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Gebührenposse: Stadt beruft sich auf höchstrichterliche Entscheidung
Straßenreinigung
Horst Ulrich zahlt Straßenreinigungsgebühr. Für 33 tatsächliche Meter Grundstücksgrenze und nun auch für 20 Meter fiktive Frontlänge. Ist das gerecht? Ein Erklärungsversuch der Stadt Dortmund.
Seit 1903 befindet sich eine Werkstatt der Familie Ulrich auf dem Grundstück an der Rahmer Straße. Nach 118 Jahren wurde im Jahr 2021 die Länge der Grundstücksgrenze zur Rahmer Straße für die Straßenreinigungsgebühr in diesem Jahr neu berechnet.
Das ist der Grund: Die Stadt Dortmund überprüft zur Zeit alle im Dortmunder Stadtgebiet veranlagten Grundstücke. „Geprüft wird hierbei, ob die Veranlagungen noch rechtmäßig sind oder sich zwischenzeitlich Änderungen im Grundstückszuschnitt ergeben haben, die eine Anpassung der Veranlagung notwendig machen“, berichtet Stadtsprecher Christian Schön.
Beim Grundstück von Horst Ulrich wurde dabei entdeckt, dass es neben der Front, die an die Straße angrenzt, noch eine der Straße „zugewandte“ Front gebe. Und deshalb muss Horst Ulrich pro Jahr 300 Euro mehr zahlen.
Fiktive Frontlänge
Das entspreche aktueller Gesetzgebung: Die Straßenreinigungsgebühr wird nach dem „Äquivalenzprinzip“ – Leistung (Reinigung) zu Gegenleistung (Gebühr) – festgesetzt. „Hierbei ist das einzelne Grundstück zu betrachten und festzustellen, wie dieses Grundstück zu Straßenreinigungsgebühren zu veranlagen wäre, wenn es sich um ein Anliegergrundstück handeln würde“, so Christian Schön.
Diese Betrachtungsweise ergebe sich daraus, dass für diese fiktive Frontlänge die Reinigungsleistung erbracht wurde. Die Gebühr sei somit nicht, wie vielfach angenommen, für die Reinigungsleistung vor dem Grundstück zu erheben, sondern für die Reinigung der gesamten Erschließungsanlage (Straße) und darüber hinaus für alle Straßen im Stadtgebiet.
Höchstrichterlichen Rechtsprechung
Diesem Prinzip werde durch die Anwendung des sogenannten qualifizierten Frontmetermaßstabs in Dortmund Rechnung getragen. Dadurch würden auch sogenannte „Hinterlieger“ für die Straßenreinigung veranlagt.
„Dieser Maßstab ist ein von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannter Maßstab für die Veranlagung zu Straßenreinigungsgebühren“, sagt Christian Schön.
Kehrmeter und Veranlagungsmeter
„Hierbei werden eben nicht die Kehrmeter, sondern die Veranlagungsmeter als Berechnungseinheit zugrunde gelegt“, so der Stadtsprecher weiter. „Diese bilden gegenüber den Kosten der Reinigung den Teiler, so dass sich ein niedrigerer Gebührensatz für den einzelnen Veranlagungsmeter ergibt, als wenn man die Kehrmeter berücksichtigen würde.“
Weil die Kosten (und somit die Last) der Straßenreinigung auf mehr Schultern verteilt würden, gelte dieses Vorgehen als „gerecht“.
Horst Ulrich findet die 300 Euro, die er jetzt plötzlich mehr zahlen muss, obwohl sich an seinem Grundstück seit 1903 nichts geändert hat, nicht gerecht.
Holger Bergmann ist seit 1994 als freier Mitarbeiter für die Ruhr Nachrichten im Dortmunder Westen unterweg und wird immer wieder aufs neue davon überrascht, wieviele spannende Geschichten direkt in der Nachbarschaft schlummern.
