Terrorgefahr zur EM Auch deshalb müssen Baugerüste aus der Innenstadt verschwinden

Terrorgefahr: Auch deshalb müssen die Baugerüste zur EM verschwinden
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Dieser Artikel ist erstmals am 22.2.24 erschienen. Nach den jüngsten Ereignissen, dem Terroranschlag bei Moskau, haben wir uns entschieden, ihn zu aktualisieren und neu zu veröffentlichen.

Bei den betroffenen Bauunternehmen hat die Nachricht nicht gerade für Begeisterung gesorgt. Als Gastgeberstadt der Fußball-Europameisterschaft, die am 14. Juni in Deutschland startet, hat Dortmund mit der UEFA (Union der Europäischen Fußballverbände) verschiedene vertragliche Vereinbarungen getroffen. Unter anderem sollen auf wichtigen Zufahrtsstraßen und in der Nähe von Veranstaltungsflächen Baustellen und auch Baugerüste verschwinden. Das gilt in Dortmund für die Bereiche rund um das Stadion, den Westfalenpark und die City.

Baugruben müssen verfüllt und Baugerüste im öffentlichen Raum in der City abgebaut werden. „Ziel ist es“, so heißt es, „verkehrliche, ästhetische oder auch atmosphärische Beeinträchtigungen durch Baustellen auf ein Minimum zu reduzieren.“ Außerdem stehe auch die Sicherheit der Fußballfans im Fokus.

Da bei vorschriftsmäßig aufgebauten Baugerüsten keine baulichen Gefahren zu erwarten sind, gehen Experten davon aus, dass es hier um die Sicherheit vor terroristischen Anschlägen geht. Auch, wenn die UEFA das so explizit nicht sagt.

„Ich denke“, sagt der österreichische Extremismus-Wissenschaftler und Terrorexperte Dr. Nicolas Stockhammer, „dass diese Sicherheitsvorkehrungen verhindern sollen, dass sich terroristisch motivierte oder sonstige Scharfschützen versteckt positionieren könnten, Drohnenangriffe von dort gestartet werden oder anders gelagerte Attacken von dort aus inszeniert werden könnten.“

Terrorgefahr ist gestiegen

Anschläge, die von Baugerüsten aus verübt werden, seien bislang zwar nur aus Kriegen etwa im Irak oder in Syrien bekannt. „Man ist da bei der EM also wahrscheinlich hyper-vorsichtig“, sagt Terror-Experte Stockhammer.

Könnte die EM in Deutschland tatsächlich zum Anschlagsziel werden? Mit dem Krieg im Nahen Osten jedenfalls ist die Gefahr gestiegen. Der Verfassungsschutz warnte zuletzt vor Anschlägen durch radikalisierte Islamisten. Und Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich am Rande der Herbstkonferenz der Innenminister in Berlin zur voraussichtlichen Sicherheitslage während der Europameisterschaft im Sommer.

Laut Faeser sei der benötigte Aufwand der Sicherheitsbehörden noch nicht absehbar. Aufgrund der erhöhten islamistischen Terrorgefahr in Deutschland infolge der Eskalation im Nahen Osten könnte jedoch ein größerer Personalaufwand für die Polizei erforderlich sein. Wie die Bedrohungslage aussehe, könne jedoch erst kurz vor Beginn der EM gesagt werden.

40.000 Euro Mehrkosten

Die Sicherheitsmaßnahmen kommen den Bauherren teuer zu stehen. Für die Familienstiftung Deilmann in Münster bedeutet die Vereinbarung zwischen Stadt und UEFA eine gut zweimonatige Verzögerung beim Umbau des Ex-Conrad-Hauses in der Dortmunder Innenstadt und rund 40.000 Euro Mehrkosten für den Ab- und Aufbau des Baugerüsts.

Auch andere große Umbauten in der City sind betroffen - etwa die Modernisierung des ehemaligen Gebäudes von Esprit und der Mayerschen Buchhandlung am Platz von Netanya. In beiden Fällen handelt es sich um wichtige und wünschenswerte private Investitionen in der Dortmunder City.

Nancy Faeser sprach im Herbst vor der Presse über die Sicherheitslage nach dem Krieg im Nahen Osten.
Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist der Aufwand für die Sicherheitsbehörden während der EM noch nicht absehbar. © dpa

Dass die Sicherheit vorgehen muss und Anschläge nicht ausgeschlossen werden können, zeigen die letzten Jahre. Der islamistische Terror in Paris an jenem Abend des 13. November 2015 als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft im Stade de France gegen Frankreich spielte und auch das Attentat am 16. Oktober 2023 in Brüssel vor dem Spiel Belgien gegen Schweden, als zwei schwedische Fans starben, machen deutlich, dass die UEFA als Veranstalter des Großereignisses EURO2024 alle Sicherheitsrisiken im Blick haben muss.

