Zwei Polizeiwagen am Eingang der Dortmunder Westfalenhalle 2 zeugten am Sonntagabend (24.3.) davon, dass etwas anders lief als normalerweise bei Veranstaltungen im Messezentrum. Auch wenn viele Besucherinnen und Besucher davon gar keine besondere Notiz genommen haben dürften.
Eine anonyme Person hatte gedroht, bei einem Auftritt des umstrittenen Comedians Luke Mockridge Menschen anzugreifen. Das Schreiben ging zunächst in dieser Redaktion ein. Polizei und Staatsschutz hatten es daraufhin geprüft und Kontakt zum Veranstalter und den Westfalenhallen aufgenommen. Nach Analyse und Bewertung des Sachverhalts konnte die Veranstaltung letztlich stattfinden.
In dem Schreiben war auch ein Bezug zum Anschlag auf eine Konzerthalle am Freitagabend in Moskau zu finden. Seit dem Terrorangriff, bei dem 137 Menschen getötet worden sind, sind die Sicherheitsbehörden in Europa alarmiert. Frankreichs Premierminister hat am Sonntag die höchste Terrorwarnstufe für das Land ausgerufen.
Gefahr durch „IS“-Gruppierung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser spricht von einer weiterhin „akuten Gefahr“ durch islamistischen Terrorismus in Deutschland. Zu dem Anschlag hatte sich die „IS“-Gruppierung „Khorasan“ bekannt, die auch einen Anschlag auf den Kölner Dom an Silvester geplant hatte. Er konnte vereitelt werden.
Dass das Drohschreiben zur Veranstaltung von Luke Mockridge auf den „IS“-Ableger zurückzuführen ist, dürfte auszuschließen sein. Dennoch stellt sich die Frage, wie gehen Sicherheitsbehörden und Veranstaltungsorte mit solchen Drohungen um? Denn Vorfälle gibt es immer wieder – auch in Dortmund.
Erst am 4. März hatte sich ein anonymer Anrufer bei der Polizei Dortmund gemeldet und Drohungen gegen Personen auf dem Hansaplatz ausgesprochen. Die Polizei hatte den Platz daraufhin mit vielen Einsatzkräften abgeriegelt und zwei Stunden lang gesperrt.
Drohungen erreichen Polizei immer wieder
„Die Polizei bekommt in unregelmäßigen Abständen Drohungen verschiedenster Art auf unterschiedlichen Kommunikationswegen“, teilt die Behörde am Montag mit. „Jede Drohung wird grundlegend analysiert und bewertet.“ Die Parameter, wann eine Drohung ernst zu nehmen sei oder nicht, können man aus „polizeitaktischen Gründen“ nicht bekannt geben.
Aber wie gehen die Veranstaltungsorte in Dortmund damit um, wenn bei ihnen ausgerichtete Veranstaltungen in einem Bedrohungsschreiben adressiert werden und wie sind sie auf mögliche Gefährdungslagen vorbereitet?

Zur Frage, wie häufig solche Bedrohungssituationen vorkommen, hält sich die Westfalenhalle am Montag bedeckt, teilt aber mit, dass sie „über ein Sicherheitskonzept sowie ein internes Notfall- und Krisenmanagementteam“ verfüge, um möglichen Bedrohungslagen zu begegnen.
Kontrollen an Westfalenhalle
„Ein wesentlicher Aspekt unserer Sicherheitsphilosophie ist die enge Zusammenarbeit mit Veranstaltern sowie den lokalen Behörden“, sagt Sprecher Robin Uhlenbruch. „Letztere können die Art und Schwere potenzieller Bedrohungen präzise bewerten und weitere vorsorgliche Maßnahmen empfehlen.“
Genaue Details zu Sicherheitsmaßnahmen wolle man allerdings nicht öffentlich diskutieren, teilte Uhlenbruch mit. Dies könne deren „Wirksamkeit untergraben und somit auch die Sicherheit von Besuchenden sowie Teilnehmenden gefährden“. Dass Taschen kontrolliert und Stockschirme vor der Veranstaltung abgegeben werden müssen, wie am Sonntagabend vor dem Event von Luke Mockridge zu beobachten war, sei aber ein standardmäßiges Sicherheitsverfahren.
Höhere Sensibilisierung
Auch im FZW verfährt man so. Zusätzlich werden Personen abgetastet, sagt Geschäftsführer Volker May. Ein ähnliches Bedrohungsschreiben habe man im FZW noch nie erhalten. Infolge der Anschläge im Jahr 2015 in Paris, bei denen auch der Konzertsaal Bataclan gestürmt worden war, habe es noch einmal eine höhere Sensibilisierung gegeben, sagt Volker May. „Wir machen, was uns möglich ist.“
Ein ähnliches Bedrohungsschreiben wie bei der Veranstaltung von Luke Mockridge habe man im FZW noch nie erhalten. „Wenn etwas vorfällt, sind wir Austausch mit der Polizei“, sagt May allgemein. Evakuierungs- und Fluchtkonzepte habe man als Veranstaltungszentrum, in dem mehrere hundert Menschen zusammenkommen, aber ohnehin.
