Evangelische Kirche schrumpft in Dortmund massiv Nur ein Drittel aller Pfarrstellen soll bleiben

Evangelische Kirche schrumpft massiv: Nur ein Drittel aller Pfarrstellen bleibt
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Birgit Worms-Nigmann ist den Spagat, der vielen Pfarrerinnen und Pfarrern noch bevorsteht, schon gewohnt. Im April 2022 hat die Pfarrerin der evangelischen Lydia-Gemeinde in der Dortmunder Nordstadt auch mit 25 Prozent die Pfarrstelle an St. Marien in der City übernommen. Seitdem Pfarrer Ingo Maxeiner in den Ruhestand gegangen ist, hat die historische City-Gemeinde keine volle Pfarrstelle mehr.

Die Zuständigkeit für mehrere Gemeinden wird für die Pfarrerinnen und Pfarrer der evangelischen Kirche bald zum Alltag. Angesichts sinkender Mitgliederzahlen und absehbarer sinkender Kirchensteuer-Einnahmen hat die westfälische Landeskirche den Gemeinden ein strenges Sparkonzept verordnet.

Eine Pfarrstelle für 5000 Gläubige

Aktuell gibt es bei rund 180.000 evangelischen Gläubigen in Dortmund eine Pfarrstelle für je 3000 Gemeindemitglieder. Ab 2025 soll sich ein Pfarrer oder eine Pfarrerin um 4000, ab 2031 um 5000 Seelen kümmern. Für Dortmund bedeutet das, dass es statt heute 79 dann nur noch 24 Gemeinde-Pfarrstellen im gesamten Kirchenkreis mit Dortmund, Lünen und Selm geben wird.

Um die Vorgaben umzusetzen, gehen die Protestanten einen ähnlichen Weg wie vor einigen Jahren schon die katholische Kirche. Die hat ihre Gemeinden in sogenannten „Pastoralen Räumen“ zusammengefasst, die in ganz Dortmund von nur noch zehn Pfarrern betreut werden. In der evangelischen Kirche spricht man von „Personalplanungsräumen“. Sechs davon soll es im Kirchenkreis geben, fünf davon in Dortmund.

Die Aufteilung ist in einem langen Diskussionsprozess erarbeitet worden. Danach setzen sich die Personalplanungsräume in Dortmund wie folgt zusammen:

  • im Nordwesten mit Miriam (Huckarde), Noah (Mengede/Nette), Segen (Eving), Brechten und Lydia (Nordstadt)

  • im Nordosten mit Frieden (Lanstrop/Husen-Kurl/Scharnhorst/Derne), Brackel, Asseln und Wickede

  • im Südwesten mit Christus (Lütgendortmund), Elias (Oespel-Kley/Marten/Dorstfeld), Südwest (Hombruch/Barop) und Philippus (Brünninghausen/Kirchhörde/Löttringhausen)

  • im Südosten mit Wellinghofen, Berghofen, Schüren, Georg (Aplerbeck) und Syburg/Auf dem Höchsten,

  • und in der Innenstadt mit St. Petri-Nicolai, St. Reinoldi, St. Marien, Paul-Gerhardt und Hörde.

Aufteilung der Gemeinden in Dortmund, Lünen und Selm auf "Personalplanungsräume"
So sieht die Aufteilung der Gemeinden in Dortmund, Lünen und Selm auf die "Personalplanungsräume" aus. © Ev. Kirchenkreis

„Die Gemeinden bleiben selbstständig, werden aber gemeinsam von einem Pfarrteam betreut“, erklärt die evangelische Superintendentin Heike Proske. Anfangs wird ein Team aus vier bis acht Pfarrerinnen und Pfarrern gebildet, ab 2031 sind es dann vier Pfarrstellen pro Personalplanungsraum. Das wäre dann weniger als ein Drittel des heutigen Pfarrpersonals.

„Betriebsbedingte Kündigungen“, wie es in der Wirtschaft heißen würde, soll es natürlich nicht geben. „Es wird niemand entlassen oder zwangsversetzt“, erläutert Heike Proske. „In den nächsten Jahren gehen sehr viele Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand.“

Die neue Struktur geht natürlich weit über die Pfarrstellen hinaus. Mehr und mehr setzt man auf interprofessionelle Teams. Kirchenmusik, Gemeindesekretariate und Gemeindepädagogik müssen neu zugeschnitten werden. Die Hoheit darüber haben die Gemeinden und ihre Presbyterien, betont Heike Proske. Sie müssen sich dann innerhalb der Personalplanungsräume neu organisieren. Wie das genau funktionieren soll, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Schon viele Fusionen

Veränderungsprozesse und Fusionen hat die evangelische Kirche in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten schon reichlich erlebt. So setzt sich die heutige Lydia-Gemeinde in der Nordstadt aus mehreren ehemals selbstständigen Gemeinden zusammen. Das letzte noch voll genutzte evangelische Gotteshaus ist hier nun die Paulus-Kirche an der Schützenstraße. Fünf Pfarrstellen gibt es aktuell noch, wobei Birgit Worms-Nigmann zu 25 Prozent in St. Marien engagiert ist.

Wobei: In Prozente aufteilen lässt sich die Arbeit natürlich nicht, berichtet die Pfarrerin. „Wichtig ist, dass die Gemeinden mitspielen“, stellt sie fest. Mit Lydia und Marien funktioniere das sehr gut. Klar ist aber auch: „Es kann nicht mehr alles an der Pfarrerin oder am Pfarrer hängen“, erklärt Birgit Worms-Nigmann. Sie müssten vor allem von Verwaltungsarbeit entlastet werden.

Pfarrerin Birgit Worms-Nigmann
Seit einem Jahr ist Birgit Worms-Nigmann auch Pfarrerin an St. Marien. © Oliver Volmerch

Superintendentin Heike Proske ist auch hoffnungsvoll, dass die Gemeindemitglieder die Veränderungen mittragen werden. „Die Gesellschaft ist ja mobiler geworden“, stellt sie fest. „Wichtig ist, dass wir als Kirche attraktive Angebote machen.“

Veränderungen wird es in den nächsten Jahren an vielen Stellen geben. Auch die Zahl der sogenannten Funktions-Pfarrstellen mit Pfarrerinnen und Pfarrern, die mit besonderen Aufgaben beim Kirchenkreis arbeiten, wird in den nächsten Jahren sinken. Und dann ist da ja noch die Frage, was aus nicht mehr benötigten Gebäuden einschließlich der Kirchen wird. Dazu gibt es ebenfalls Vorgaben der Landeskirche, erklärt Heike Proske. „Danach müssen wir bis 2040 40 Prozent aller Gebäude aufgeben.“

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