
© Schulze-Buxloh
Nach langem Leerstand: Neues Leben in Neuapostolischer Kirche in Lichtendorf
Ehemaliges Gotteshaus
Nach langem Leerstand folgt nach 11 Jahren etwas, das man so vielleicht nicht erwartet hätte. Ein Ingenieurbüro zieht an den südlichen Stadtrand und belebt die alte Gottesstätte.
„In dem Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes entwidme ich diese Stätte.“ So begann Bischof Roland Eckhardt beim letzten Gottesdienst der Neuapostolischen Kirche (NAK) in Lichtendorf die Formel. Das war am 28. April 2010 in der Eichholzstraße. Dann Stille. Zehn Jahre lang tat sich nichts rund um die Hausnummer 13.
„Die Baupläne sind raus“, ist elf Jahre später eher ein Satz, der in dem ehemaligen Gotteshaus in Lichtendorf erklingt. Die Ingenieure Martin Wegge und Andrej Čercuč beleben das Gebäude seit diesem Jahr wieder – mit ihrer Arbeit und ihrem Team. IBC Ingenieure plant und baut schwerpunktmäßig Gebäude „rund um die Gesundheit“, sagt Wegge. Hinter der Kirche entstehen gerade zwei Doppelhaushälften.

Martin Wegge (links) und Andrej Čercuč haben sich an die ehemalige Neuapostolische Kirche getraut und diese für sich und zehn Mitarbeiter eingerichtet. Hinter ihnen die bodentiefen Fenster zu den Büros. © Schulze-Buxloh
Spezielle Bedingungen begründen langen Leerstand
Der lange Leerstand begründet sich durch die speziellen Bedingungen eines gemeinnützigen Gebäudes. Eine Genehmigung zu anderer Nutzung zog sich hin. „Unsere Planungen begannen daher schon vor dem Kauf des ehemaligen Gotteshauses“, sagt Martin Wegge. Die beiden mussten wissen, ob ihre Pläne realisierbar sind. Der Diplom-Bauingenieur und sein Kompagnon Čercuč, Diplom-Bau- und -Wirtschaftsingenieur, kauften 2018.
1983 gebaut und geweiht, bot das Haus an der Eichholzstraße 27 Jahre den Neuapostolen Heimat. „Ziel der NAK ist es immer gewesen, die Kirche zu den Menschen zu bringen“, sagt Günter Lohsträter, Pressesprecher der Neuapostolischen Kirche Westdeutschland mit Sitz in Dortmund.
Ein Stall in Opherdicke war 1961 der Anfang und Vorläufer des Kirchenraums in der Eichholzstraße. Mittlerweile treffen sich die Gläubigen und Gemeindeleiter Jens Eberle in Schwerte in ihrem Gotteshaus.

Günter Lohsträter ist Pressesprecher der Neuapostolischen Kirche Westdeutschland. © Jessica Kraemer
„Die NAK hat lange von einer starken Expansion gelebt“, sagt Lohsträter. Doch der Trend ging zurück. „Der demografische Wandel und ein nicht kirchengebundenes Denken sind die Hauptgründe für den Mitgliederrückgang, den viele Kirchen zu beklagen haben“, sagt der NAK-Sprecher.
Noch heute ist die NAK die viertgrößte Kirchengemeinde in Deutschland. Die Gemeinde Schwerte hat derzeit 430 Mitglieder. „Etwa 130 Gemeindemitglieder aus Lichtendorf waren es bei der Fusion vor 11 Jahren“, erinnert sich Lohsträter.
Bewusst von außen keine Veränderung zu sehen
Von außen ist dem Gebäude heute auf den ersten Blick keine Veränderung anzusehen. Das geschah ganz bewusst. Die neuen Besitzer wollten den Charakter des Gebäudes bewahren. Bunte Bleiverglasung beleuchtet die weißen Wände im Inneren je nach Lichteinfall anders. Wer hätte das nicht gern bewahrt?

Eingangsbereich und Front der Kirche bleiben unberührt. © Schulze-Buxloh
Den hohen Altarraum teilten die Ingenieure zur Hälfte mittels einer Zwischendecke im hinteren Bereich in zwei Etagen. Glasfronten in den dadurch entstandenen zwei großen Büros ermöglichen den Blick Richtung Front, in dem die Deckenhöhe bestehen blieb.
Die „Ur-Dortmunder“, wie sich die beiden selbst nennen, haben sich 2006 kennengelernt. Sie waren angestellte Bauleiter in einem Planungsbüro in Dortmund. 2008 ging von Čercuč die Initialzündung für eine Selbstständigkeit aus. Startort war die Chemnitzer Straße im Saarlandstraßenviertel.

Alter Altarraum inklusive Bürohund Jamo empfangen Gäste und bieten den IBClern einen außergewöhnlichen Blick aus den Büros mit Glasfront. © Schulte-Buxdorf
„Mit zwei Studis haben wir angefangen, hatten Glück mit Auftraggebern und haben uns inzwischen einen soliden Kundenstamm aufgebaut“, sagt Martin Wegge. Von der Chemnitzer mit 120 Quadratmetern ging es in die Eichholzstraße mit jetzt 240 Quadratmetern Bürofläche.
Früher Gebet und Gesang, heute Entwerfen und Entwickeln. „Diese Stätte ist von nun an keine Wirkungsstätte des Heiligen Geistes mehr. Der Friede Gottes begleite die Gemeinde auf ihrem weiteren Weg. Amen“, schloss Bischof Roland Eckhardt am 28. April 2010 seine letzte Predigt.