Sebastian Kranz ärgert sich: „400 Euro ist das Polster, was wir monatlich brauchen, um irgendwann in eine neue Heizung oder Reparaturen zu investieren. Jetzt geht das Geld einfach ins Nichts.“ Kranz lebt mit seiner Frau, einem Kind, seinen Stiefeltern und einem Hund in einem Haus in Kirchhörde. 1680 Quadratmeter gehören zu dem an das Haus grenzende Landschaftsschutzgebiet. Das Grundstück hat die Familie vor einigen Jahren gekauft, das Haus saniert.
Es ist einer von diesen Fällen, die Grundstückseigentümer an der Verhältnismäßigkeit der Grundsteuerreform zweifeln lassen. Die Familie Kranz muss 2025 für ihr Landschaftsschutzgebiet über 4900 Prozent mehr Grundsteuer zahlen als im Jahr 2024. Statt 78 Euro zahlt die Familie nun 3987 Euro jährlich. Dazu kommt noch die erwartet höhere Abgabe für das Haus. Statt 336 Euro zahlt Familie Kranz dafür 921 Euro Grundsteuer. Insgesamt zahlt sie im Jahr fast 4500 Euro mehr an Grundsteuern.
Vor allem Grundstückseigentümer mit viel Gartenland ärgern sich darüber, dass die Stadt Dortmund, die Hebesätze differenziert hat. Denn Eigentümer wie Familie Kranz zahlen den höheren Hebesatz von 1245 Prozent, weil das Grünland von den Finanzämtern als Nicht-Wohngrundstück gewertet wird. Gleichzeitig ist klar: Fast 50 Prozent aller Hauseigentümer werden durch die gesplitteten Hebesätze weniger stark belastet, und das mildert auch die Folgen für viele Mieter ab.
Haus & Grund: „Problem ist nicht die Kommune“
Das Beispiel von Sebastian Kranz und seiner Familie zeigt, wie schwierig die Situation für alle Beteiligten in der Stadt Dortmund ist. Kranz ist verzweifelt und wendet sich deshalb ans Finanzamt. Das Steueramt der Stadt Dortmund hat wegen der vielen Anfragen sogar eine Servicenummer zur Grundsteuer eingerichtet. „Ich habe da angerufen und konnte lediglich eine Rückrufbitte hinterlassen. Ich warte seit Wochen auf den Anruf“, erzählt Kranz.
Es scheint, dass auch die Beamten der Finanz- und Steuerämter überfordert sind. Sie führen die Reform aus, die der Bund im Jahr 2019 beschlossen hat, nach dem das Bundesverfassungsgericht die alte Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt hat. Und die Beamten sind zunehmend dem wachsenden Unmut vieler Bürger ausgesetzt, die die Schuld auch bei der Stadt Dortmund und den Beamten suchen. Gleichzeitig scheint das Problem fast nur auf der gesetzlichen Ebene lösbar.

Dennis Soldmann ist einer der Geschäftsführer bei Haus & Grund in Dortmund. Der Verband setzt sich für seine Mitglieder ein, die privaten Grundstückseigentümer. Soldmann sagt: „Wir sind überzeugt, dass die Stadt Dortmund mit der Splittung der Hebesätze noch den größtmöglichen Spielraum ausgenutzt hat. Das Problem sehen wir nicht bei der Kommune, sondern im neuen Bewertungssystem der Grundsteuer.“ Seine Kritik richtet sich also vor allem an den Bund.
Grundsteuer-Einsprüche werden nicht entschieden
Für Frust sorgt bei vielen Grundstückseigentümern auch, dass die Finanzämter in Dortmund ihre Einsprüche nicht bescheiden. Denn viele haben sich schon gegen ihren Grundsteuerwertbescheid gewehrt. Das ist der Bescheid, den Eigentümer vor dem Zahlungsbescheid in diesem Januar bekommen haben. Der Grundsteuerwertbescheid ist die Grundlage für die anschließende Multiplikation mit dem Hebesatz der Stadt Dortmund.
