Rudolf Mintrop, ehemaliger Chef des Dortmunder Klinikums, steht seit Februar mit sechs weiteren Angeklagten vor dem Oldenburger Landgericht. Das Verfahren findet wegen seiner Größe in der Weser-Ems-Halle in Oldenburg statt.

Rudolf Mintrop, ehemaliger Chef des Dortmunder Klinikums, steht seit Februar mit sechs weiteren Angeklagten vor dem Oldenburger Landgericht. Jetzt geht der Prozess auf die Zielgrade, das Urteil zeichnet sich ab. © dpa/Archiv; Montage: RN

Klinik-Morde: Urteil für die Chefs von Serienmörder Högel scheint festzustehen

rnMintrop-Prozess

Das Urteil im Prozess gegen Dortmunds Ex-Klinik-Chef Mintrop und weitere Vorgesetzte des Serienmörders Niels Högel zeichnet sich ab. Das Gericht gab jetzt Hinweise, wie es ausfallen dürfte.

Dortmund

, 21.09.2022, 08:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Es ist das erste Mal, dass in Deutschland Krankenhaus-Vorgesetzten der Prozess gemacht wird, weil ein Pfleger oder eine Pflegerin Patienten getötet hat. Seit Februar verhandelt das Oldenburger Landgericht gegen Dortmunds ehemaligen Klinik-Chef Rudolf Mintrop und sechs weitere Angeklagte.

Jetzt deutet alles darauf hin, dass der Prozess mit einem Freispruch für die Angeklagten oder einer Einstellung der Verfahren endet und sie das Gericht als freie Menschen verlassen können.

Urteil wird für den 25. Oktober erwartet

Dass sich der Prozess in diese Richtung bewegt, machte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann am Dienstag (20. September) klar, als er zum Schluss der Beweisaufnahme eine vorläufige Einschätzung des Verfahrensverlaufs abgab.

Noch stehen die Plädoyers von Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigung aus. Das Urteil soll nach bisherigem Plan am 25. Oktober gesprochen werden. Alles andere als ein Freispruch für die Angeklagten oder eine Verfahrenseinstellung wäre nach dem Zwischenfazit vom Dienstag eine große Überraschung.

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Alle sieben Angeklagte waren Vorgesetzte des 87-fachen Serienmörders Niels Högel, als dieser in den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst mordete. Ihnen allen wird „Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen“ vorgeworfen. Demnach hätten sie Morde verhindern können, wenn sie Alarmzeichen nicht ignoriert hätten. Im Fall von Mintrop geht es um drei Todesfälle im November 2001 in der Klinik Oldenburg, wo Mintrop seinerzeit Geschäftsführer war.

Fahrlässigkeit allein reicht nicht für Verurteilung

Bereits Anfang Juli hatte Richter Sebastian Bührmann im Fall Mintrop und in den Fällen seiner drei Mitangeklagten aus dem Klinikum Oldenburg bei einer Erörterung des Verfahrensstandes deutlich gemacht, dass sich keine hinreichenden Beweise hätten finden lassen, die für eine Verurteilung ausreichten.

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Der Hauptgrund sei, so Bührmann, dass man die Angeklagten nur verurteilen könne, wenn man ihnen Vorsatz nachweisen könne. Das heißt: Sie hätten von den Tötungen des Niels Högel wissen und diese Tötungen bewusst in Kauf nehmen müssen. Das aber habe man nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit nachweisen können.

Massives Misstrauen gegen Niels Högel steigerte sich

Man sei zwar der Überzeugung, so betonte Bührmann, dass es wie in der Klinik Oldenburg auch in Delmenhorst erhebliches, sich mit der Zeit steigerndes Misstrauen gegen Niels Högel gegeben habe. Dass dieses Misstrauen, diese Hinweise auf das Treiben von Niels Högel, die Vorgesetzten nicht zum Einschreiten veranlasst haben, müsse man aber eher als fahrlässig denn als vorsätzlich werten.

Aus Fahrlässigkeit begangene Straftaten – etwa fahrlässige Tötung oder fahrlässige Körperverletzung – seien allerdings längst verjährt.

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Anfang Juli ging es in der Einschätzung des Gerichts um die Oldenburger Straftaten, die Mintrop und drei weiteren Angeklagten zur Last gelegt wurden. Am Dienstag (20.9.) ging es auch um die im Klinikum Delmenhorst verübten Morde. Auch hier kam das Gericht zum Schluss: Eine vorsätzliche Handlung lasse sich nicht nachweisen. Auch für diese Angeklagten dürfte der Prozess daher mit einem Freispruch beziehungsweise einer Einstellung des Verfahrens zu Ende gehen.

Mintrop schwieg während des gesamten Prozesses

Übrigens: Sowohl Rudolf Mintrop als auch seine sechs Mitangeklagten haben während des ganzen Prozesses geschwiegen und sich nicht zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen geäußert.

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Dr. Karl H. Beine, emeritierter Professor der Uni Witten-Herdecke, forscht seit mehr als 30 Jahren zu Krankenhausmorden. Er hat den Mintrop-Prozess verfolgt und schon zu Beginn gesagt: Egal, wie der Prozess ende, sei er schon jetzt ein Erfolg. Erstmals werde deutlich, dass Vorgesetzte zur Verantwortung gezogen werden könnten, wenn sie Verdachtsmomente in ihren Kliniken ignorierten – selbst wenn das nur geschehe, um den guten Ruf eines Hauses zu schützen.