Michael Kauch brachte es auf den Punkt: Da Ganser bereits 2021 in der Halle aufgetreten sei, hätte man wissen müssen, wen man am 27. März 2023 zu Gast habe, sagte der Fraktionschef von FDP/Bürgerliste bei der Debatte am Donnerstag (9.2.) im Rat. Man müsse "kritisch hinterfragen, ob es eine kluge Geschäftspolitik sei, erneut einen Vertrag abzuschließen, der möglicherweise zu Schadenersatzforderungen führen könnte“, so Kauch in Richtung von Hallen-Chefin Sabine Loos. Von daher werde seine Fraktion nicht zustimmen, wenn es um die Frage gehe, ob die Stadt Dortmund der Halle einen möglichen finanziellen Schaden ersetzen solle. „Es ist eine Sache, die die Westfalenhallen GmbH zu verantworten hat“, sagte Kauch.
Und dennoch: Die Stadt wäre bereit, der Halle finanziell unter die Arme zu greifen, falls die Nema Entertainment GmbH als Veranstalter des Ganser-Vortrags finanzielle Ansprüche anmelden sollte. Das hat der Rat der Stadt mehrheitlich im nichtöffentlichen Teil der Sitzung beschlossen. Demnach ist die Stadt bereit, „die eventuell erforderliche Unterstützung“ zu leisten, wie es im Beschlussvorschlag für die Politik heißt.
Mögliche Regressansprüche des Veranstalters gegen die Halle sind das eine. Gleichzeitig wäre die Stadt aber auch bereit, ihrer 100-Prozent-Tochter die eigenen finanzielle Verluste ausgleichen, die ihr durch die Absage der Veranstaltung entstanden sind – etwa Mieteinnahmen. Die Höhe der infrage kommenden Summe bleibt vorerst offen. „Nach Abschluss des Verfahrens“ soll die Hallen GmbH der Stadt die Rechnung präsentieren.
„Es gibt kein Meinungsverbot“
Am Freitag (3.2.) hatte die Halle den Vertrag mit dem Veranstalter Nema Entertainment gekündigt. Allerdings nach langem Zögern und massivem Druck vonseiten der Politik und der Öffentlichkeit. Bewegung kam erst ins Spiel, als OB Westphal deutlich machte, dass er eine Absage der Veranstaltung „gut verstehen und dies als Gesellschafter mittragen und unterstützen“ würde. Es war quasi die letzte Aufforderung an die Hallen-Geschäftsführung – eine Anweisung durch die Stadt als Gesellschafterin der Halle stand bereits im Raum.
Die Nema Entertainment hatte auf Anfrage der Redaktion zuletzt erklärt, rechtliche Schritte unternehmen und zur Not auch „eine Klage auf Durchführung“ der Veranstaltung anzustreben. Der Schweizer Publizist Ganser ist hoch umstritten: Viele, die sich mit ihm beschäftigt haben, sehen in Ganser einen „Verschwörungsideologen“, der zudem eine gefährliche Nähe zu antisemitischen Bestrebungen habe.
Und so war die Debatte im Rat gekennzeichnet vom Bekenntnis der demokratischen Parteien, „Vereine oder Personen, die den Holocaust leugnen, in Dortmund keinen Platz zu geben“, wie Grünen-Sprecherin Ingrid Reuter sagte. Erst recht nicht in Räumen der Stadt Dortmund oder deren Unternehmen. Wie von den anderen Fraktionen im Vorfeld erwartet, drehte die AfD den Spieß prompt um. Durch die Absage des Ganser-Auftritts würden „die Demokratie und das freie Wort mit Füßen getreten“, ereiferte sich AfD-Fraktionschef Heiner Garbe. Er hoffe, dass der Veranstalter mit seinen Rechtsmitteln erfolgreich sei und Ganser auftreten könne.
Der Widerspruch kam von allen Seiten. Die Meinungsfreiheit werde nicht infrage gestellt, betonte Bürgermeister Norbert Schilff (SPD). Er bescheinigt der AfD einen „hilflosen Versuch, sich in den Mittelpunkt zu rücken.“ Grünen-Chefin Reuter assistierte: „Es gibt kein Verbot, seine Meinung zu äußern“, sagte Reuter. Michael Kauch (FDP/Bürgerliste) betonte einen weiteren Punkt: Es gehe um „die Frage, ob die Demokratie der Depp ist, der sich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit hinters Licht führen lässt“, so Kauch.
„Nicht die nötige Wachsamkeit“
Ebenso klare Kante zeigte CDU-Fraktionsvize Uwe Waßmann: „Die codierten Aussagen Gansers und die Chiffren in seinen Thesen führen das Antisemitische durch die Hintertür ein“, sagte Waßmann, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Westfalenhallen GmbH ist. Mit Blick auf das lange Zögern der Halle bis zur Absage bedauerte Waßmann, dass nicht alle Personen, die an dem Prozess beteiligt waren, „die nötige Wachsamkeit an den Tag gelegt haben“.
Dem soll künftig vorgebeugt werden. Mit breiter Mehrheit beschloss der Rat ein Papier, mit dem die Verwaltung aufgefordert wird, eigene Mitarbeiter und die der städtischen Unternehmen „stärker zu sensibilisieren und zu schulen“, um antisemitische Umtriebe zu erkennen. In Zweifelsfällen solle die Koordinierungsstelle für Vielfalt und Demokratie in der Verwaltung um eine Einschätzung gebeten werden.
Weitere Hilfe verspricht sich die Politik von der kommenden Ethik-Kommission. Eine ihrer ersten Aufgaben: Sie soll dem Rat Wege aufzeigen, wie es gelingen kann, die Türen für Extremisten und Verschwörungstheoretiker ein- für allemal zu verschließen.
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