Laut Haus & Grund sind viele dieser Einsprüche bis heute nicht beschieden worden. Das heißt: Weder wurde diesen stattgegeben, noch wurden die Einsprüche abgelehnt. Doch gerade die Ablehnung eines Einspruchs ist für viele Eigentümer wichtig. Denn nach der Ablehnung steht ihnen der Klageweg offen. Soldmann von Haus & Grund sagt: „Das ist ein Problem, weil hier durch eine über mehrere Jahre andauernde Rechtsunsicherheit entsteht.“
Soldmann glaubt, dass die Finanzämter den überwiegenden Teil der Einsprüche gegen die Grundsteuerwertbescheide unbeantwortet lässt, „weil die Verfassungsmäßigkeit des neuen Grundsteuermodells noch nicht abschließend geklärt ist.“ Statt klare Antworten zu liefern, würde die Finanzverwaltung die Verfahren verzögern „und überlässt den Bürgerinnen und Bürgern das Risiko, ob sie später womöglich zu viel gezahlte Grundsteuer zurückfordern müssen. Wir fordern eine zügige rechtliche Klärung, damit Eigentümer nicht im Ungewissen gelassen werden“, sagt der Geschäftsführer.
Das heißt, dass Menschen wie die Familie Kranz möglicherweise über Jahre noch deutlich höhere Grundsteuern zahlen, obwohl das möglicherweise unrechtmäßig ist. Dabei fällt vor allem auf, dass nun durch die Grundsteuerreform unbebaute Grundstücke mit Grünland so stark an Wert gewonnen haben, eben weil sie unbebaut sind. Gleichzeitig sind diese oft Landschaftsschutzgebiete und damit gar nicht bebaubar.
Grundsteuer: Eigentümer fühlen sich hilflos
„Ich fühle mich einfach nur hilflos“, sagt Sebastian Kranz zu der aktuellen Situation. Er steht damit exemplarisch für viele andere Menschen in Dortmund. Unsere Redaktion hat in den vergangenen Monaten über viele solcher Fälle berichtet, war bei Eigentümern vor Ort, hat sich Grundsteuerwertbescheide und die im Januar eingetroffenen Zahlbescheide angeschaut.
Dabei verzerrt der Unmut der schwer betroffenen Bürger auch ein wenig das Bild. Denn viele Menschen, die ein Haus ohne Grünland haben, wurden sogar teilweise um mehrere hundert Euro bei der Grundsteuer entlastet. Doch genau das legt auch offen, wie schwierig das Bewertungssystem für die Grundstücke ist. Während manche Grundstücke an Wert verloren haben, weil dort etwa sehr alte, unsanierte Häuser stehen, haben besonders Grundstücke an Wert gewonnen, die unbebaut sind.

Grundsteuer „enteignet uns“
Logischerweise entlädt sich der Unmut der Bürger in Dortmund, die mehr bezahlen müssen. Alle, die weniger Grundsteuer zahlen, sehen dann kaum einen Grund sich dazu zu äußern. Auch schwingt häufig der Vorwurf mit, dass die Stadt Dortmund das Versprechen der Aufkommensneutralität nicht einhält. Viele Eigentümer haben es dabei anders verstanden, als es auch vom Bundeskanzler und damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gemeint war.
Denn die sogenannte Aufkommensneutralität war nicht das Versprechen an die Bürger, dass sich nichts ändert. Das Versprechen war: Die Kommunen nehmen nicht mehr Steuern ein als vorher. Doch die Grundlage für das neue System hat das Bundesverfassungsgericht gelegt, als das entschieden hat, dass die Grundstückswerte veraltet sind und eine Neubewertung erfolgen muss. So haben sich auch die Steuerlasten verschoben. Einige zahlen mehr, andere zahlen weniger Grundsteuer.
Kommunen wie die Stadt Dortmund und ihre Institutionen müssen sich nun wegen der Reform mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass sie die Bürger ausnehmen. Sebastian Kranz aus Kirchhörde sagt: „Wir sind finanziell enteignet worden. Die Stadt und das Finanzamt interessiert es nicht.“ 400 Euro jeden Monat mehr, das kann sich seine Familie auf Dauer nicht leisten. Nun erwägt Kranz, das Grundstück zu verkaufen: „Aber wer kauft ein Landschaftsschutzgebiet mit einem Grundsteuerwert von 1,4 Millionen Euro?“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 18. Februar 2025.
Grundsteuerbescheide treffen ein: Was Dortmunder Eigentümer gegen hohe Bescheide tun können
Grundsteuer-Hebesatz für Dortmund steht fest: So viele Hauseigentümer müssen mehr zahlen