„Großen Gesprächsbedarf erkannt“ Polizei Dortmund spricht über Lehren nach Mouhameds Tod

„Großen Gesprächsbedarf erkannt“: Polizei über Lehren nach Mouhameds Tod
Lesezeit

Auch ein halbes Jahr danach bewegt der 8. August 2022 viele Menschen in Dortmund. Der 16-jährige unbegleitete Flüchtling Mouhamed D. wurde an diesem Tag von einem Polizisten in der Nordstadt erschossen, nachdem er zuvor gedroht hatte, sich selbst mit einem Messer selbst zu verletzen.

Große Demonstrationen gab es nach dem Vorfall. Viele Menschen aus der Nordstadt, vor allem mit ausländischen Wurzeln, berichteten von einem grundsätzlich zerrütteten Verhältnis zur Polizei. Die Behörde reagierte mit einem Gesprächsformat, um mit den Menschen der Nordstadt ins Gespräch zu kommen. Nun berichtet sie von weiteren Dialogen.

„Einen wichtigen Impuls gab eine vom Planerladen koordinierte gemeinsame Stellungnahme von insgesamt 30 zivilgesellschaftlichen Trägern“, ist in einer Pressemitteilung von Freitag (10.2.) zu lesen. In der Stellungnahme seien die Organisationen mit Forderungen an die Polizei Dortmund getreten, heißt es.

Ein Gespräch fand im Haus der Vielfalt beim Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine statt.
Ein Gespräch fand im Haus der Vielfalt beim Verbund der sozial-kulturellen Migrantenvereine statt. © Polizei

Kern solcher Forderungen ist im Sommer gewesen, dass sich viele rechtschaffende Menschen in der Nordstadt von der Polizei anders behandelt fühlen als diejenigen in anderen Stadtbezirken.

Großer Gesprächsbedarf erkannt

Die Behörde schreibt selbst auf ihrer Internetseite: „Bereits seit 2014 setzt das Polizeipräsidium Dortmund deutliche Schwerpunkte mit direktionsübergreifenden Ansatz im Bereich der Dortmunder Nordstadt.“ Überschrieben ist die entsprechende Seite mit: „Null Toleranz in der Nordstadt!“

Die Organisationen und das Polizeipräsidium „erkannten nach Kritik an der Polizei einen großen Gesprächsbedarf“, so die aktuelle Mitteilung. Demnach gingen sie aufeinander zu, „um die Kritik von unterschiedlichen Positionen heraus zu analysieren und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten“.

Demonstration gegen Polizeigewalt in Dortmund
Mehrere Demonstrationen gegen Polizeigewalt sind im vergangenen Jahr durch Dortmund gezogen. © Robin Albers

Polizeipräsident Gregor Lange gründete die Arbeitsgruppe Dialog, die sich aus Beschäftigten aller Direktionen zusammensetze. Vertreterinnen und Vertreter aus rund 15 Organisationen nähmen an den weiterhin andauernden Gesprächen teil, die von der Sozialwissenschaftlerin Deniz Greschner moderiert werden.

„In allen persönlich geführten Gesprächen mit sehr engagierten Menschen aus Migrantenorganisationen in Dortmund habe ich nicht nur Kritik gehört, sondern auch ein starkes Interesse an einem vertrauensvollen Verhältnis zur Polizei gespürt“, sagt Lange. „Die vielen Stimmen und Blicke von außen in die Polizei haben uns in den vergangenen Monaten weit voran gebracht.“

„Verlorenes Vertrauen“

„Es geht darum, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, dafür eng zusammenzuarbeiten und gemeinsam Perspektiven zu entwickeln“, zitiert die Polizei Fatma Karacakurtoglu vom Verein „Train of Hope“, der Geflüchtete in der Nordstadt unterstützt.

Man habe über Themen wie Beschwerdemanagement, Antirassismus oder Umgang mit psychisch kranken und traumatisierten Menschen gesprochen. Auch „Racial Profiling“ wird genannt, also die polizeiliche Andersbehandlung von Migranten wegen ihres Aussehens.

Die Polizei Dortmund kündigt an, im März „erste Ergebnisse und Vereinbarungen“ präsentieren zu wollen. Neben dem Gesprächsformat „Talk with a cop“, das direkt im August gestartet wurde, verweist die Behörde auch auf „Dienstunterricht“, in dem erfahrene Führungskräfte andere Einsatzkräfte im Umgang mit psychisch auffälligen Personen schulen und sensibilisieren.

Außerdem gibt es unter https://dortmund.polizei.nrw seit kurzer Zeit Informationen über das Beschwerdemanagement der Behörde auch auf Englisch und Französisch.

Im Fall Mouhamed D. wird noch für Februar die Entscheidung erwartet, ob und wenn ja welche beteiligten Polizeikräfte wegen des eskalierten Einsatzes angeklagt werden. Aktuell wird außerdem ermittelt, nachdem Polizisten an Weihnachten in der Nordstadt auf ein fahrendes Auto geschossen haben. Hierzu sind erst für April neue Erkenntnisse angekündigt.

Todesschüsse auf Mouhamed D. (†16): Polizisten sollen laut Medienbericht angeklagt werden

Video-Jahresrückblick für Dortmund: Mouhamed D., Chico, Pocher und vieles mehr aus 2022

Böhmermann nimmt Polizei Dortmund ins Visier: „16-Jähriger mit 18 Schüssen in den Rücken getötet“