Henrike Nolte leitet neue Gesamtschule im Süden „Das gibt es auch in Dortmund nicht so oft“

Neue Gesamtschule im Süden: „Das gibt es auch in Dortmund nicht so oft“
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Zum Start des aktuellen Schuljahrs 2023/2024 hat die Dortmunder Schullandschaft Zuwachs bekommen. In Dortmund-Wellinghofen wurden an der neuen „Gesamtschule im Süden“ die ersten 108 Schülerinnen und Schüler begrüßt, die in ihre Gesamtschul-Laufbahn starten.

Weil eine Schulgründung auch in Dortmund nicht alle Tage vorkommt, ist es nicht nur für die Schüler, sondern auch für die neue Schulleiterin Henrike Nolte (54) eine ganz besondere Situation. Die Dortmunderin, die in Hörde aufgewachsen ist und in Dortmund Sonderpädagogik studiert hat, hat zum 1. September die Leitung an der Gesamtschule im Süden an der Straße „Am Lieberfeld“ übernommen.

Zuletzt war Henrike Nolte unter anderem als Konrektorin an der damals neu gegründeten Sekundarschule in Westerfilde und als Schulleitung an der Fine-Frau-Grundschule in Dorstfeld aktiv. Im Interview spricht sie über ihre Motivation, das Konzept der neuen Gesamtschule sowie die Bedeutung für Schüler und den Stadtteil.

Hallo Frau Nolte, was hat die Gesamtschule im Süden mit der bisher in Wellinghofen „Am Lieberfeld“ ansässigen Johann-Gutenberg-Realschule zu tun?

Hallo, Herr Staab. Wir sind zwei vollkommen unterschiedliche Schulen. Die Realschule wird nicht in die Gesamtschule umgewandelt, sondern die Gesamtschule ist eine Neugründung. Die Realschule existiert also weiterhin im Gebäude, hat nur zum Sommer keinen fünften Jahrgang mehr aufgenommen, dafür aber wir. Das heißt, die Realschule wird langsam auslaufen. Die Schüler gehen aber noch ganz normal bis zur 10. Klasse dorthin. Und wir wachsen parallel mit der Gesamtschule Jahr für Jahr mit einem Jahrgang mehr.

Wie viele Klassen haben Sie jetzt aktuell im Schulbetrieb?

Vier. Also vier fünfte Klassen, die in ihre Gesamtschul-Laufbahn gestartet sind.

Was hat Sie an der Aufgabe gereizt und wie gefällt es Ihnen bisher?

Super, also wann hat man in seinem Leben die Möglichkeit, eine Schule komplett von Null an mitzudenken? Das ist ja ganz, ganz selten der Fall. Schulentwicklung ist so ein spannender Prozess und das ist das, was mich hier total gereizt hat, dieses gemeinsam etwas im Sinne der agilen Schulentwicklung bewirken können. Und wenn ich dann so ein Top-Kollegium habe wie hier im Moment, dann ist das hervorragend.

Wie lief der Start? Gab es auch Schwierigkeiten?

Ich habe ein total motiviertes Kollegium, das unheimlich viel gerissen hat in der bisherigen Zeit, denn es gab schon den einen oder anderen Stolperstein. So eine Schulgründung gibt es auch in Dortmund nicht so häufig. Das passiert sehr, sehr selten und dementsprechend gibt es jetzt kein Verlaufsprotokoll, was man alles beachten muss, um eine Schulgründung zu vollziehen.

Mein Stellvertreter, Herr Petri, und ich sind auch erst kurz vor den Ferien benannt worden. Dementsprechend gab es noch nicht das Personal hier vor Ort, das auch gucken konnte: Gibt es einen Kopierer, gibt es ein Faxgerät, gibt es ein Siegel, gibt es Schulbücher? Die Stadt Dortmund hat die Räume aber gut vorbereitet, das wurde wirklich schön gemacht, mit neuen Möbeln.

