
© Dieter Menne
Dortmund ist das Herz Westfalens - und so sollte auch seine Küche sein
Kolumne „Overkamps Lecka-reien“
Viele Dortmunder fühlen sich nicht wie Westfalen - dabei liegt ihre Heimatstadt im Herz der Region. Das ist schade, findet Koch Günther Overkamp. Schließlich bietet die westfälische Küche einiges.
Der ganz gewöhnliche Dortmunder, zu dem ich mich natürlich auch zähle, der hat ein Problem zu erklären, wo er wech kommt. Er sagt dann irgendwas mit Ruhrgebiet. Aber nicht gern, denn eigentlich möchte er was Besseres sein, sowas mit Technologie und einem schicken See.
Meistens fällt ihm noch BVB ein, wobei das keine Ortsbestimmung ist. Wenn das immer noch nicht reicht, dann ergänzt er „near Cologne.“
Was ihm überhaupt nicht einfällt, ist Westfalen! Dabei sind wir hier das Herz Westfalens! Diese wirkliche und echte Identität überlässt er komplett den aristokratischen Münsteranern. Die bestimmen, wo Westfalen ist. Geht gar nicht!
Döner oder Dicke Bohnen
Tatsächlich beginnt das altpreußische Westfalen im Westen (ich gebe es wirklich sehr ungern zu) in Gelsenkirchen und reicht östlich bis Warburg. Dazwischen liegt ein wunderbarer Landstrich, der kulinarisch zweigeteilt ist: In der Stadt mit Döner und Pita-Taschen und auf dem Land mit Stielmus, Dicke Bohnen, Graupensuppe und Wirsing-Rouladen.
Dazu gehören eine Atmosphäre von Wohnküche, Heimat und Gemütlichkeit und auch der Begriff Gasthaus, den ich ja sehr liebe und den wir hier in unserem Familienbetrieb mit Leben füllen.
Und natürlich gehören Speck und Schmalz dazu, auch wenn der Zeitgeist sich jetzt ein bisschen gruselt. Wenn mir einer sagt: In Rotkohl oder Grünkohl muss kein Schmalz rein, kann ich nur sagen: Dann ist es kein Rotkohl und kein Grünkohl.
„Overkamps Lecka-reien“
Warum ist westfälische Küche so „lecka“ und wie führt man ein Traditions-Gasthaus? Darüber schreibt der Dortmunder Koch Günther Overkamp in seiner Kolumne „Overkamps Lecka-reien“.Die westfälische Speisekarte ist geprägt von Menschen, die viel arbeiten mussten, in der Stadt und auf dem Land. Die konnten sich nicht lange mit Kochen aufhalten, brauchten aber ordentlich Kalorien. Also alles in einen Topf und Speck und Mettwurst dazu: Eintopf eben. Ist ja auch lecka.
Manchmal reichte zum Garen die Restwärme des Ofens aus, zum Beispiel beim „Schlabberkapps“ oder „Spanisch Fricco“. So konnte man bedenkenlos aufs Feld, „auf Maloche“ oder „vor Kohle“ und bei Rückkehr war das Essen fertig.
Ich bin ein Verfechter davon, dass man traditionelle westfälische Gerichte so lässt, wie sie sind, statt sie Zeitgeist-entsprechend zu verfremden. Dann schmecken sie nicht mehr. Wenn man leichter essen will, muss man eben neue Gerichte erfinden.
Ich hab kürzlich ein Grünkohl-Risotto gegessen. Der Grünkohl war roh und ganz klein geschnitten. War lecka. Für Dortmund à la carte haben wir dem Stielmus neues Leben eingehaucht. In einer modernen Variante mit Tafelspitz und Meerrettich statt Mettwurst. Ist ein Bestseller.
Linsen sind mehr als nur Eintopf
Auch Stielmus mit Zander ist ein gutes Gericht. Wenn der Zander auch noch aus der Möhne kommt, ist es sogar ein Westfälisches. Was ich mega finde und auch in Zukunft auch mehr kochen werde, sind Linsen. Man kann viel mehr damit machen als den leckeren Westfälischen Linseneintopf.
Zum Beispiel Linsensprossen als Gemüse oder Salat. Einfache Tellerlinsen in lauwarmem Wasser einweichen und unter einem feuchten Tuch sprießen lassen. Als Gemüse anschwitzen oder als Salat mit Essig, Öl, klein bisschen Zucker und Salz. Ein Gericht, das lebt. Enthält Ballaststoffe, Proteine, Antioxidantien. Und macht satt.
Westfälische Küche wärmt Herz und Seele
Trotzdem darf man auch westfälisch-deftig essen. In der richtigen Dosis ist es nicht ungesund. Denn es wärmt Herz und Seele und schmeckt nach zuhause. Die richtige Dosis ist ja bei allem und jedem wichtig - bis denne!
In Fredeburg im schönen Hochsauerland 1968 geboren, wurde Günther Overkamp Wahl-Dortmunder durch die Liebe. Er ist Mitgeschäftsführer und Mitglied der in über 300-jähriger Tradition stehenden Gastro-Familie Overkamp. Kulinarisch bezeichnet er sich als „Westfälisches Trüffelschwein“. Er lebt mit Ehefrau Dina und drei Kindern auf dem Höchsten.