„Die Enttäuschung und das Entsetzen waren riesig. Das Unverständnis war groß. Gefreut hat sich keiner darüber“, sagt Julia Ernst. In drei Sätzen hat die Mutter eines Zweitklässlers damit prägnant zusammengefasst, welche Reaktionen und auch Emotionen eine Entscheidung des Schulamtes Dortmund an der Grundschule Am Dorney in den vergangenen Wochen ausgelöst hat.
Eine Sport- und Musik-Lehrerin wurde abgeordnet. Komplett. Für vorerst ein Schuljahr. Das heißt: Sie arbeitet in diesem Zeitraum nicht an der dreizügigen Grundschule in Oespel/Kley, sondern hilft an einer anderen Schule aus.
Brief ans Schulamt Dortmund
Julia Ernst bedauert das. Ebenso wie Anna Kimenkowski. Die beiden Mütter sind Klassenpflegschaftsvorsitzende der Klasse 2b. In dieser Funktion hatten sie bereits Anfang September einen Brief ans Schulamt Dortmund geschickt. Um ihr Unverständnis zu äußern, wieso gerade „eine der zentralen Figuren des Lehrerkollegiums“ abgeordnet wurde. Um ihr Bedauern über die „äußerst überraschende Entscheidung“ auszudrücken. Und um darum zu bitten, dass die Abordnung von einem Jahr möglichst verkürzt wird. Aber auf keinen Fall verlängert. Eine Antwort darauf erhalten haben sie auch anderthalb Monate später nicht.
Was die beiden Mütter am meisten sorgt, ist, dass durch das Fehlen der Lehrerin nun „zahlreiche Schwimm- und Sportstunden ausfallen, die gerade in der Zeit nach der Corona-Pandemie für die körperliche Entwicklung der Kinder unverzichtbar sind“.
Eine Stunde Sport weniger
So hätten alle Mädchen und Jungen in diesem Schuljahr eine Schulstunde Sport in der Woche weniger, also zwei statt regulär drei. „Die fehlende dritte Stunde Sport wird im ersten und zweiten Jahrgang jetzt immerhin durch eine sogenannte ‚Bewegungsstunde‘ ausgeglichen“, erzählt Julia Ernst. „Also hat unsere Schule da kurzfristig wenigstens für die Jüngeren irgendeine Kompensation gefunden. Auch wenn das natürlich nicht dasselbe ist.“

Einen Ansatz, um den Wegfall in Bezug auf den Schwimmunterricht der dritten und vierten Klassen zu kompensieren, habe die Grundschule mittlerweile auch erarbeitet, das wissen die beiden Mütter zu schätzen. Die Mädchen und Jungen, die bereits schwimmen könnten, hätten dadurch wieder regulär zwei Stunden in der Woche Unterricht. „Aber es gibt ja mittlerweile auch immer mehr Kinder, die nicht schwimmen können.“
Viele Nicht-Schwimmer
Unter den insgesamt 120 Schülerinnen und Schülern in den 3. und 4. Klassen seien das knapp 30 – also ein Viertel aller Mädchen und Jungen. „Und die sind aufgeteilt worden in zwei Gruppen, die sich nun wöchentlich abwechseln. Aber das ist doch eigentlich zu wenig.“
Ihre Hoffnung ist, dass das Schulamt die „Art und Weise“ überdenkt, wie Abordnungen durchgeführt und kommuniziert werden. „Wir wollen wirklich niemanden an den Pranger stellen. Gerade die Schule hat ihr bestmögliches getan. Aber dieser Prozess ist von Seiten des Schulamtes aus unserer Sicht mega unglücklich gelaufen. Und deshalb hoffen wir, mit unserem Brief ein Umdenken anstoßen zu können. Und, dass unsere Lehrerin schnell wieder zurückkommt.“
- Unsere Redaktion hat natürlich auch das Schulamt, sprich die Bezirksregierung Arnsberg, zu dem Fall angefragt. Deren Sprecherin Ursula Kissel bestätigt den Eingang des Schreibens der beiden Klassenpflegschaftsvorsitzenden aus Dortmund. Offen lässt sie jedoch die Frage, ob und wenn ja, wie dieses beantwortet wird.
- Ursula Kissel erklärt, dass Abordnungen „nach den Vorgaben des Handlungskonzeptes Unterrichtsversorgung des MSB in Abstimmung mit der Schulleitung und der Personalvertretung“ erfolgen. Ein Beratungsgespräch mit der nunmehr abgeordneten Lehrkraft habe ebenfalls stattgefunden. Das Schulamt ordne grundsätzlich von Schulen ab, „bei denen die Stellenbesetzungsquote dies erlaubt“.
- Auf die Frage, wieso diese Abordnung erst kurz vor den Sommerferien kommuniziert worden und für die Eltern damit „äußerst überraschend“ erfolgt ist, schreibt Kissel: „Der zeitliche Vorlauf einer Abordnung bezieht sich auf die Stellenbesetzung anderer Grundschulen, bei denen der Unterricht aufgrund von kurzfristigen Ausfällen (z. B. Beschäftigungsverbot von Schwangeren) von Lehrkräften nicht mehr sichergestellt werden kann und die eine Abordnung erforderlich machen.“
- Unbeantwortet lässt die Sprecherin, welche genauen Faktoren bei einer Abordnung berücksichtigt werden. Unsere Redaktion hatte hierzu unter anderem wissen wollen, ob zwischen verschiedenen Fächern differenziert wird und zum Beispiel die reguläre Durchführung von Deutsch- oder Mathematik-Unterricht womöglich eine höhere Berücksichtigung findet. Ob Zusatzangebote wie AGs bei Abordnungs-Entscheidungen berücksichtigt werden, beantwortet sie auch nicht. Dem „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ der NRW-Landesregierung sind diese Informationen ebenfalls nicht zu entnehmen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22. Oktober 2023.
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