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtete, war nach der Terrorattacke in Brüssel von allen Leuten, die mit der EM-Organisation befasst sind, zu hören, dass nun nicht mehr Nachhaltigkeit das dominierende Thema sei, sondern Sicherheit. Die Ereignisse in Brüssel und auch die politische Weltlage würden Ausrichtern und Sicherheitsbehörden neuerlich vor Augen führen, dass es „kein Szenario gibt, das es nicht gibt.“

„Kann nur Terror gemeint sein“

Das sagt auch Christian Buschoff vom Institut für Gefahrenabwehr an der Technischen Hochschule in Köln: „Was eine Gefahr durch Terror angeht, kann fast alles als mögliches hohes Risiko mit einer erwartbaren Eintrittswahrscheinlichkeit und einer entsprechenden Schadensschwere eingestuft werden. Jedoch ist mir kein kausaler Zusammenhang bekannt, dass Baugerüste bisher explizit eine besondere Gefahr in diesem Kontext darstellen.“

Dr. Nicolas Stockhammer von der Universität für Weiterbildung im österreichischen Krems.
Terrorismusforscher Dr. Nicolas Stockhammer verweist darauf, dass bei Großveranstaltungen Baugerüste von Scharfschützen oder auch für Drohnenangriffe genutzt werden könnten und sie somit ein Sicherheitsrisiko darstellen. © Universität Krems/Daniel Novotny

Da in dem Konzept zur Baustellenfreiheit und in Bezug auf ein Gerüst-Verbot von UEFA und Stadt auch mit der Sicherheit argumentiert wird, kann für den Experten „damit ja nur Terror gemeint sein, da ja Baugerüste so aufgebaut sein müssen, dass von ihnen keine Gefahren ausgehen.“

Dies stimmt allerdings nur bedingt. Gerüste sind zwar mit einem Bauzaun und auch einem Schloss gesichert, wie man am Ex-Conrad-Haus am Westenhellweg sehen kann, Gerüstbauunternehmer wie Christian Bönninger aus Brackel stellen aber fest, dass trotzdem immer wieder Unbefugte auf den Gerüsten herumklettern.

Durch einen Bauzaun abgetrennt und ein Schloss gesichert ist das Gerüst am Ex-Conrad-Haus am oberen Westenhellweg in Dortmund
Durch einen Bauzaun abgetrennt und ein Schloss gesichert ist das Gerüst am Ex-Conrad-Haus am oberen Westenhellweg. © Peter Wulle

Jede Verengung birgt Gefahr

Auf diesen Aspekt weist auch eine Sicherheitsexpertin der Polizei-Hochschule hin. „Natürlich macht es unter Sicherheitsaspekten Sinn, bei einer Großveranstaltung wie der Fußball-Europameisterschaft möglichst keine Baugerüste dort zu haben, wo sich Menschenmassen bewegen“, sagt Monika Kasper, Leiterin des Fachgebiets Polizeiliches Krisenmanagement bei der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup.

Monika Kasper von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster
Monika Kasper von der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster sagt: „Da, wo Personenströme gelenkt werden müssen, kann jede Verengung des öffentlichen Raums Probleme schaffen.“ © Deutsche Hochschule der Polizei in Münster

Sie ergänzt: „Je komplizierter ein Raum gestaltet ist, umso enger und unübersichtlicher wird er. Da, wo Personenströme gelenkt werden müssen, kann jede Verengung des öffentlichen Raums Probleme schaffen.“

Auf die Frage, ob von Gerüsten auch eine Anschlagsgefahr ausgehen könne, die die UEFA mit ihren Verträgen möglichst eindämmen möchte, antwortet Monika Kasper: „Es ist die polizeiliche Aufgabe, sich auf Großereignisse umfassend vorzubereiten und die Lage zu beurteilen. Dazu gehört grundsätzlich auch, sich auf mögliche Szenarien vorzubereiten, die per se nicht ausgeschlossen werden können. An und auf Gerüsten kann immer etwas passieren. Unbefugte Menschen könnten hinaufklettern und sich und andere gefährden. Das Gefährdungsrisiko muss man dafür nicht in Richtung Terror weiterentwickeln.“

Stadt Dortmund gab Infos

Dennoch, und obwohl auch keine großen Menschenströme am oberen Westenhellweg zu erwarten sind, wird die Stadt Dortmund für das Ex-Conrad-Haus erst nach dem Ende der EURO ab August wieder ein Gerüst genehmigen.

Die Stadt begründet das. „Es werden bei Spielen in Dortmund Zehntausende Fans zu Gast sein, die sich frei in der City bewegen - auch auf dem oberen Westenhellweg“, sagt Stadtsprecherin Alexandra Schürmann und ergänzt: „Baugerüste würden also auch an diesem Standort ein Sicherheitsrisiko darstellen. Die Fans werden sich außerdem ja nicht nur an den Spieltagen in der Stadt aufhalten, sondern während des gesamten Turniers.“

Alexandra Schürmann betont noch, dass man seitens des Tiefbauamtes natürlich wisse, dass die Bauherren in der City ausreichend Zeit benötigen, um ihre Planung und die Baustellenlogistik auf die Phase der Baustellenfreiheit auszurichten.

„Aus diesem Grund“, sagt sie, „wurden sie bereits vor einigen Monaten informiert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Tiefbauamt, die für den Bereich Sondernutzung zuständig sind, stehen den Bauherren bzw. den ausführenden Firmen selbstverständlich auch für ein persönliches Gespräch zur Verfügung.“