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Gesundheitsamt macht es sich bei der Quarantäneanordnung zu leicht
Meinung
Der PCR-Test gilt als Goldstandard, ist aber nicht unfehlbar. Doch das Dortmunder Gesundheitsamt schickt in Zweifelsfällen Menschen mit pauschalen Formulierungen in Quarantäne.
Wenn jemand als positiv getestet gilt, hat das nicht nur Auswirkungen auf den Betroffenen, sondern auch für sein familiäres, soziales und berufliches Umfeld. Im besten Fall verhindert das Ergebnis weitere Erkrankungen und rettet sogar Leben, weil mit der dann verordneten Quarantäne Infektionsketten unterbunden werden.
Doch auch ein falsch-positives Ergebnis hat Folgen für das Umfeld. Und falsch-positive Ergebnisse gibt es – selten, aber in Studien nachgewiesen. Und die werfen folgende Fragen auf:
Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist eine positiv getestete Person tatsächlich positiv, wenn sie in einer Umgebung mit niedriger Inzidenz lebt, sich an alle Kontaktbeschränkungen und Hygiene-Maßnahmen hält und auch sonst regelmäßig negativ getestet wurde? Sind Alter der betroffenen Person, die Symptome und Befunde mit Covid-19 vereinbar?
Risikoabwägung
Unsicherheiten gibt es auch bei der Probenentnahme, zumal, wenn sie wie bei Lolli-Tests nicht von medizinischem Fachpersonal durchgeführt wurde. Falsch-negative Ergebnisse könnten aufgrund schlechter Probenqualität nicht ausgeschlossen werden, warnt das Robert Koch-Institut unter seinen Hinweisen zur Testung.
Bei der Risikoabwägung, ob jemand mit einem positiven Testergebnis an der Grenze der Nachweisbarkeit und weiteren negativen Testergebnissen in Quarantäne geschickt wird, spricht der Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes, Dr. Frank Renken, von einem „Dilemma“, in dem seine Behörde stecke. Im Zweifelsfall gehe die „vorsichtige Lösung“ immer vor.
Doch bei dem einen oder anderen Zweifelsfall macht es sich das Gesundheitsamt wohl zu leicht, weil es die wirkliche Erkrankungswahrscheinlichkeit außen vor lässt wie bei der Familie Kwiatkowski.
Alle bedeutsamen Umstände sind zu berücksichtigen
Die Behörde zieht sich in solchen Fällen pauschalisiert auf die Corona-Test- und Quarantäneverordnung NRW zurück, statt ihre Entscheidung transparent zu begründen. Doch die Verordnung sieht durchaus eigene Entscheidungen der Behörde vor. Und mit seiner vorsichtigen Lösung könnte das Gesundheitsamt juristisch über dünnes Eis gehen.
Eine Quarantäneanordnung ist ein Verwaltungsakt, für den ein vollumfänglicher Untersuchungsgrundsatz gilt. Das heißt, die Behörde muss alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände berücksichtigen.
Diese gesetzliche Verpflichtung spielt beim Gesundheitsamt offenbar eine untergeordnete Rolle. Das Amt hat eine hohe Arbeitsbelastung, doch das entschuldigt nicht, dass es massiv in die Grundrechte von Betroffenen eingreift, statt bei grenzwertigen Zweifelsfällen – und nur um die geht es hier – weitere klärende Tests machen zu lassen und alle Umstände zu bewerten.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
