Die Freisprüche im Polizisten-Prozess sind richtig Aber die Empörung ist völlig verständlich

Die Freisprüche im Polizisten-Prozess sind richtig: Aber die Empörung ist trotzdem völlig verständlich
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Die Freisprüche im Polizisten-Prozess sind richtig: Aber die Empörung ist trotzdem völlig verständlich

Wer diesen Prozess verfolgt hat, der kann daraus mehrere Dinge ablesen. Dinge, die zeigen, was das Rechtssystem zu leisten in der Lage ist. Und Dinge, die zeigen, was es nicht leisten kann.

Das Urteil wird erwartbar unterschiedlich gedeutet. Die Erleichterung aufseiten der Angeklagten ist verständlich. Genauso sind es die Empörung und das Unverständnis, die viele schon direkt nach dem Urteilsspruch artikuliert haben.

Starke Gewaltenteilung

Der Prozess in Dortmund zeigt, wie stark das Prinzip der Gewaltenteilung sein kann. Die Beweisaufnahme war sorgfältig, das Bild der Abläufe dieses schicksalhaften Einsatztages ist vollständig. Die Angeklagten wurden aufgrund ihrer Rolle als Polizeibeamte nicht anders behandelt als andere Bürger. Es gab Fälle in der Vergangenheit, nicht in Dortmund, in denen das anders war.

Die rechtliche Herleitung ihrer Unschuld bedarf vor allem für juristische Laien dennoch einiger Umwege durch verschiedene Hirnwindungen. Schon das in drei der fünf Urteile entscheidende Wort zeigt es: Erlaubnistatbestandsirrtum.

Es beinhaltet – verkürzt gesagt – das Recht, sich in einer Situation zu irren und nach diesem Irrtum zu handeln. Dieses Rechtsprinzip ist nicht für Polizisten geschaffen worden, sondern es gilt für jeden.

Verständnis und Empörung

Es ist also möglich, das Urteil und den Weg dorthin zu verstehen. Und wieso dann Grund zur Empörung?

Das Gericht hat festgestellt: Am 8. August 2022 ist vieles falsch gelaufen, es gab konkrete Fehler. Mouhamed Dramé war in einer psychischen Ausnahmesituation und suchte Hilfe. Als er sich auf Polizisten zubewegte, war das ausdrücklich kein Angriff.

Und doch gibt es durch die Freisprüche auf dem Papier keinen Verantwortlichen für dieses Ereignis. Die festgestellten Tatsachen geben das aus Sicht des Gerichts nicht her. Damit ist ein weiterer wichtiger Grundsatz erfüllt, der ebenfalls für jeden gilt. Nur einen Schuldigen zu finden, weil das ein „Zeichen“ wäre, das viele erwarten, ist eben genau nicht Aufgabe eines Gerichts.

Niemand übernimmt Verantwortung

Dennoch: Die Abwesenheit des Gefühls davon, dass jemand Verantwortung für diese Tat übernimmt, erzeugt bei vielen Beteiligten und Beobachtern, darunter auch den Brüdern von Mouhamed Dramé, ein Gefühl der Leere.

Um das abzuschwächen, hätten möglicherweise schon wenige Worte der Menschlichkeit gereicht, kleine Zeichen.

Denn der Unmut hat auch mit einer bestimmten Art der Verfahrensführung zu tun. Manche Kommunikation zwischen Richter und Zeugen oder auch der Nebenklage wirkte lustlos, nicht professionell genug oder gar trotzig. Das wirkte an einigen Stellen der Tragweite des Ereignisses nicht angemessen.

Manchmal fehlte der Respekt

Es ist die Summe vieler einzelner kleiner Gesten, Aussagen und Entscheidungen, die das Bild zeichnen, dass an manchen Stellen der Respekt gefehlt hat. Vor den Angehörigen, die im Saal saßen. Vor den Menschen, die aus diesem tragischen Ereignis weitere gesellschaftspolitische Fragen ableiten.

Die Fragen zu stellen, ist wichtig. Es ist sogar notwendig. Auch für die Polizei, die aus dem Urteilsspruch nicht ableiten sollte, dass alles, was passiert ist, so richtig war.

Die Antworten sind aber nicht in einem Gerichtssaal zu finden, so sehr man sich das auch wünschen mag. Sondern nur im Austausch miteinander, auch nachdem der Prozess vorbei ist. Es ist zu hoffen, dass es die Offenheit für diesen Austausch nach dem emotionalen Prozessende noch gibt.