Vor fünf Monaten war Ludger van Bebber am Flughafen Wien bei einer Konferenz des Flughafenverbands ADV, als ihn die Nachricht erreicht, dass die Billigairline Ryanair zum Sommer 2025 den Flughafen Dortmund verlassen wird. Der Geschäftsführer des Flughafens Dortmund wird genauso überrascht wie die Bevölkerung in Dortmund, denn er wurde nach eigenen Angaben nicht vorab über den Rückzug informiert.
Neben Dortmund verlässt Ryanair im Sommer 2025 auch die Flughäfen in Dresden und Leipzig. „Keiner der betroffenen Standorte war vorher informiert“, sagte van Bebber in einem Interview mit unserer Redaktion. Der Rückzug war ein erneuter Rückschlag für den Flughafen Dortmund. Insgesamt sieben Flugstrecken fallen aus dem Programm. In den Monaten zuvor gab es etwa Triebwerksprobleme bei den Maschinen von Wizz Air, dem wichtigsten Kunden des Flughafens Dortmund.
Nichtsdestotrotz gelang es Geschäftsführer van Bebber, 2024 einen neuen Passagierrekord aufzustellen. 3,1 Millionen Reisende nutzten den Airport in Dortmund, ein Passagierwachstum von rund 6,8 Prozent im Vergleich zu 2024. Doch der Ryanair-Rückzug entfaltet seine Folge im risikoreichen Luftfahrtgeschäft erst im Jahr 2025, wenn die Airline ab Sommer keine Flüge mehr in Dortmund durchführt. 360.000 Sitze gehen damit laut Ryanair jährlich in Dortmund verloren.
Ryanair: „lowest cost always wins“
Eddie Wilson, der Vize-Chef von Ryanair, bezeichnete den deutschen Luftverkehrsmarkt zuletzt mehrfach als „kaputt“ und „dringend reformbedürftig“. Ryanair hatte die gestiegene erhöhte Luftverkehrssteuer von 15,53 Euro und die höheren Flugsicherungsgebühren von 2,22 Euro pro Flug kritisiert. Es gehört zur DNA des Unternehmens, möglichst hohen Druck aufzubauen, um die Standortkosten zu senken und den höchstmöglichen Gewinn aus jedem verkauften Ticket herauszuholen.
Doch die hohen Steuern sind nur ein Teil der Wahrheit für den Rückzug vom Flughafen Dortmund. Ryanair ist für seine Kostenpolitik in der Luftfahrtbranche berüchtigt. Unsere Redaktion hat über die Hintergründe mit Geschäftsführer van Bebber gesprochen. Als es um die Kostenpolitik von Ryanair geht, sagt er: „Bei Präsentationen von Ryanair gab es früher am Ende eine gelbe Folie und auf der stand ‚lowest cost wins - always‘.“

Wie hoch die Flughafengebühren pro Flug in Dortmund für Ryanair waren, lässt sich nicht verifizieren. Diese Kosten gehören zu den größten Geheimnissen der Luftfahrtbranche. Weder Ryanair noch der Flughafen Dortmund geben darüber Auskünfte ab. Es geht genau um diese Kosten, die für den Rückzug von Ryanair aus Dortmund wirklich den Ausschlag gegeben haben.
War der Flughafen Dortmund unprofitabler?
Denn vom Flughafen Münster/Osnabrück fliegt Ryanair weiterhin ab. Und im Januar 2025, knapp drei Monate nach dem Ryanair noch die hohen Standortkosten kritisierte, kündigte Ryanair-Markenchef Eddie Wilson an, das Flugangebot in Deutschland um 800.000 Plätze auszubauen. Ryanair-Sprecher Marcel Pouchain Meyer sagt: „Wir fokussieren uns auch auf die Flughafenkosten.“ Dazu zählen die Landegebühren, die Abwicklung der Sicherheit, Kosten für Dienstleister oder auch mögliche Werbeflächen.
Zu der DNA von Ryanair gehört aber nicht nur eine aggressive Kostenpolitik, sondern auch eine konfrontative Kommunikation. Ryanair-Sprecher Pouchain Meyer sagt: „In Düsseldorf-Weeze oder in Karlsruhe haben wir deutlich niedrigere Kosten. Wir stationieren dort auch zusätzliche Flieger.“ In Dortmund etwa war kein einziger Flieger stationiert. Damit war der Flughafen keine der 95 Basen für Flugzeuge in Europa von Ryanair.

