Die Dortmunder Stadtverwaltung muss ihren Versuch, Beugehaft gegen einen Obdachlosen verhängen zu lassen, dem Rat erklären.

© Oliver Schaper (A)

Erzwingungshaft für Obdachlosen: Politiker in Dortmund haben viele Fragen

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Der gescheiterte Versuch der Dortmunder Stadtverwaltung, einen Obdachlosen wegen nicht gezahlter Bußgelder in Erzwingungshaft zu stecken, hat ein politisches Nachspiel. Das sagen die Ratsfraktionen.

Dortmund

, 22.01.2022, 16:21 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der gerichtliche Antrag der Stadt Dortmund auf Erzwingungshaft gegen einen Obdachlosen in Dortmund wird ein Thema für den Sozialausschuss und den Rat der Stadt. Die Grünen und die Linke+ wollen es dort auf die Tagesordnung setzen lassen.

Das Amtsgericht Dortmund hatte den Antrag der Stadt abgelehnt, Erzwingungshaft gegen den wohnungslosen und drogenabhängigen Mann wegen nicht gezahlter Bußgelder anzuordnen. Der Betroffene hatte 7325 Euro an Bußgeldern kassiert für Ordnungswidrigkeiten unter anderem wegen Biertrinkens in der Öffentlichkeit, aggressiven Bettelns und Verstöße gegen die Corona-Schutzverordnung.

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Das Gericht begründete seine Ablehnung der Beugehaft damit, dass die Anordnung der Erzwingungshaft den Zweck hat, den Willen eines Unwilligen zu beugen. Sie sei aber keine Ersatzfreiheitsstrafe, die vollstreckt wird, wenn Geldstrafen nicht vollstreckt werden können, weil jemand zahlungsunfähig ist.

Fragenkatalog für den Sozialausschuss

Die Grünen im Rat haben für die nächste Sitzung des Sozialausschusses gleich einen ganzen Fragenkatalog auf den Weg gebracht. Sie wollen unter anderem wissen, wie die Sozialverwaltung so ein Vorgehen des Ordnungsamtes bewertet und inwieweit sie in die Bußgeld-Maßnahmen gegen Obdachlose eingebunden ist. Außerdem fragen die Grünen danach, wie viele Bußgeld-Verfahren dieser Art aktuell laufen.

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„Statt der Verhängung von nicht eintreibbaren Ordnungsgeldern gegen mittellose obdachlose Menschen muss es darum gehen, durch geeignete Informations- und sozialpolitische Maßnahmen Sanktionierungen zu verhindern“, meint Jenny Brunner von den Grünen. Wenn Bußgelder sich nicht verhindern ließen, sollten die Beträge in einer realistischen Höhe angesetzt sein, die obdachlosen Menschen eine Bezahlung ermögliche.

Die Fraktion Die Linke+ will mit dem Thema gleich in den Rat: „Ich bin fassungslos. Schlechter hätte das Jahr politisch gar nicht starten können“, sagt Fatma Karacakurtoglu, sozialpolitische Fraktionssprecherin. Rechtsdezernent Norbert Dahmen und das Rechtsamt verhielten sich gegenüber Obdachlosen rechtswidrig, sagte sie mit Hinweis auf den Gerichtsbeschluss.

Die Linke+ spricht von „skandalös“

„Ich finde es skandalös, wie in Dortmund immer noch mit den Schwächsten der Gesellschaft umgegangen wird. Das muss endlich aufhören. Die Stadt Dortmund hat eine Verantwortung für jeden Menschen, der hier lebt. Deshalb müsste es die Aufgabe von städtischen Mitarbeitern sein, Obdachlosen zu helfen, statt sie zu gängeln. Ihnen Strafzettel in insgesamt unrealistischer Höhe zu verpassen, das ist abartig“, so Fatma Karacakurtoglu.

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Auch die SPD-Fraktion hält die Erzwingungshaft in diesem Fall nicht für „das angemessene Mittel“ und lehnt sie ab ; denn sie erfülle nicht den gewünschten Zweck, heißt es auf Anfrage. Dennoch gebe es Regeln, die für alle gelten würden. Die Stadt habe die Aufgabe, diese Regeln zu kontrollieren und verhältnismäßig zu sanktionieren und darauf zu achten, dass keine rechtsfreien Räume entstünden.

Verwaltung soll angehört werden

Dem Rechtsamt, so die SPD weiter, müsse aber für eine „faire Beurteilung“ die Möglichkeit gewährt werden, zu dem Fall ausführlich Stellung zu beziehen und die Maßnahme zu erklären.

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Das ist auch der Tenor der CDU-Fraktion. „Dass andere politische Fraktionen nachfragen, können wir verstehen“ so Fraktionschef Dr. Jendrik Suck, „wir gehen aber davon aus, dass die Verwaltung ihr Vorgehen abgewogen hat und es dafür Gründe gibt.“ Eine abschließende politische Wertung des Falls sei für die CDU erst möglich, wenn sich die Verwaltung gegenüber den Gremien erkläre und ihr Handeln transparent mache.

Die AfD spricht von einer „unsozialen Politik“ und von einer „Blamage für die Ordnungsbehörden der Stadt“. Juristisches Nachsitzen für das Rechtsamt sei dringend vonnöten.