Horror-Defizit in Dortmunds Haushalt droht Stadt schreibt riesige Verluste

Stadt schreibt Riesenverluste: Stadt kratzt an der Haushaltssicherung
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Stadtkämmerer Jörg Stüdemann hätte dem Rat der Stadt bei der Einbringung des Doppelhaushalts für die Jahre 2025/2026 am Donnerstag (26.9.) gern bessere Zahlen präsentiert. Erst recht, da sich Stüdemann am 30. September 2025, gut zwei Wochen nach der Kommunalwahl (14. September 2025), in den Ruhestand verabschiedet.

Als Kulturdezernent gestartet, übernahm Stüdemann 2010 zusätzlich den Part des Kämmerers – und hat es seitdem immer wieder geschafft, das Schiff auch durch schwere See zu steuern. Dabei wollte er eigentlich 2022 von Bord gehen, hat aber auf Bitten des OB als erfahrener Krisenmanager weitergemacht. Sein nunmehr 16. Haushalt ist sein gleichzeitig letzter. Und der hat es in sich.

Allein 2025 droht ein Horror-Defizit. Die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben beträgt sage und schreibe 361,8 Millionen Euro. Geplant war ein Minus von 88,9 Millionen Euro. Doch steigende Ausgaben und Mindereinnahmen auf breiter Ebene haben einen Strich durch die Rechnung gemacht. Folge: Das Defizit frisst die Reserven, die Dortmund aus besseren Jahren angelegt hat, fast komplett auf: 372,7 Mio. Alles weg. Auf einen Schlag. Von dem Puffer, der über Jahre wertvolle Dienste geleistet hat, bleibt nichts übrig.

Stadt verbraucht Reserven

Prompt zeichnet sich 2026 ein weiteres Minus ab - dann fehlen nach heutigem Stand nicht 54,8 MIo. Euro, wie eigentlich erwartet. Sondern 83 Mio. Die Reserven sind futsch. Und jetzt? Muss die Stadt auf ihr allgemeines Vermögen zurückgreifen. Das geht aber nur bis zu einem gewissen Grad. Dann sagt die Arnsberger Bezirksregierung „Stopp". Und von diesem Punkt liegt Dortmund mit dem Doppelhaushalt für die beiden nächsten Jahre gerade noch 6,1 Millionen Euro entfernt. Das ist wenig.

Zumal die finanzielle Schussfahrt auch in den Folgejahren anhält. Schon 2027 droht ein neues, horrendes Minus von 217 Millionen Euro. Auch das kann nur aufgefangen werden, indem die Stadt weiter ans Eingemachte geht und ihr allgemeines Vermögen peu à peu verbraucht. Das schmilzt wie Butter in der Sonne: von 1,56 Milliarden Euro in 2025 auf 1,214 Milliarden in 2029. Konsequenz: Der Doppelhaushalt muss in Arnsberg nun formell genehmigt werden – in den Jahren zuvor war das nicht notwendig. Könnte es jetzt Auflagen geben? Am schlimmsten Fall, der Haushaltssicherung, bei der Arnsberg in die Einnahmen und Ausgaben hineinregiert, schrammt Dortmund nach derzeitigem Stand gerade noch vorbei.

„Wir werden nicht ins Elend kippen, auch nicht in den nächsten Jahren“, beruhigte Stüdemann in seiner Rede im Stadtrat. Er sei sicher, dass Dortmund trotz allem nicht in die Haushaltssicherung komme. Wie in den vergangenen Jahren gab er auch diesem Zahlenpaket eine Überschrift: Es sei „ein Haushalt der Dankbarkeit“, merkte Stüdemann an. Sein Dank galt u.a. den Mitarbeitern der Kämmerei und den Ratsfraktionen. Das Land war davon explizit ausgenommen.

Erntedankfeier fällt aus

Im Gegenteil: Erneut appelierte Stüdemann in Richtung Düsseldorf, endlich eine Altschulden-Regelung für die klammen Kommunen zu finden. „Dann könnten wir Erntedank feiern“, sagte Dortmunds oberster Finanzhüter. „Wenn von 396 NRW-Kommunen gerade noch 18 einen ausgeglichen Haushalt vorlegen, ist es höchste Eisenbahn, sich etwas zu überlegen“, mahnte Stüdemann. „Nonchalant wegzusehen, das wird nicht mehr reichen.“

Dennoch sollen Dortmunds Bürger von Leistungseinschränkungen verschont bleiben. Weder Bäder noch Bibliotheken werden geschlossen. Die Gewerbesteuer bleibt stabil. Über die Hebesätze für die Grundsteuer soll im November entschieden werden. Auch an ihren Baumaßnahmen will die Stadt festhalten: Allein für 2025 sind Investitionen von 463 Millionen Euro geplant. Davon 177,5 Millionen für den Hochbaubereich mit Schulen, Sporthallen und Kitas. Zumal die Stadt mittelfristig eine neue Gesamtschule und ein neues Gymnasium auf dem Radar hat.

