
© Yama Ahmadzai
Dortmunds Ghostbusters: Ein Ehepaar will alle Corona-Geister finden
Corona-Straßenkunst
Die Corona-Geister sind zu einer Ikone der Pandemie in Dortmund geworden: Zu Hunderten prangen sie in der ganzen Stadt. Ein Dortmunder Ehepaar will sie alle finden. Wie weit sind sie?
1984, als das Virus, vor dem die Welt zitterte, HIV hieß, kam ein Film in die Kinos. In ihm jagten drei Chaoten mit einem umgebauten Krankenwagen und Strahlenkanonen, die wie Staubsauger aussahen, alle möglichen Geister in New York. „Ghostbusters“ (Geisterfänger/-jäger) wurde ein prägender Einfluss der Popkultur der 1980er.
36 Jahre später - während die Welt mit den Folgen des neuartigen Coronavirus kämpft - hat Dortmund seine eigene kleine Armee von Ghostbusters. Nur, dass die Waffe ihrer Wahl das Smartphone ist. Zu Dutzenden sind sie in der Stadt unterwegs und zeigen ihre Beute auf sozialen Medien wie Instagram.
Die Objekte ihrer Begierde sind blasse Kreaturen, die Mitte Februar plötzlich auf Dortmunds Hauswänden auftauchten. Mitte April waren es bereits über 500, inzwischen sind es bedeutend mehr. Wer auf Instagram unter „#coronageist“ sucht, findet mehr als 1000 Bilder.
In manchen Teilen der Innenstadt prangen die Corona-Geister inzwischen gefühlt an jeder zweiten Ecke. Meist tragen sie einen blauen oder pinken Mundschutz, seltener auch einen „I love Hongkong“-Regenschirm oder liegen als Obdachlose unter einer Zeitung.
Die Geister-Graffiti wurden zu Dortmunds grafischer Ikone der Corona-Krise. Kinder malten sie nach und hingen die Zeichnungen in ihre Fenster, mittlerweile gibt es sie in Galerien zu kaufen.
Doch einige Dortmunder gehen lieber selbst auf Geisterjagd. So wie Yama Ahmadzai (38) und Julia Kreuch (29). Das Dortmunder Ehepaar - er ist IT-Abteilungsleiter, sie studiert Theologie - ist den Corona-Geistern verfallen.

Ein Geisterjäger bei der Arbeit: Yama Ahmadzai fotografiert einen Corona-Geist. © Julia Kreuch
Sie haben ein großes Ziel: „Wir wollen jeden Geist fotografieren und alle auf eine große Collage packen“, sagt Ahmadzai.
Um den Überblick zu behalten, welche Dortmunder Straßen sie bei ihrer Geisterjagd mit dem Fahrrad bereits durchkämmt haben, haben sich die Eichlinghofer eine Tracking-App besorgt. „Ich muss immer auf ihn warten, damit seine Karte stimmt und keine Lücke entsteht“, sagt Kreuch und lacht dabei.
Bloß keine Straße darf bei der Jagd nach Corona-Geistern übersehen werden
Stadtteil für Stadtteil wollen die beiden auf diese Weise systematisch abfahren. Das kann je nach Viertel schon einmal einen ganzen Tag dauern: Als sie das Kreuzviertel abgrasten, brauchten sie für die 10 Kilometer Strecke einen ganzen Nachmittag. Die Ausbeute: knapp 90 Geister-Graffiti.

Mit einer Tracking-App zeichnen die Corona-Geisterjäger ihre Route auf, um keinen Weg zweimal zu fahren. © Yama Ahmadzai
Wer alle paar Meter anhält, um Fotos von Häusern zu machen, fällt auf: „Wir werden manchmal schon komisch angeguckt“, erzählt Kreuch. „Ein paar alte Damen haben uns genau beobachtet.“
Die Leidenschaft der Dortmunder Ghostbuster für die Geister trübt es nicht - zumal ihre „Jagd“ ja auch einen weiteren Sinn habe: „Wir wollten schon immer mal Dortmund bis in den kleinsten Winkel erkunden“, sagt Kreuch. „Jetzt hat man auch ein Ziel.“
Corona-Geister als Werbung für Mundschutz
Bei der Geisterjagd bleibt es nicht aus, sich ein paar Gedanken zu seiner „Beute“ zu machen. „Es hat was Verbindendes für Dortmund“, findet Kreuch. „Die Geister fangen die aktuelle Situation schon gut ein“, sagt Ahmadzai. Die Corona-Geister versteht Kreuch als Werbung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen: „Die, die keine Masken tragen, husten und verbreiten die Viren.“
Auch wenn die Graffiti Sachbeschädigung seien, beeindruckt Ahmadzai die Konsequenz des Sprayers: „Er hatte eine Idee und hat es durchgezogen, trotz des Risikos.“ Für ihn sind die Corona-Geister ein Kulturgut.
Ihre Jagd nach allen Geistern wird wohl noch eine ganze Weile dauern. Die Expeditionen neben der Arbeit zu planen und zu machen, sei nicht einfach - zumal das Gebiet, das sie durchstreifen müssen, immer größer wird. „Wir haben mittlerweile auch schon Geister in Hombruch entdeckt“, sagt Ahmadzai. „Wir müssen also auch in die Vororte.“
1984 geboren, schreibe ich mich seit 2009 durch die verschiedenen Redaktionen von Lensing Media. Seit 2013 bin ich in der Lokalredaktion Dortmund, was meiner Vorliebe zu Schwarzgelb entgegenkommt. Daneben pflege ich meine Schwächen für Stadtgeschichte (einmal Historiker, immer Historiker), schöne Texte und Tresengespräche.
