Restaurant-Check spezial Dortmunder Edel-Köchin lädt zu Sieben-Gänge-Menüs an versteckten Orten

Fine Dining in Gärtnerei: Das „Kerstins“ serviert an versteckten Orten
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Eigentlich stehen auf der Fläche mit den grauen Steinfliesen Hunderte Kräuterpflanzen. Es ist der Jungpflanzenplatz der Demeter-Werkhof-Gärtnerei am Werzenkamp 30 in Grevel. Für einen Abend ist er freigeräumt. Es sind Stühle und aufwändig dekorierte Tische aufgestellt – für ein Fine Dining unter freiem Himmel.

Fine Dining, das meint ein besonderes Abendessen und spricht hier Gäste an, die ein kulinarisches Erlebnis mit einer Mischung aus Klasse und Ambiente suchen. Dafür wird auch ein gehobener Preis in Kauf genommen. 20 eben solcher Gäste begrüßt Kerstin Scheufen-Hanke vom bekannten „Kerstins“ in Huckarde an diesem hochsommerlichen Abend zu ihrer neuesten Gastro-Idee: Dinner at Hidden Places, Abendessen an versteckten Orten.

In der Tat liegt schon die Werkhof-Gärtnerei etwas ländlich an der östlichen Stadtgrenze von Dortmund. Und auf der von Gewächshäusern, Stangenbohnen und einem Salatfeld umgebenen Terrasse, auf der nun so außergewöhnlich getafelt wird, finden sonst höchstens mal Grillabende der Mitarbeitenden statt.

Fine Dining an einem besonderen und „versteckten Ort“: auf einer Terrasse inmitten der Demeter-Werkhof-Gärtnerei in Dortmund-Grevel.
Fine Dining an einem besonderen und „versteckten Ort“: auf einer Terrasse inmitten der Demeter-Werkhof-Gärtnerei in Grevel. © Peter Wulle

Seit Anfang der 1980er-Jahre wird in der Werkhof-Gärtnerei nach Demeter-Richtlinien biologisch-dynamischer Gemüseanbau betrieben. Bewirtschaftet wird eine Anbaufläche von vier Hektar im Freiland und 0,5 Hektar in 13 Gewächshäusern. „Gemüse kann man sehr gut ohne Chemie anbauen“, sagt Rita Breker-Kremer, die Leiterin der Gärtnerei, während einer kleinen Führung im Vorfeld des Dinners.

Bei ihr hat Kerstin Scheufen-Hanke vor einigen Wochen privat nach Pflanzen für ein Hochbeet gefragt. „Dabei ist die Idee entstanden für ein Fine Dining in der Gärtnerei“, so die Edel-Köchin. Das Konzept dafür entwarf sie gemeinsam mit der Huckarder Künstlerin Sabine Oecking, deren großformatige, farbenfrohe Bilder an diesem Abend an den Außenwänden der Gewächshäuser hängen.

Ende Juni ist es dann so weit. Mit ihrem Mann Klaus Scheufen und ihrem kleinen Team aus dem Restaurant „Kerstins. Nordisch-Westfälisch in der Alten Mühle“ an der Roßbachstraße 34 in Huckarde packt Kerstin Scheufen-Hanke Kochplatten und Küchengeräte ein, um zwischen Tomaten- und Salatpflanzen ein Sieben-Gänge-Menü unter dem Motto „Bio-Kräuter und Gemüse treffen Nordische Küche“ zu kredenzen.

Die Tische sind geschmackvoll dekoriert mit Blumen, Kräutern, Kerzen und kleinen Schiefertäfelchen mit den Namen jedes einzelnen Gastes. Zum Preis von 199 Euro pro Person gehören die Weinbegleitung und auch alle sonstigen Getränke dazu.

Die Menü-Folge im Test

Während der Gitarrist die ersten, gefühlvollen Folk- und Pop-Songs von Leonard Cohen, Paul Simon und den Beatles spielt, startet das Menü mit Smorrebrod & Smörgas, einer „reich beschmierten Stulle“ mit Mangold-Dulse-Salat und Island-Lachs. Mit einer Stulle in der Ruhrpott-Variante hat dieser erste Gang wahrlich nichts zu tun. Er gehört zu den kulinarischen Highlights des mehrstündigen Abends.