Ryanair hat zwar eigenen Angaben nach Geld in Dortmund verdient, doch die Airline vergleicht die Margen der Standorte dauerhaft miteinander. Pouchain Meyer sagt: „Dortmund ist für Ryanair unprofitabler gewesen als einige andere unserer Standorte in Deutschland und im europäischen Ausland.“ Der Ryanair-Sprecher zeigt dann ebenfalls einige Folien. Nicht ganz wie in van Bebbers Erinnerung, aber ähnlich dazu steht am Rand einer der Folien: „financial strength + lowest cost = always winner.“
Ludger van Bebber: „Müssen wirtschaftlich handeln“
Flughafen-Geschäftsführer van Bebber, dessen Vertrag kürzlich verlängert wurde, verweist ebenso wie Ryanair zunächst auf die hohen Standortkosten in Deutschland: „Wir sehen die Steigerungen der Standortbelastungen durch höhere steuerliche Belastungen wie bei der Luftverkehrssteuer. Diese Steuer entspricht mittlerweile der Hälfte unseres Umsatzes. Das können wir sicher nicht mit unseren Preisen auffangen.“
Der Geschäftsführer, der zuvor den Flughafen Weeze geleitet hat, hat es in Dortmund mit einer anderen Struktur zu tun. Auf die hat sich van Bebber eingestellt: „Der Flughafen Dortmund hat seine eigene Struktur, seine eigenen Kosten und seine eigenen Herausforderungen.“ Dabei geht es ihm vor allem darum, dass der Flughafen Dortmund profitabel und sein Image als Millionengrab der städtischen Gesellschafter loswird.
4. Grundsätzlich sagt van Bebber zu Ryanair: „Ryanair ist immer ein attraktiver Kunde für uns. Aber natürlich müssen wir als Flughafen auch wirtschaftlich handeln. Ein Geschäft muss immer für beide Seiten Sinn machen.“ Zur Folge hat der Ryanair-Rückzug nun, dass Wizz Air mit seinem Osteuropa-Geschäft am Flughafen noch wichtiger wird als ohnehin schon. Millionen Passagiere gehen auf das Geschäft mit Wizz Air zurück.
Ryanair-Rückkehr nicht ausgeschlossen
Eine Rückkehr von Ryanair ist damit aber nicht ausgeschlossen. Das Luftfahrtgeschäft ist so volatil und unterliegt laufend Veränderungen. Kriege, Pandemien, technische Ausfälle, Probleme bei Maschinen, die Besteuerung, der Klimawandel, die Politik der Airlines: Auf all diese sich ständig verändernden Prozesse muss sich van Bebber einstellen.

5. Das Besondere bei Ryanair sei zudem, dass sie an 235 Flughäfen in ganz Europa tätig sind, sagt van Bebber: „Sie sind von keinem Land in Europa direkt abhängig. Sobald ein Land seine Standortbedingungen nicht mehr im Griff hat, reagieren sie mit Verlagerungen und verlassen gegebenenfalls auch Flughäfen.“ Gleichzeitig will das Unternehmen künftig 200 Millionen Passagiere transportieren. Deshalb hält der Geschäftsführer eine Rückkehr von Ryanair nach Dortmund auch nicht für ausgeschlossen.
Genauso wenig hält auch Ryanair eine Rückkehr für ausgeschlossen, sagt Sprecher Pouchain Meyer: „Wir sind sehr pessimistisch und tendieren momentan eher zu weiteren Kürzungen in Deutschland. Der Flughafen Dortmund agiert nicht kompetitiv genug im Vergleich zu anderen Flughäfen. Das heißt aber nicht, dass der Flughafen Dortmund keine Anstrengungen unternommen hat, uns als Kunden zu halten. Am Ende des Tages sprechen wir aber mit allen Flughäfen.“
Flughafen Dortmund kann Ryanair-Abgang kompensieren
Doch für Ryanair ist ebenfalls wichtig, dass sie eine große Airline an einem Flughafen sind. Je größer Ryanair an einem Flughafen ist, desto größer ist auch die Abhängigkeit von Ryanair. Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt sagt: „Die Politik von Ryanair besteht darin, dahinzugehen, wo sie der Größte sind, weil sie dann Druck auf die Kosten machen können.“ Auch das hält der Experte für einen der Gründe, dass Ryanair sich zurückgezogen hat. Denn Wizz Air transportiert in Dortmund um ein Vielfaches mehr Passagiere als Ryanair.
Zudem spielt für die Airline auch eine Rolle, ob es etwa Nachtflugverbote gibt oder aus Sicht der Airline attraktive Zeiten für Anflüge und Ankünfte, die die Kunden anlocken. Großbongardt erklärt: „Ein Flughafen wird seine größte Airline immer bevorzugt behandeln.“ Durch ihre Größe am Flughafen Dortmund hat Wizz Air also die deutlich stärkere Verhandlungsposition und auch die besseren Konditionen.

Der Luftfahrtexperte sagt, dass in dem Geschäft um jeden Euro gefeilscht werde: „Wenn Ryanair in Münster billiger fliegt, dann geht sie nach Münster.“ Flughafen-Geschäftsführer van Bebber ist für 2025 bislang optimistisch, was den Rückzug von Ryanair betrifft. Der Flughafen hatte in den vergangenen Monaten mehrere neue Flugstrecken bekannt gegeben: „Wir wollen den Weggang von Ryanair möglichst schon 2025 kompensieren.“
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 24. März 2025.
Flughafen Dortmund verzeichnet Rekord-Jahr 2024: So viele Passagiere wie noch nie