Julia Demirayak und ihre Töchtern Ayda (l.) und Nisa

© Oliver Schaper

Familienleben in der Pandemie: Der erste Lockdown „war die schönste Zeit“

rnZwei Jahre Corona

Keine Hobbys, kein Urlaub, ein Hin und Her in Schule und Kita – gerade an Familien haben zwei Jahre Corona gezehrt. Eine Dortmunderin erklärt, warum sie müde ist, aber auch Vorfreude hat.

Dortmund

, 18.02.2022, 05:25 Uhr / Lesedauer: 3 min

Man hangelt sich von Tag zu Tag. Und guckt abends dann, was am nächsten Morgen passieren wird.“ Julia Demirayak ist müde nach fast zwei Jahren Pandemie – so wie viele, die an unserer großen Umfrage „Mensch, wie glücklich bist du?“ zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie teilgenommen haben.

Nur jeder Zehnte sagte, er spüre im persönlichen Alltag kaum oder gar keine Pandemie-Belastungen. Sechs von zehn Teilnehmern hingegen fühlen sich „deutlich“ oder sogar „sehr deutlich“ belastet, die übrigen drei noch „leicht“. Rund drei Viertel gaben an, sich mindestens manchmal überfordert zu fühlen. So wie die Demirayaks aus Dortmund, bei denen sich die Situation seit Herbst 2021 noch einmal verschärfte.

Sechsjährige hatte kaum regelmäßigen Unterricht

Die neunjährige Ayda hatte Corona, die sechsjährige Nisa auch, beide sogar zwei Mal. Auch Julia Demirayak und ihr Mann waren positiv. Und das alles innerhalb weniger Wochen, fast ohne Unterbrechung. Regelmäßigen Präsenzunterricht hat Nisa bisher noch gar nicht kennengelernt.

Im Sommer 2021 wurde sie eingeschult, nach wenigen Schultagen war jemand in der Klasse positiv – und es ging in Quarantäne. „Dabei waren wir extra nicht im Urlaub“, sagt Mutter Julia. Eigentlich hätten sie es ja geplant gehabt, „aber dann überkam es mich, dass ich sagte ‚Nee‘. Es ging ja nur die letzten drei Sommerferien-Wochen, und wenn wir dann irgendwo festgehangen hätten und nicht hätten zurückkommen können, hätte Nisa keine Einschulung gehabt.“

Mehr als die Hälfte aller Kinder hat große oder sehr große Angst vor Unterrichts-Ausfällen oder Homeschooling – so zumindest die Einschätzung der Eltern in der Umfrage. Noch größer demnach nur: die Sorge vor weniger Kontakten und der Vereinsamung. „Jede Altersklasse hatte daran zu knacken“, sagt Demirayak rückblickend. Dabei habe doch alles so gut angefangen.

Der erste Lockdown – im Rückblick noch ganz schön

Frühling 2020, alle zuhause – „dieser erste Lockdown, den fanden ja alle erst furchtbar. Aber ich muss sagen, das war die schönste Zeit.“ Diese Entschleunigung, die gemeinsame Zeit, selbst das Homeschooling für Ayda. „Ich konnte mich voll und ganz auf meine Zweitklässlerin konzentrieren“, erinnert sich Julia Demirayak.

Normalerweise arbeitet die Dortmunderin als Tagesmutter. Doch ebenso wie die Schulen und Kitas geschlossen bleiben mussten, war auch diese Art der Betreuung ausgesetzt. Die Familie hatte sich gegenseitig, dennoch begann die Zeit des Vermissens. Ayda konnte nicht zum Ballett, ihre Freunde nicht sehen – und auch wenn sie sich die Tanzschritte habe schicken lassen, um zuhause zu üben, so gut es gegangen sei, etwas Wichtiges habe gefehlt.

Kinder sorgen sich, die Eltern anzustecken

So geht es vielen Kindern. Drei Viertel der Eltern, die teilgenommen haben, gaben an, ihre Kinder seien einsamer als vorher, mindestens ein bisschen. Nicht nur Sport und andere Hobbys fielen weg, auch wichtige Feste und Ereignisse. Nisas Kindergarten-Abschied, ihr Start in die Grundschule – längst nicht so groß gefeiert, wie es Mädchen und Jungen in der Zeit vor Corona erlebt haben. Und mehr noch, später dann, im Herbst 2021.

„Als sie positiv war, ist für sie eine Welt zusammengebrochen“, erinnert sich Mutter Julia. Die Kleine habe gesagt: „Ich habe Angst euch anzustecken.“ Auch das geht laut unserer Umfrage vielen so. Fast die Hälfte aller Kinder spürt demnach diese Angst „deutlich“ oder „sehr deutlich“, ein Viertel noch „etwas“.

„Geduld und Nerven sind aufs Übelste strapaziert“

Den Kindern solche Sorgen zu nehmen – Julia Demirayak weiß, wie wichtig das ist. Man sei ja geimpft, selbst im Falle einer Corona-Ansteckung dürfte es ja keinen schweren Verlauf geben. Aber auch dieses Kümmern koste wieder Kraft.

Viele Kleinigkeiten seien es, die sich summieren würden, sodass nach fast zwei Jahren Pandemie eben wahnsinnig viel Müdigkeit da sei: „Die Geduld und die Nerven – alles ist aufs Übelste strapaziert.“ Klar, in ihrem Fall mit mehreren Quarantänen und viel Homeschooling in wenigen Monaten sei es extrem. Aber das gehe doch auch den anderen Familien so.

Zwei Jahre zurückgesteckt: kein Urlaub, nur wenige Treffen

„Im Freundeskreis sprechen wir kaum noch darüber, man ist allgemein müde.“ Corona spare man mittlerweile als Thema schon so aus wie Politik und Religion. Es sei halt komplizierter geworden und „wirkliche Lösungen gibt es nicht.“ Man müsse jetzt da durch, bis die Wellen abflachten und das Leben normaler werde.

„Zwei Jahre haben wir zurückgesteckt, keinen Urlaub gemacht, uns eher in kleineren Gruppen getroffen als in großen.“ Auch da geht es Julia Demirayak wie der Mehrheit unserer Umfrage-Teilnehmer: Fast 58 Prozent schränken sich stark ein, 29 Prozent etwas, nur rund 13 Prozent kaum oder gar nicht. Dennoch: Demirayak spürt Vorfreude, trotz all der Müdigkeit.

„Wir wollen in den Osterferien zu meinen Schwiegereltern in die Türkei fliegen, die die Kinder seit 4 Jahren nicht mehr gesehen haben.“ Nein, ins Hotel gehe es nicht. „Wir besuchen die Tanten, Onkel und Cousins.“ Und, worauf sie sich dann am meisten freue: „Wenn man sich einfach mal wieder in den Arm nehmen kann nach so langer Zeit.“

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