Und das nicht nur geschmacklich, sondern auch optisch. Denn wer Kerstin Scheufen-Hanke und Klaus Scheufen kennt, weiß, dass dieses Duo größten Wert auf das detailreiche Anrichten seiner Speisen legt. Die Komposition aus Brot, Salat, Lachs und Kräutern ist ein kleines Kunstwerk, das man eigentlich gar nicht zerstören möchte.

Ein „Duett von Paprika“ heißt die leichte Suppe mit geräuchertem Elchschinken und Bärlauchpesto beim Dinner at Hidden Places in Dortmund.
Ein „Duett von Paprika“ heißt die leichte Suppe mit geräuchertem Elchschinken und Bärlauchpesto. © Peter Wulle

Der zweite Gang ist ein „Duett vom Paprika“ mit geräuchertem Elchschinken und Bärlauch-Pesto. Es handelt sich um eine leichte Suppe, deren Zutaten für ein besonderes Geschmackserlebnis sorgen. Die zweifarbige Kreation aus Gelb und Orange sieht aus wie ein kleines Gemälde.

Der dritte Gang hat den Namen „Nordic Risotto trifft Frisches aus dem Gewächshaus“ und greift damit die Location auf. Spannend: Eine Atlantik-Auster krönt die Kreation aus Scharfgarbe, Tomate und Bergkäse. Die meisten Gäste sind begeistert, dazwischen mischt sich eine kritische Einzelstimme: „Ein bisschen blass im Geschmack.“

Der vierte Gang heißt „Anis-Pernod-Sorbet/Rosengranité“. Dabei handelt es sich um ein fruchtiges Sorbet auf Saftbasis – ein kleiner Zwischengang, eiskalt und an diesem warmen Sommerabend herrlich erfrischend.

Hübsch dekoriert: Nordic Risotto mit einer Atlantik-Auster, die die Kreation aus Scharfgarbe, Tomate und Bergkäse krönt. Serviert beim Dinner at Hidden Places in Dortmund.
Hübsch dekoriert: Nordic Risotto mit einer Atlantik-Auster, die die Kreation aus Scharfgarbe, Tomate und Bergkäse krönt. © Peter Wulle

Der fünfte Gang ist der Hauptgang und der Höhepunkt des ausgedehnten kulinarischen Abends, an dem es jetzt gegen 22.20 Uhr fast dunkel ist und wir nun den Kerzenschein genießen. Der Gitarrist spielt noch „Streets of London“ bevor er seine Gitarre einpackt.

Mit der Münsterländer Maispoularde im Speckmantel und dem Rückenfilet vom Lappland-Elch trifft jetzt wirklich Westfalen auf Skandinavien. Man muss natürlich Fleisch mögen, um diesen Gang zu genießen. Perfekt dazu: erfrischender Sauvignon Blanc-Wein.

Der Hauptgang beim Dinner at Hidden Places in Dortmund mit einer Münsterländer Maispoularde im Speckmantel und einem Rückenfilet vom Lappland-Elch.
Der Hauptgang mit einer Münsterländer Maispoularde im Speckmantel und einem Rückenfilet vom Lappland-Elch. © Peter Wulle

Der sechste Gang ist die erste Nachspeise: ein Dessert zum Trinken. Eine dänische Buttermilch-Kaltschale (Koldskål) mit frischen Erdbeeren wird in einer großen Tasse serviert – und schmeckt mild, sahnig, fruchtig. „Ich bin überhaupt kein Buttermilch-Fan, aber das ...“, ist am Tisch zu hören.

Als Zwischengang wird beim Dinner at Hidden Places in Dortmund dänische Buttermilch serviert und auf Erdbeeren frisch in die Tasse gegossen.
Als Zwischengang wird dänische Buttermilch serviert und auf Erdbeeren frisch in die Tasse gegossen. © Peter Wulle

Der siebte Gang schließt endgültig den Magen: und zwar nicht mit Käse, sondern mit zweierlei Mohn an einer Erdbeer-Püreesauce. Ein Geschmacksduo, das einen ganz eigenen Reiz hat. Der aufdringliche Geschmack von Mohn ist hier kombiniert mit dem zurückhaltenden fruchtigen Geschmack der Erdbeere.