Kämmerer Jörg Stüdemann mit den Haushaltsbänden: "Wir stürzen trotz allem nicht ins Elend,
Kämmerer Jörg Stüdemann mit den Haushaltsbänden: „Wir stürzen trotz allem nicht ins Elend.“ © RN

Weitere 105,1 Millionen fließen in den Tiefbau, davon 28,5 Millionen Euro als Löwenanteil in das Programm „Kommunale Schiene“ zur Erneuerung der Stadtbahnanlagen. 2026 will die Stadt ihre gesamten Investitionen sogar auf 703,6 Millionen Euro hochfahren.

Zinsen schlagen durch

Für all das muss Dortmund natürlich Kredite aufnehmen. Dabei türmen sich die Schulden bereits jetzt auf rund 2,1 Milliarden – bei einem 3,7 Milliarden schweren Gesamthaushalt. Die Zinsen schlagen 2025 mit 78,7 Millionen Euro ins Kontor – und dürften bis 2029 auf satte 152 Millionen Euro steigen. Zum Vergleich: 2019 zahlte die Stadt gerade noch 26,8 Millionen Zinsen. „Weitere Schulden werden unvermeidlich sein“, sagte OB Westphal in seiner Haushaltsrede. Auch er hob auf die „strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen“ ab.

Ein Teil der Aufwände sei auf Bundes- und Landesgesetze zurückzuführen, so der OB. Er sprach von einer „öffentlichen Investitionskrise“, die mit Blick auf kaputte Schulen, Brücken und Straßen zu einer „Vertrauenskrise“ der Menschen führen könne. Auch deshalb müsse die finanzielle Ausstattung der Kommunen beim Land ganz oben stehen, forderte Westphal.

Zwar steigen Dortmunds Einnahmen aus der Gewerbesteuer stärker als erwartet. 2025 darf sich die Stadt auf 507,7 Millionen Euro freuen, 2026 auf 534,3 Millionen. „Das rettet uns den Hintern aber nicht“, wie Stüdemann klarstellte. Wie auch? Das Plus wird durch Mindereinnahmen an -zig anderen Stellen sofort wieder pulverisiert. Beispiel Einkommensteuer: Statt 342,7 Millionen Euro fließen 2025 lediglich 316,5 Millionen Euro. Für 2026 waren 338 Mio. geplant – tatsächlich läuft es auf 328,2 Millionen hinaus. Noch drastischer die Schlüsselzuweisungen: 52 Mio. weniger Einnahmen als 2025/2026 geplant, sind kein Pappenstiel. Und so zieht es sich durch etliche Bereiche.

Die Einnahmen brechen weg, während die Ausgaben umso stärker steigen. Etwa beim Personal. Auch bedingt durch Tarifsteigerungen, muss die Stadt 2025/2026 rund 16,6 Millionen mehr ausgeben als kalkuliert. Massiv in die Waagschale fallen die Mehrausgaben im Bereich Kinder, Jugend und Schule: 98,4 Millionen Euro. Der größte Treiber: die Hilfen zur Erziehung. Eine noch offene Flanke sind die Umlagezahlungen an den LWL. Sie haben sich innerhalb von zehn Jahren von 164,5 Millionen auf 316 Millionen Euro glatt verdoppelt. Und könnten weiter steigen, zumal der LWL und die Mitgliedskommunen noch kein Einvernehmen über die kommende Umlagehöhe erzielt haben.

Wenig Raum für Extra-Wünsche

Einer der wenigen Lichtblicke sind zumindest jene 500 Millionen Euro aus den Steag-Erlösen, die sich die Stadt im sogenannten „Schütt-aus-hol-zurück-Verfahren“ von ihrer Tochter DSW21 als Kapitalverstärkung „leiht“. Die Stadt will den Zeitraum nun strecken und die Summe von DSW21 in kleineren Dosen auf die Jahre bis 2029 verteilen.

Der Stadthaushalt gilt nun als eingebracht. Im nächsten Schritt sind die Ratsfraktionen am Zug, die bei ihren Beratungen ihre eigenen politischen Duftnoten setzen. Gut möglich auch, dass sich die Zahlen stellenweise nochmal verändern, zumal es einige Unbekannte gibt. Für die Ratsfrakionen dürfte so oder so klar sein: Großen Spielraum für Extra-Wünsche gibt's nicht. Es sei denn, die Politiker entscheiden sich, Gelder umzuschichten. Am Donnerstag, 12. Dezember, sollen der Doppelhaushalt und mit ihm die mittelfristige Planung im Rat verabschiedet und dann nach Arnsberg geschickt werden.