäftsaufgabe ab sofort geschlossen“, steht in schwarzen Lettern auf braunem Karton. Den Lottoschein abgeben, Briefmarken kaufen oder ein Päckchen aufgeben, schnell eine Zeitschrift, ein Päckchen Zigaretten oder eine Glückwunschkarte holen – das geht nicht mehr.

Der kleine Shop bei Rewe Teupe in Dortmund-Bodelschwingh ist dicht. Inhaberin Birgit Korytowski steht vor einem Insolvenzverfahren. Am Dienstag (24.5.) beginnt die Inventur. Deutsche Post und Westlotto werden dann ihr Inventar abholen. Das Mobiliar der Einzelhändlerin übernimmt der Insolvenzverwalter.

Als Birgit Korytowski ihre Geschäftsaufgabe Anfang Mai in einer Westerfilder Facebook-Gruppe veröffentlichte, waren Anteilnahme und Dankbarkeit groß. „Hier in Bodelschwingh kennen mich viele Menschen auch aus der Nachbarschaft“, sagt die Noch-59-Jährige. Sie habe sich bei ihnen und vor allem bei den Kunden verabschieden wollen.

Mit 50 Jahren in die Selbstständigkeit

Im Gespräch mit dieser Redaktion erzählt sie, „wie es gelaufen ist“. Leicht fällt ihr das aber nicht. Es ist die emotionale Geschichte einer Selbstständigkeit – mit nachvollziehbaren Entscheidungen und immer neuen Rückschlägen.

Bis zu ihrem 50. Geburtstag arbeitete Birgit Korytowski im Vertrieb einer großen Käserei, zuletzt im Außendienst für ganz Nordrhein-Westfalen. Dann musste ein neuer Job her. „Schwierig mit 50“, sagt sie. Aber an der Deininghauser Straße in Bodelschwingh stand eine kleine Lottoannahmestelle mit Post-Station zur Übernahme – gar nicht weit von ihrer Wohnung.

Beim Rewe in Bodelschwingh gibt es seit kurzem keine DHL- und Poststelle mehr. Der Lotto-Zeitschriften-Tabakladen von Birgit Korytowski ist geschlossen. © Tobias Weckenbrock

„Mit vollem Elan“ habe sie 2013 den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Korytowski renovierte das Ladenlokal. Die KfW-Bank finanzierte den Start mit 25.000 Euro.

Im gleichen Jahr erfolgte am anderen Ende Bodelschwinghs der Umbau der ehemaligen Fruchtbörse in einen Rewe-Markt – inklusive Post-Station und Lotto in der Vorkassen-Zone. Rewe fragte bei ihr an, ob sie das neue Geschäft übernehmen wolle. „Ich habe mich lange mit meinem Steuerberater beraten“, erzählt Birgit Korytowski. „Es ging nicht anders, als den Laden zu übernehmen.“

Serie von fünf Einbrüchen

Die Gründe lagen auf der Hand. Rewe würde noch mehr Kunden in das neue Bodelschwingher Geschäftszentrum ziehen. Sie würden also dort den Lottoschein abgeben oder Briefmarken kaufen – kaum eine Chance für den kleinen Laden im alten Ortskern. „Ich habe das gewuppt“, sagt sie. Weitere KfW-Kredite finanzierten die neue Ladeneinrichtung und die Grundausstattung für den Zeitschriften-Handel.

Doch es gab Kehrseiten: Die Untermiete für die 40 Quadratmeter Verkaufsfläche im Rewe-Markt war mit 1666 Euro mehr als doppelt so hoch wie an der Deininghauser Straße, so sagt sie. Bis sie einen Nachmieter für das ja gerade erst angemietete Ladenlokal gefunden hatte, verging ein Jahr – mit monatlich 750 Euro Miete.

„Der Laden im Rewe lief gut an, und ich glaubte, hier kannst du alt werden“, erzählt Birgit Korytowski. Dann folgte ab Dezember 2014 ein Nackenschlag nach dem anderen: eine Serie von Einbrüchen. Die Täter hatten es leicht, fehlten zu der Zeit an den Schaufenstern hinter ihrem Shop vor Einbruch sichernde Gitter. Auf einem Teil des Schadens blieb sie sitzen.

Corona „war heftig“

Jeweils mehrtägige Einnahmeausfälle kamen hinzu, bis die Einbruchsspuren beseitigt waren. Es dauerte ein Jahr, bis die Schaufenster durch Gitter gesichert waren. Birgit Korytowski investierte inzwischen in einen großen Safe, in den sie jeden Abend die Tabakwaren packte.

Mittlerweile sichern Gitter hinter den Schaufenstern den Vorkassen-Bereich vor Einbrüchen. Fünfmal brachen zuvor Täter in den kleinen Laden ein. Die Schäden kosteten einen Teil von Birgit Korytowskis Existenz. © Uwe von Schirp

Kosten über Kosten – ein Weg in die Abwärtsspirale: zu wenig Gewinn, wenn auch nur kurzfristige Engpässe beim Begleichen von Rechnungen, Ausgabenkontrolle durch die Hausbank. Hinzu kam Wettbewerb unter dem gleichen Dach. Mit Rewe Viert stritt sie über dessen Verkauf von Zeitschriften. Obwohl der Mietvertrag das ausschloss, benötigte sie einen Anwalt, um ihr Recht durchzusetzen. Eine Betriebs-Rechtsschutzversicherung hatte sie nicht.

Als Markus Teupe den Markt vom Vorgänger übernahm, hoffte Birgit Korytowski, die Miete neu verhandeln zu können. „Sie erschienen mir im Vergleich zu anderen Gewerbeobjekten hoch.“ Vergebens. „Herr Teupe sagte mir, dass wir das eventuell neu besprechen könnten, wenn der Vertrag 2023 verlängert werde.“

Dann kam die Corona-Pandemie. „Und das war heftig. Der Umsatz ging erheblich zurück.“ Birgit Korytowski beantragte Coronahilfen, „von denen ich jetzt noch gute 2600 Euro zurückzahlen muss“.

„Glück im Unglück“

Im März dieses Jahres reifte dann der Entschluss, das Geschäft „schweren Herzens“ aufzugeben. Birgit Korytowski hoffte, einen Nachfolger für ihren Laden in der Vorkassen-Zone zu finden. Vom Verkaufs-Erlös des Inventars wollte sie ihre Verbindlichkeiten tilgen.

Jetzt lesen

Am Dienstag nach Ostern suchte sie das Gespräch mit Markus Teupe. „Er bedauerte meinen Entschluss, konnte ihn aber menschlich verstehen“, erzählt sie. In dem Gespräch erfuhr sie jedoch, dass der Mietvertrag 2023 nicht verlängert werden solle. Offenbar wolle Rewe die Verkaufsfläche selbst nutzen – der Plan, das Inventar an einen Nachfolger zu verkaufen, damit gescheitert.

Anfang Mai kündigte sie ihren drei Mitarbeiterinnen. Dann kamen ein paar Tage schon länger gebuchter Urlaub. Nun das Insolvenzverfahren. Und dann? „Ich habe Glück im Unglück“, sagt Birgit Korytowski. Sie stieß auf die Stellenausschreibung einer Postfiliale mit Lotto-Annahmestelle. „Die Kollegin hat gesagt, ich nehm‘ dich. Am 1. Juni fange ich an.“

Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.

Jetzt kostenfrei registrieren

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung

Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.

E-Mail erneut senden

Einfach Zugang freischalten und weiterlesen

Werden auch Sie RN+ Mitglied!

Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.

Sie sind bereits RN+ Abonnent?
Jetzt einloggen