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Stadt verhängt 7000 Euro Bußgeld gegen Obdachlosen – und will „Erzwingungshaft“
Corona-Bußgelder
Die Stadt Dortmund ist vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, einen Obdachlosen in Erzwingungshaft zu bringen. Es geht um nicht gezahlte Corona-Bußgelder.
Das Amtsgericht Dortmund hat im Dezember 2021 einen viel beachteten Beschluss gefasst. Die Stadt Dortmund hatte gegen einen wohnungslosen Mann einen Antrag auf Anordnung von Erzwingungshaft wegen nicht gezahlter Bußgelder gestellt. Das Gericht hat das abgelehnt.
7325 Euro hatte der Betroffene im Jahr 2021 an Strafen angesammelt. Insgesamt sind im Gerichtsbeschluss 17 Ordnungswidrigkeitsanzeigen aufgeführt. Die Summen steigern sich von 25 über 200, 400 und 800 auf 1400 Euro. Schließlich werden 2200 Euro festgesetzt, später noch einmal 1400.
Treffen zum Biertrinken und Verstoß gegen Kontaktregeln
„Nach den Ausführungen in dem gerichtlichen Beschluss hatte sich der Betroffene mit mehreren Personen zum Biertrinken in der Öffentlichkeit getroffen und somit gegen Kontaktverbote der jeweils geltenden Coronaschutzverordnungen verstoßen“, sagt Amtsgerichtssprecher Michael Tebbe.
Es handelt sich den Gerichtsunterlagen nach um einen Mann, der drogenabhängig, obdachlos und auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Er halte sich im „Trinkermilieu“ auf.
Die Erzwingungshaft hält der zuständige Amtsrichter nicht für das geeignete Mittel. „Das Gericht hat die Anträge mit der Begründung abgelehnt, dass der Betroffene nicht zahlungsfähig sei, weil er über keinerlei Einkommen oder Vermögen verfüge“, sagt Michael Tebbe.
Erzwingungshaft ist keine Ersatzfreiheitsstrafe
Im Beschluss ist herausgehoben, dass die Anordnung der Erzwingungshaft den Zweck hat, den Willen eines Unwilligen zu beugen. Sie sei aber keine Ersatzfreiheitsstrafe, die vollstreckt wird, wenn Geldstrafen nicht vollstreckt werden können.
Wörtlich heißt es: „Sinn und Zweck der Erzwingungshaft ist es, einen Zahlungsunwilligen – nicht Zahlungsunfähigen – zur Zahlung einer Geldbuße zu zwingen.“ Der Betroffene aber lebe „von der Hand in den Mund‘“. Teilweise seien auch Bußgelder wegen „Bettelns“ festgesetzt worden.
Weiter heißt es: „Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Betroffenen denn seine Lebensführung bei derart hohen Geldbußen und derart bescheidenen Lebensverhältnissen noch einschränken können soll.“
Bußgelder gegen Obdachlose in Dortmund stehen in der Kritik
Es sei Aufgabe der Ordnungsbehörde, Geldbußen festzulegen, „die unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch einen angemessenen Sanktionscharakter haben“.
Der Beschluss in Dortmund wurde von Aktiven aus der Wohnungslosenarbeit in ganz Deutschland registriert. Viele sehen ihn als Signal gegen die umstrittene Praxis der Stadt Dortmund, zum Teil hohe Bußgelder gegen wohnungslose Menschen zu erheben.
So äußert sich die Stadt Dortmund zum Fall
Das Rechtsamt der Stadt Dortmund teilt elf Tage nach einer Anfrage dieser Redaktion über Stadtsprecher Maximilian Löchter mit: „Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir keine Informationen bezüglich eines konkreten Bußgeldverfahrens mitteilen.“
Die Anordnung einer Erzwingungshaft sei grundsätzlich auch bei „vermögenslosen Personen“ möglich. Es sei zu prüfen, ob jemand tatsächlich zahlungsunfähig oder nur zahlungsunwillig ist.
„Nach der ständigen Rechtsprechung des Landgerichts Dortmund ist in der Regel zumindest die Begleichung der Bußgeldforderung in monatlichen Raten zumutbar, um sich im Ergebnis nicht sanktionslos über Ordnungswidrigkeitentatbestände hinwegsetzen zu können“, sagt Löchter.
Seit 2010 Redakteur in Dortmund, davor im Sport- und Nachrichtengeschäft im gesamten Ruhrgebiet aktiv, Studienabschluss an der Ruhr-Universität Bochum. Ohne Ressortgrenzen immer auf der Suche nach den großen und kleinen Dingen, die Dortmund zu der Stadt machen, die sie ist.