Die Atmosphäre

Im Freien, an einer langen Tafel auf einer nur für den Abend hergerichteten Terrasse: das ist nicht das feine Kronleuchter- oder Designer-Ambiente eines Sternelokals. Das ist allerdings auch so gewollt.

Mal ganz anders ganz fein essen – dafür ist der Tisch sehr liebevoll dekoriert und macht es jedem Gast leicht, sich sofort wohl zu fühlen. Schnell kommt man auch an der langen Tafel ins Gespräch – etwa mit einem Stuttgarter, der gerade Volunteer bei der Fußball-EM in Dortmund ist, oder mit einer Schmuckdesignerin aus München.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis

Es ist ein lockeres und ungezwungenes Dinieren. Das muss man wissen, wenn man sich für 199 Euro pro Person auf ein Fine Dining an Orten, die eben keine Restaurants sind, einlässt. Man muss sich auch darauf einlassen, dass man gegebenenfalls – wie an diesem Abend passiert – bei aufkommendem Gewitter sein Besteck und etwas Tischdeko schnappen und das Dinner in der gar nicht mehr gemütlichen Arbeitshalle fortsetzen muss.

Das Luxus-Essen braucht eine Ungezwungenheit. Die einen begeistert genau das, andere wünschen sich, dass die Wertigkeit eines solchen Gourmet-Abends durch eine Abendgarderobe unterstrichen würde.

Netz-Stimmen (zum Restaurant)

„Wir waren zum zweiten Mal im Kerstins und sind zum zweiten Mal sehr gut kulinarisch überrascht worden. Jeder Gang wurde erklärt und war eine Gaumenfreude. Das Kerstins ist für jeden ein Besuch wert, der Gerichte einfach mal entdecken möchte.“

„Hervorragend! Das Essen und der Service hat uns rundum begeistert. Tolle Kombinationen der einzelnen Komponenten und geschmacklich einfach grandios. Gerade das schwedische Dessert Trio ist ein Muss und die selbstgebackenen Brote zeigen das Können der Küche deutlich. Unser Kellner und die Inhaberin waren super gelaunt und für Spaß zu haben. Preis, Qualität und Portionen stimmen! Da kommen wir aus Neuss auch gerne wieder.“

„Der Service ist aufmerksam und freundlich. Das Essen ist zum Teil ausgefallen und geschmacklich wirklich gut. Ich habe lange nicht mehr so viele verschiedene Aromen schmecken dürfen. Die Lebensmittel waren auch sehr gut zubereitet. Es gibt auch interessante Biere. Auch in Alkohol frei. Das Ambiente empfand ich als toll und urig. Man kann schön draußen sitzen.“

Zum Thema

Termine und Anmeldung

  • Der nächste Termin „Dinner@hidden places“ ist am 22.8.2024 (Donnerstag) um 19 Uhr unter dem Motto „Grill-Delikatessen aus Feld und Flur treffen auf sechs kulinarische Highlights von der Tomate.“ Ort: Wiesen der Demeter-Werkhof-Gärtnerei, Werzenkamp 30.
  • Weiter geht es am 1.11.2024 (Freitag) um 18.30 Uhr mit Kerstins Gourmet-Menü „Feuer und Rauch“ im Keramikatelier für Ofenbau und individuelle Feuerstellen von Andrea Schüren in Herdecke, Wetterstraße 27.
  • Diese „Pop-up-Events“ sind ein Extra zum regulären Restaurant-Betrieb (mit Catering-Service) des „Kerstins“ in Dortmund-Huckarde, Roßbachstraße 34. Sie sollen alle Facetten der Kerstins-Küche zeigen.
  • Das Alltagsrestaurant bietet weiterhin die gewohnte nordisch-westfälische Küche an - à la carte und als wechselndes, saisonales Menüangebot.
  • Anmeldungen sind notwendig: 01577 1330 603 oder per Mail an
    kerstins@nordisch-westfaelisch-essen.de

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