
© Susanne Riese
Feudales Leben im Mini-Format: Puppenhaus im Heimatmuseum zeigt irre Details
Miniatur-Welt
Eine Prachtvilla im Stil der 20er-Jahre ist das neueste Ausstellungsstück im Hörder Heimatmuseum. Die Ausstattung ist nur Millimeter groß, doch es gibt viel zu entdecken in der Miniatur-Welt.
Auf drei Etagen plus Kellergeschoss, Terrasse und zwei zusätzlichen Wirtschaftsräumen spielte sich das Leben in der herrschaftlichen Villa im Stil der 20er-Jahre ab. Musikzimmer und Bibliothek, glitzernde Kronleuchter und fein bemaltes Geschirr weisen auf ein gewisses Niveau der Herrschaft hin.
Dieses schicke Haus mit all seiner hochwertigen Einrichtung ist jetzt im Hörder Heimatmuseum zu bewundern: im Miniatur-Format. Etwa 1,20 Meter hoch ist das Prachtgebäude, Mobiliar und Ausstattung sind wenige Millimeter bis Zentimeter groß.

Die Herrschaft sitzt am schick gedeckten Tisch, das Essen wird serviert. © Susanne Riese
Das exklusive Spielhaus wurde dem Heimatmuseum im letzten Jahr geschenkt. Erst jetzt konnte in den beengten Ausstellungsräumen an der Hörder Burg eine Ecke dafür freigeräumt werden. „Das war schon eine größere Aktion“, erzählt Willi Garth, Vorsitzender des Heimatvereins. „Wir wollten das Haus zunächst aus Platzgründen ablehnen.“ Aber nachdem sie das Schmuckstück besichtigt hatten, habe sich der Vorstand anders entschieden. Ein Glücksfall, sind sich heute alle einig.

Drei Etagen plus Kellergeschoss haben (v.l.) Andrea und Andreas Brücher mit Raimund Schroeder aufgebaut. © Susanne Riese
Das überaus kleinteilig ausgestattete Puppenhaus gehörte Elfriede Stein, der Ehefrau des ehemaligen Direktors der Hörder Stifts-Brauerei, Karl Stein. Sie hatte sich mit dem Häuschen im hohen Alter von 89 Jahren einen großen Kindheitstraum erfüllt.
Nach dem Tod Elfriede Steins boten ihre Söhne, Wolfgang und Eckhard Stein, das Haus dem Hörder Heimatverein an. Karl Stein, ehemals Mitglied, Mäzen und Träger des Konradrings, war 2008 verstorben. Nun sollte das Elternhaus verkauft werden, und das kleine Haus verlor damit sein Zuhause.
Kindheitswunsch erfüllte sich erst im hohen Alter
Die 1921 geborene Elfriede Stein hatte schon als Kind den großen Wunsch, ein Puppenhaus auszustatten. In den 20er- und 30-Jahren waren in ihrer Heimat in Südhessen die Voraussetzungen dazu nicht gegeben und auch später ergab es sich nicht.

Das Badezimmer ist mädchenhaft ausgestattet. © Susanne Riese
Erst ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes begann Elfriede Stein als hochbetagte Frau, sich den großen Kindheitstraum zu erfüllen. Sie richtete ein großbürgerliches Puppenhaus ein, im Stil ihrer Kindheit und mit allem, was zu einem herrschaftlichen Haushalt gehörte. Elfriede Stein starb am 16. Mai 2021 mit 99 Jahren.
Ihr Puppenhaus hatte sie bis dahin perfekt ausgestattet – drei volle Etagen und ein aufklappbares Untergeschoss. Dort finden sich drei zusätzlichen Kellerräume mit einer komplett eingerichteten Nähstube und zwei weitere Räumen mit Gartengeräten, Kinderspielzeug und Werkzeug.

Aus dem winzigen Buch kann sogar vorgelesen werden. © Susanne Riese
Auf der Terrasse darüber stehen Gartenmöbel und Pflanzenkübel, auf dem Tischchen warten ein Bierkrug und ein Korb mit Brezeln. Im Esszimmer ist der Tisch unter dem glitzernden Kronleuchter mit feinstem Geschirr aufwendig gedeckt, auf der Anrichte stehen Sekt im Kühler und ein silbernes Kaffeeset bereit.
Kleine Öfen können mit Dampf bespielt werden
Ein Musikzimmer mit Standuhr und Instrumenten ist ebenso zu bewundern wie ein Badezimmer mit sämtlichen Details – bis hin zur Klobürste und Toilettenpapier auf silbernem Halter. In fast allen Räumen stehen prachtvolle Öfen, die sogar mit Dampf bespielt werden können.

Arztbesuch beim Neugeborenen - über dem Bett hängt ein echtes Hochzeitsfoto der „Puppenmutter“ Elfriede Stein. © Susanne Riese
Im Schlafzimmer ist ein Doktor beim Hausbesuch zu sehen, zeitgerecht mit goldener Uhrkette und Arzttasche. Die Bibel liegt auf dem Nachttisch und über dem Bett hängt das echte Hochzeitsfoto des Ehepaars Stein im hölzernen Miniatur-Rahmen.
Kaum sattsehen kann man sich an der Küche mit ihrer Fülle an Details: Töpfe, Schüsseln und Dosen, alle kaum größer als ein Fingernagel.
Das alles hat Vorstandsmitglied Bernhard Finkeldei zusammen mit drei neuen Aktiven des Vereins, Andreas und Andrea Brücher sowie Raimund Schroeder, in liebevoller Kleinarbeit wieder aufgebaut. „Das ist eine Bereicherung für das Museum“, sagt Willi Garth. Und ein schönes Geschenk zum Jubiläum, denn das Museum wird in diesem Jahr 20 Jahre alt.
Seit 2001 in der Redaktion Dortmund, mit Interesse für Menschen und ihre Geschichten und einem Faible für Kultur und Wissenschaft. Hat einen Magister in Kunstgeschichte und Germanistik und lebt in Dortmund.
