
© Daniel Immel
Archäologe zu historischem Fund am Wall: „Für uns völlig neu“
Erstmalige Entdeckung
Wenn ein Tiefbauer in Dortmund den Boden aufreißt, ist die Chance groß, dass er etwas Historisches findet. Jetzt ist etwas ausgebuddelt worden, mit dem niemand gerechnet hat.
Ingmar Luther von der Denkmalbehörde steht in einem Graben am Schwanenwall. Dort soll ein neuer Abwasserkanal verlegt werden. Der Graben wurde extra so platziert, dass man die im Erdreich befindliche historische Stadtmauer umgeht und nicht mit ihr kollidiert.
Man hat deshalb bisherige Funde berücksichtigt und historische Quellen mit Informationen zur Stadtmauer genutzt um den Kanal dementsprechend versetzt zu planen.
Indirekt ist man bei den Arbeiten dann aber doch mit der Mauer kollidiert, weshalb ausgerechnet ein Historiker im Baugraben steht: „Was wir nicht wussten, weil es für uns völlig neu ist, ist dass die Mauer diese Strebpfeiler hier hatte“, sagt Luther.
Strebpfeiler sollten Stadtmauer stabilisieren
Der Stadtarchäologe zeigt auf mehrere Sandsteinquader. Angeordnet wie eine Treppe. Etwa zwei Meter breit und hoch sind die Stützen, die aus mehreren aufgetürmten Steinblöcken bestehen.

Der zweite Strebpfeiler ist angeordnet wie eine Treppe - bei genauerem Hinsehen erkennt man auf einigen Steinblöcken Signaturen. © Daniel Immel
Bei den Steinblöcken – einer wiegt bis zu 400 Kilogramm – handele es sich um Stützen der alten zweischaligen Stadtmauer. Zwei dieser Strebpfeiler sind bisher bei den Arbeiten entdeckt worden. „Die eigentliche Mauer liegt wenige Zentimeter hinter den Strebpfeilern“, so Luther.
Strebpfeiler auf keiner historischen Karte vermerkt
Aus dem 12. Jahrhundert stamme die Stadtmauer, erläutert der Historiker. Er gehe aber nicht davon aus, dass die Strebpfeiler gleichzeitig mit der Mauer installiert worden sind. Ein Indiz dafür ist, dass auf historischen Karten nie die Strebpfeiler vermerkt wurden. „Das deutet darauf hin, dass die Strebpfeiler nach Errichtung der Mauer angebracht wurden, da der Untergrund der Mauer zum Beispiel nicht stabil gewesen ist.“
Da man bisher nie auf solche Strebpfeiler bei Ausgrabungen der Stadtmauer gestoßen sei, bedeute dies, dass diese nur als Baumaterial zur Stabilisation verwendet wurden. Wann genau die Mauerstützen angebracht wurden, wird sich nach Untersuchungen zeigen.
Steine „signiert“ – Hinweis auf Steinmetz
Mittlerweile sind die Steinquader gereinigt worden. Eine naturwissenschaftliche Analyse – diese kann auch einen Hinweis auf den ungefähren Zeitpunkt der Errichtung geben – steht noch aus.

Eingemeißelte Signaturen deuten auf die Steinmetze hin, die die Steine bearbeiteten und somit an der Mauer mitwirkten. © Daniel Immel
Einen Hinweis auf den Zeitpunkt kann eine Art Signatur geben. Auf manchen Quadern sind Symbole eingemeißelt, die auf die beteiligten Steinmetze hinweisen. „Wir können dann den Menschen fassen, der an der Errichtung der Strebpfeiler mitgewirkt hat“, sagt Luther.
Kanal kann an Befestigung vorbeigeführt werden
„Wir haben eine Lösung gefunden, dass die Strebpfeiler im Boden verbleiben können und der Kanal daran vorbeigeführt werden kann“, so Stadtarchäologe Luther über das weitere Vorgehen des Kanalbaus.
„Das Abwasserrohr ist schon eingebettet in Sand und die Steine werden einzeln mit Fließ abgedeckt und mit Sand eingespült, sodass diesem archäologischen Fund im Nachgang nichts mehr passiert.“ Anschließend wird der Graben dann aufgefüllt.
Der bisherige Graben am Schwanenwall ist aktuell etwa 50 Meter lang – für den Kanal muss der Boden aber noch weiter aufgerissen werden. „Ich gehe davon aus, dass da noch drei weitere Strebpfeiler auftauchen“, sagt Ingmar Luther von der Denkmalbehörde.
So wie etwa 100 Meter weiter. Dort wurde der Boden aufgerissen, da auch dort das Kanalrohr verlegt werden muss. Auch dort ist man auf Steinblöcke gestoßen - ob diese Teil der Mauer oder eines Strebpfeilers sind, wird sich zeigen.
Daniel Immel, gebürtiger Westerwälder, den es nach Stationen in Iserlohn und Perth nach Dortmund verschlagen hat. Will die täglichen Geschichten, die die Dortmunder Straßen bieten, einfangen und ein Journalist auf Augenhöhe sein. Legt in seiner Freizeit als DJ auf und liebt den Sound von Schallplatten.
