
Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann warnt mit Blick auf den Haushalt, Bilanzkosmetik sei keine Option. © Gaby Kolle
Finanztricks erlaubt: „Hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben“
Stadtfinanzen
Es ist ein Geschenk des Himmels für Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann. Aber vergiftet: Um den städtischen Haushalt 2023 zu retten, darf er tricksen – mit ministerieller Erlaubnis. Er warnt davor.
„Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik und in diesem Bundesland noch nicht gegeben“ – die Worte von Stadtkämmerer Jörg Stüdemann im Finanzausschuss galten der angekündigten Erlaubnis aus Düsseldorf, zur Rettung des Haushalts 2023 bilanzielle Taschenspielertricks anzuwenden.
Stüdemann sprach von einer „Aufeinanderhäufung von finanzkosmetischen Übungen, um sich den Hintern zu retten“ Die nordrhein-westfälische Kommunalministerin Ina Scharrenbach will den Städten und Gemeinden mit Bilanzkosmetik helfen, damit ihnen die finanziellen Mehrbelastungen durch die Coronakrise, die Folgen des Ukraine-Kriegs und die massiv gestiegenen Energiekosten nicht die Luft abschnüren. Sie hat dazu einen Gesetzentwurf angekündigt.
Die Finanzakrobatik besteht darin, diese besonderen Ausgaben vom regulären Haushalt zu isolieren und in einer Art Nebenbuchhaltung zu führen. Das Land trägt mit dieser Ausnahmeregelung der Tatsache Rechnung, dass die Kommunen diese Kosten weder planen noch wesentlich beeinflussen konnten, ihre Haushalte aber dadurch in Schieflage geraten.
Finanzschock ist nur aufgeschoben
Für die Corona-Kosten gibt es diese Isolierungsregelung bereits bis 2022, wird aber jetzt bis 2025 verlängert und auf die Ukraine- sowie die Energiekosten ausgeweitet.
Das Ganze hat aber einen Haken; denn der Finanzschock ist damit nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Die unvorhersehbaren Mehrkosten sollen, sobald sich die Belastungen normalisiert haben, über maximal 50 Jahre mit jährlich zwei Prozent abgetragen werden.
Derzeit geht das Land davon aus, dass das erst ab dem Jahr 2027 möglich sein wird. Allein die Corona-Kosten werden sich für Dortmund bis Ende 2022 voraussichtlich auf 155 Millionen Euro belaufen, die Mehrkosten für Energie und Ukraine-Flüchtlinge auf 120 Millionen Euro.
Kämmerer: „Fatale Folgen“
Die Isolierung vom Haushalt sei zwar eine Rettung für den Moment, habe aber „fatale Folgen“, warnte Stüdemann. „Diese Option ist keine Lösung, sondern nur der Freifahrtschein, um zusätzliche Kredite aufnehmen zu können.“
Und das angesichts drohender Zinserhöhungen. Die Stadt werde schnell damit an ihren Deckel für die Liquiditätskredite in Höhe von 2 Milliarden Euro stoßen. „Bei 1,6 Milliarden sind wir schon. Wir haben noch Luft bis 400 Millionen. Das geht ganz schnell, wenn wir nicht aufpassen.“
Die 140 Millionen Euro mehr an Zuweisungen, die Dortmund im Vergleich zum Vorjahr vom Land bekomme, hörten sich gewaltig an, „sind aber fast schon wieder verschwunden“.
Haushaltsentwurf kommt später
Der Kämmerer fordert statt der Bilanzierungshilfen vom Bund und vor allem vom Land, Corona-bedingte Ausfälle und Mehrkosten in Folge des Ukraine-Krieges zu kompensieren. Durch eine Änderung im Flüchtlingsaufnahmegesetz werde der Landeshaushalt mit einem Schlag um 2,2 bis 2,4 Milliarden Euro entlastet, während die Kommunen die Flüchtlingskosten abzahlen müssten und nur „finanzkosmetisch abgefrühstückt“ würden. „Das ist schon eine ziemliche Klamotte“, so der Kämmerer.
Die Aussichten seien düster, sollte das Land bei den Flüchtlingskosten nicht helfen. Stüdemann: „Wir werden sonst regelrecht absaufen.“ Keine guten Vorzeichen für den Haushalt 2023, der dieses Jahr verspätet im November in den Rat eingebracht werden soll.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