Henrike Nolte, Gesamtschule im Süden, Dortmund-Wellinghofen
An der Wand im Treppenhaus haben sich die ersten 108 Schülerinnen und Schüler der Gesamtschule im Süden mit ihren Handabdrücken verewigt. © Staab

Was ist mit dem Kollegium? Ist das auch komplett neu dazugekommen?

Wir haben drei Kolleginnen und Kollegen von der Gesamtschule übernommen, die haben sich aktiv hier beworben. Die anderen Kollegen kommen von Haupt-, Real-, Gesamtschulen und Gymnasien. Das Kollegium wächst dann ebenfalls Schritt für Schritt.

Momentan sind wir sehr gut besetzt. Wir haben viele Doppelbesetzungen in den Unterrichten und die übrige Zahl der Lehrkräftestunden nutzen wir dafür, um zu planen. Wir haben ganz viele Bausteine, zu denen wir uns aktuell Konzepte überlegen dürfen.

Wie soll denn das Konzept der Gesamtschule im Süden aussehen? Worauf legen Sie besonders viel Wert im Schulalltag?

Wir möchten gerne die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, selbstständig agierende Menschen zu werden, dass die den Abschluss erreichen, den sie erreichen können. Wir haben alle Bildungsgänge bei uns, inklusive Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf.

Außerdem möchten wir gerne, dass sie demokratische Wesen werden, erkennen, was sie für Möglichkeiten haben hier in Deutschland, in so einem System lebend, wie sie es gerade tun, aber auch, was sie für Pflichten haben. Wir legen sehr viel Wert auf teambildende Maßnahmen, auf gemeinsames Lernen, auf Respekt voreinander, wir möchten gerne in die Richtung Schule ohne Rassismus gehen.

Wir wollen natürlich gerne sowohl die Schüler als auch die Eltern mit einbeziehen. Es gibt sicherlich auch kluge andere Ideen, die wir gerne mit einbauen möchten. Wir haben jetzt die ersten Eltern, die sagen, wir würden gerne eine AG anbieten wollen. Außerdem möchten wir gerne Schule im Stadtteil werden. Also wir sind hier für den Dortmunder Süden und wir möchten auch gerne, dass die Schüler aus der Umgebung hier zur Schule gehen können, dass sie nicht einmal quer durch Dortmund fahren müssen, um irgendwo hinzukommen.

Johann-Gutenberg-Realschule, Dortmund-Wellinghofen
Die Johann-Gutenberg-Realschule in Wellinghofen, ebenfalls „Am Lieberfeld“, wird schrittweise weniger Jahrgänge haben - dafür wird die neue Gesamtschule im Süden Jahr für Jahr erweitert. © Staab

Wie wichtig ist es für den Stadtteil, dass eine neue Gesamtschule dazugekommen ist?

Also die Anmeldezahlen an den weiterführenden Schulen zeigen, dass die Gesamtschule eines der gefragten Systeme ist und dementsprechend hier auch absolut vonnöten. Die Eltern, die ihre Kinder jetzt für den ersten fünften Jahrgang angemeldet haben, die haben das mit einem unglaublichen Vorschuss an Vertrauen getan. Denn sie wussten nicht, wie wird es laufen, wer wird dort unterrichten, wie werden die räumlichen Gegebenheiten sein, wer wird Schulleitung sein?

Ich finde es wichtig, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt die Eltern und später natürlich auch den Jugendlichen vermitteln, dass nicht jeder Abitur machen muss, um etwas wert zu sein, sondern dass man durchaus nach der 10. Klasse die Schule verlassen kann, um irgendwo ins Handwerk zu gehen oder in andere Berufe. Nicht jeder muss studieren, nicht jeder kann studieren und wir wollen den Schülerinnen und Schülern gerne mit auf den Weg geben, dass man genauso viel wert ist, wenn man kein Abitur gemacht hat. Da gibt es so viele Möglichkeiten, seinen Weg zu gehen. Aber selbstverständlich wird es für die leistungsstarken Schülerinnen und Schüler möglich sein, an der Gesamtschule im Süden das Abitur zu erlangen. Wir freuen uns jetzt schon auf unsere erste Abiturfeier im Schuljahr 2031/2032.

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