Darüber hinaus würden sich die Veranstaltungsorte in Dortmund immer wieder austauschen. Zuletzt sei eine mögliche Bedrohungslage - auch wegen einer latenten Terrorgefahr - aber kein Thema gewesen. „Wir haben keine Hinweise darauf“, sagt May.
Gefahrenpotenzial „anhaltend hoch“
Fragt man die Dortmunder Polizei nach einer Einschätzung der generellen Sicherheitslage im Hinblick auf eine mögliche Terrorgefahr, verweist diese an das NRW-Innenministerium als zuständige Instanz.
Das Ministerium antwortet auf Anfrage, dass das Gefahrenpotenzial, das sich aus dem Phänomenbereich „religiöse Ideologie“ ergebe, „als anhaltend hoch einzuschätzen“ sei.
Zu aktuellen Entwicklungen im Bereich islamistischer Terrorismus stünden die Sicherheitsbehörden in NRW im ständigen Austausch mit allen relevanten Behörden des Bundes und der Länder, unter anderem in den Arbeitsgruppen des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ).
Dabei werden auch die gesellschaftlich „dominierenden Themen wie der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, die Klimapolitik und der terroristische Angriff auf Israel durch die Hamas“ berücksichtigt. Auf dieser Grundlage werden „lageangepasste Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“ getroffen.
Europa im „Zielspektrum“
Im Fokus der Ermittlungsbehörden steht dabei auch in Deutschland der „IS“-Ableger „Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK)“ aus Afghanistan, der Anschläge mit vielen Toten unter anderem in der Türkei und im Iran verübt hatte – und nun offenbar auch in Moskau.
Der Terrorismusforscher Peter Neumann vom King’s College in London sagte im ARD-Fernsehen, der „ISPK“ sei momentan die einzige Gruppierung des „Islamischen Staats“, die in der Lage sei, im nicht-muslimisch geprägten Ausland größere Anschläge durchzuführen.
NRW-Innenminister Herbert Reul warnte im Vorfeld der nächsten Innenministerkonferenz in einem Schreiben vor der Anschlagsgefahr durch Islamisten aus Zentralasien: „Auch Europa befindet sich im Zielspektrum möglicher Terroranschläge.“

Mit Blick auf „Khorasan“ spricht Reul vor einem „hohen abstrakten Gefährdungspotenzial“, auch im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Sechs EM-Spiele werden in Dortmund ausgetragen.
Keine Erkenntnisse auf konkrete Gefährdung
Ein „abstraktes Gefährdungspotential“ wohne internationalen Sportgroßveranstaltungen grundsätzlich inne, konkretisiert das NRW-Innenministerium. Erkenntnisse über eine „konkrete Gefährdung der Fußball-Europameisterschaft“ liegen den Sicherheitsbehörden aber nicht vor.
„Wenn etwas sein sollte, würden wir im Vorfeld sicherlich durch die Sicherheitsbehörden informiert und dann in engster Absprache und nach deren Maßgaben agieren“, teilt Alexander Kalouti vom Theater Dortmund mit. „Wir sind aufmerksam, aber es ist nicht so, dass wir in Panik geraten.“
Man sei sich der Gefahren bewusst, glaube aber, sehr gut darauf vorbereitet zu sein. „Wir haben Evakuierungspläne. Wir haben jeden Abend die Feuerwehr bei uns, die massiv an der Sicherheit mitarbeitet“, sagt Kalouti.
Im Zuge des Bataclan-Anschlags habe man eine interne Kommunikationskette entwickelt, um sofort mit zuständigen Akteuren in den Austausch zu gehen, teilt der Theatersprecher mit. Im Hinblick auf mögliche Drohschreiben sagt er: „Bei uns in dieser Art nie etwas eingegangen.“
Konzerthaus hat Sicherheitspersonal erhöht
Auch gegen das Konzerthaus haben es in der Vergangenheit keine Bedrohungen gegeben, sagt seine Sprecherin Anastasia Päßler. „Unabhängig von den jüngsten Vorfällen wurde auch im Konzerthaus Dortmund aufgrund der aktuellen Lage das Sicherheitspersonal erhöht.“ Für Besucherinnen und Besucher sei diese Maßnahmen jedoch nicht sichtbar.
„Wir arbeiten eng mit den Sicherheitsbehörden zusammen und evaluieren mögliche Gefahren für Künstlerinnen und Künstler sowie für das Publikum immer wieder neu, um die größtmögliche Sicherheit für alle zu gewährleisten.“