Die Zeit der Sprachlosigkeit ist vorbei: Zuletzt war es still geworden um die beiden Affären, die Dortmunds Stadtwerken schwer zu schaffen machen. Das dürfte sich bald ändern: Spätestens in der Ratssitzung am Donnerstag (26.9.) soll die politische Aufarbeitung beginnen. Grüne, CDU und AfD wappnen sich mit Anträgen, die mehr Licht in die Geschehnisse bringen sollen. Vor allem von OB Westphal wollen die Ratsfraktionen hören, ob und was er in seiner Funktion als DEW-Aufsichtsratsvorsitzender von den Vorgängen wusste.
Im Fokus steht einerseits die DEW-Skandaltochter stadtenergie. Eine Art Billiganbieter, der allerdings nicht mit seinen Gas- und Strompreisen für bundesweite Furore sorgte, sondern mit manipulierten und zu hohen Kundenabschlägen sowie Endrechnungen. Der Schaden (für die Kunden) summiert sich auf insgesamt rund 36 Mio. Euro. Zudem gab es weitere Vorgänge, die den Gesamtschaden für die Muttergesellschaft DEW auf 74 Mio. Euro in die Höhe getrieben haben.
Für die komplette Summe musste DEW Rückstellungen bilden. Die weitere Konsequenz: Anders als in den Vorjahren, konnte DEW kein Geld an seinen Hauptgesellschafter Dortmunder Stadtwerke (DSW21) ausschütten – was wiederum bei DSW zu einem Schaden von 46 Mio. Euro führte.
Ex-Prokurist im Kreuzfeuer
Verantwortlich gemacht wird dafür (bislang) eine Person: der ehemalige Prokurist von stadtenergie. Er ist freigestellt worden und hat ein Ermittlungsverfahren am Hals – wegen Betrugs. Aktuell werten die Strafverfolger seine bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten Speichermedien (Handy, PC) aus. In der Folge sollen rund ein Dutzend Zeugen vernommen werden, darunter ehemalige Kollegen des geschassten Prokuristen.
Bleibt es allein bei der Person des Ex-Prokuristen? Offenbar. „Bislang gibt es keine Anhaltspunkte, dass eine weitere Person in die Vorgänge involviert sein könne“, sagt Staatsanwalt Tobias Wendt auf Anfrage. Ein Ende der Ermittlungen sei aktuell nicht absehbar.
Gleichzeitig beschäftigt sich auch das Arbeitsgericht mit dem Ex-Prokuristen. Er hat eine Kündigungsschutzklage eingereicht und weist die erhobenen Betrugsvorwürfe zurück. Die Verhandlung ist für den 6. November (Mittwoch) angesetzt.
Fehler beim Energieeinkauf
Eine weitere Klage liegt beim Dortmunder Landgericht: Eingereicht hat sie Heike Heim, die ehemalige Chefin von DEW. Mitte 2023 zur Vorstandschefin des Gesamtkonzerns DSW21 aufgerückt, wurde ihr Vertrag im Juli 2024 nach rund einem Jahr fristlos gekündigt. Dagegen wehrt sie sich.
Offen ist, wie Arbeitsrechtler den Schritt beurteilen: Über die Kündigung hat der Aufsichtsrat von DSW21 entschieden – die Vorwürfe gegen Heim aber stammen aus ihrer vorherigen Tätigkeit beim Energieversorger DEW, der Tochter von DSW21.
Dabei geht es im Kern um angebliche Fehler beim Strom- und Gaseinkauf von DEW im Jahre 2022. Die Entlassung von Heim fußt im Wesentlichen auf Ergebnisse der Wirtschaftsprüfer von PwC: Demnach soll DEW seine Beschaffungsstrategie im Zuge der Preisralley an den Energiemärkten verändert und teure Kontingente für gleich drei Jahre beschafft haben. Damit soll ein millionenschwerer Schaden für DEW verbunden sein, den die PwC-Prüfer im schlimmsten Fall auf bis zu 100 Mio. Euro beziffern.
E-Mail an die Chefin
Laut PwC sollen die Gremien über den Wechsel der Beschaffungsstrategie nicht informiert worden sein. Heim selbst weist alle Vorwürfe zurück. Bemerkenswert dabei: Bei der Sichtung der Unterlagen sind die Prüfer auf die E-Mail eines DEW-Mitarbeiters gestoßen, der bei einem der Vorgänge ausdrücklich auf das Thema Aufsichtsrat (AR) aufmerksam macht: „Hallo Heike“, heißt es. Und: „Der Handel bewegt sich außerhalb des vom AR festgelegten Rahmens. Eine Risikomeldung an den AR ist m.E. in jedem Fall sinnvoll, wenn nicht sogar erforderlich. (…)“ Ob und in welcher Form Heim als damalige DEW-Chefin auf diese Mail reagiert hat, bleibt im PwC-Papier allerdings offen.
Einen Termin für die Verhandlung am Landgericht gibt es nach Angaben von Sprecherin Nesrin Öcal noch nicht. Man befinde sich „im schriftlichen Vorverfahren“. Die Beklagte, in diesem Fall Heims Ex-Brötchengeberin DSW21, habe vor Kurzem um Fristverlängerung für eine Stellungnahme gebeten.
Darüber hinaus erwartet DEW ein Gutachten der Rechtsanwaltsgesellschaft Aderhold. Darin soll ausgelotet werden, ob DEW Schadenersatz geltend machen kann. Insider freilich hängen ihre Erwartungen tief. „Das wird ausgehen wie das Hornberger Schießen“, sagt einer voraus. Unterdessen wird hinter den Kulissen über die Höhe einer Abfindung für Ex-DSW-Chefin Heim verhandelt.
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