Das Jahr 2022 war ein Krisenjahr. Auf Corona folgte der Krieg in der Ukraine mit Energiekrise und Preissteigerungen. Und für die Kirchen gab es immer wieder neue negative Schlagzeilen rund um Missbrauchsskandale. Das hat Folgen - einen Rekord an Kirchenaustritten.
Auch die Zahlen für Dortmund sind aus kirchlicher Sicht entsprechend erschreckend: 5939 Menschen kehrten 2022 ihrer Kirche den Rücken und traten offiziell aus der Kirche aus. Diese Zahlen nennt das Dortmunder Amtsgericht, an dem die Kirchenaustrittsstelle angesiedelt ist.
Zum Vergleich: 2021 gab es 3689 Kirchenaustrittsverfahren. Die bisherigen Rekorde gab es 2019 mit 3809 und 2014 mit 3777 Austritten. Sonst schwankt die Zahl der Kirchenaustritte pro Jahr zwischen 2000 und 2700. 2020 waren es 2834.
Auf die beiden großen Konfessionen scheinen die Austritte relativ gleich verteilt zu sein. Der evangelischen Kirche in Dortmund wurden 2022 3005 Austritte gemeldet - also etwas mehr als die Hälfte der Gesamtzahl. Die katholische Stadtkirche erfährt „ihre“ Austrittszahlen in der Regel immer erst einige Monate später über das Erzbistum.
Die steigende Zahl der Kirchenaustritte entspreche einem langfristigen Trend, stellt Michael Bodin als Sprecher katholischen Stadtkirche fest. Eine Rolle spiele dabei sicherlich auch der Umgang mit Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche.
Und der färbt offensichtlich auf die evangelische Kirche ab. Der Umgang der katholischen Kirche mit den Missbrauchsfällen führe wohl zu einem generellen Vertrauensverlust der Kirche gegenüber, stellt der stellvertretende Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises, Michael Stache, fest. „Dagegen kann ein Kirchenkreis als Institution nicht viel tun – wohl aber jeder einzelne von uns.“
Stache und Bodin machen aber auch noch einen anderen Grund für den Rekord an Kirchenaustritten aus. So falle auf, dass es einen deutlichen Anstieg der Austritte seit Beginn des Ukraine-Kriegs und der sich daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen gibt. Tatsächlich weisen die Zahlen des Amtsgerichts für das erste Quartal 1269 und für das vierte von 1886 Kirchenaustrittsverfahren aus.

„Wir leben in anstrengenden Zeiten und die Menschen haben nicht nur eine unbestimmte Angst vor der Zukunft, sondern vor allem auch reale Sorgen in der Gegenwart. Steigende Kosten bedrängen immer mehr Menschen – sie müssen sparen“, sagt Stache.
Seine Konsequenz: „Als Kirche und Diakonie sind wir aufgefordert, uns um die Menschen zu kümmern und auch deutlich zu machen, wofür Kirchensteuermittel verwendet werden.“
Ein weiterer Grund für den Rekord im Jahr 2022 könnte ein „Stau“ bei Kirchen-Austrittswilligen sein. Denn auch bedingt durch die Corona-Pandemie war es 2021 bei Terminen für zu Austrittsverfahren im Amtsgericht, die telefonisch oder online gebucht werden können, zu langen Wartezeiten gekommen - teilweise bis zu einem halben Jahr.
Aktuell sind die ersten freien Termine nach dem 6. März zu bekommen, berichtet Amtsgerichts-Sprecher Michael Tebbe.
Skepsis zu Online-Diensten
Einige Online-Dienstleister versuchen sich die Termin-Not zunutze zu machen. So gibt es Angebote, für 29,90 zuzüglich Behördengebühren Austrittsanträge online zu stellen. Mit solchen Dienstleistern haben auch die Sachbearbeiter am Amtsgericht schon Erfahrungen gesammelt, berichtet Tebbe.
Er stellt allerdings klar: „Nach der derzeitigen Gesetzeslage kann ein Kirchenaustritt nur persönlich bei Gericht oder gegenüber einem Notar erklärt werden. In beiden Fällen müssen die Bürgerinnen und Bürger einen Termin vereinbaren und persönlich anwesend sein.“
Das könne auch nicht durch die Nutzung von Onlinediensten umgangen werden. „Auch die bei Gericht und Notar anfallenden Kosten erspart man sich durch die Einschaltung eines Onlinedienstes nicht“, betont Tebbe.
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