Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß nimmt für das Foto Platz auf der neuen Bank an der Sonnenstraße, die so gebaut ist, dass keine Obdachlose auf ihr schlafen können.

Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß nimmt für das Foto Platz auf der neuen Bank an der Sonnenstraße, die so gebaut ist, dass keine Obdachlose auf ihr schlafen können. © Thomas Thiel

Erste Bank gegen Obdachlose im Kreuzviertel – Bezirksbürgermeister ist nicht stolz drauf

rnPremiere in Dortmund

Bänke sind beliebte Nachtlager für Obdachlose. Im Kreuzviertel gibt es nun Dortmunds erste Bank, deren Design das verhindert. Sollen Obdachlose aus dem Szene-Viertel vertrieben werden?

Dortmund

, 23.09.2022, 11:05 Uhr / Lesedauer: 3 min

Im Vorbeigehen kann man die Bank leicht übersehen: Sie steht an einem urbanen Nicht-Ort, vor einer mit Graffiti beschmierten Mauer am Rande einer Bahnlinie. Links neben ihr führt eine Fußgängerbrücke über die Schienentrasse der S-Bahn, der Blick auf sie ist meist verstellt durch parkende Autos, die jeden freien Quadratzentimeter Straßenrand im eng besiedelten Kreuzviertel besiedeln.

Dabei ist diese schlichte neue Holzbank gegenüber der Einmündung der Poppeldorfer Straße in die Sonnenstraße etwas Besonderes: Es ist nach Angaben des Tiefbauamts die erste von städtischer Seite aufgestellte Bank in Dortmund, die so gebaut ist, dass Obdachlose nicht auf ihr schlafen können. Das verhindern zwei graue Armlehnen, welche die Bank in drei Sitzflächen unterteilen.

Die Anti-Obdachlosen-Bank an der Sonnenstraße in Dortmunds Kreuzviertel

Die Anti-Obdachlosen-Bank an der Sonnenstraße in Dortmunds Kreuzviertel © Thomas Thiel

Auf einem dieser Plätze sitzt an einem sonnigen Mittag im Spätsommer Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß. Er hat den Platz nur für das Foto eingenommen, er ist nicht stolz auf die neue Bank. Der Grünen-Politiker fühlt sich sichtlich unwohl bei der Vorstellung, dass er mit Dortmunds erster Anti-Obdachlosen-Bank in Verbindung gebracht werden könnte. Dass er seinen Anteil an ihrer Entstehung hatte, will er aber auch nicht leugnen. Er erzählt, wie es dazu kam.

Die Geschichte der Bank, die auch viel über das Kreuzviertel aussagt, ist eng verwoben mit zwei engagierten Quartiers-Bewohnerinnen.

Bänke waren als Quartiers-Treffpunkte gedacht

Die erste Frau in dieser Geschichte heißt Marie Wolf. Die gebürtige Österreicherin und damalige Kreuzviertel-Bewohnerin setzte sich mit ihrem Projekt „Jeder Straße ihre Sitzbank“ erfolgreich dafür ein, dass über das ganze Kreuzviertel verteilt neue Bänke entstehen. Die Idee dahinter: Treffpunkte für die Bewohner des Viertels zu schaffen und Orte, an denen ältere Menschen sich auf dem Weg zu alltäglichen Besorgungen ausruhen können.

Die Stadt setzte die Idee 2020 um. Sie baute 19 neue Bänke auf, unter anderem auch jene an der Sonnenstraße.

Ärger mit „Alkoholkranken“ und Obdachlosem

Die zweite Frau in dieser Geschichte will anonym bleiben. Die direkte Anwohnerin stellte im März 2022 einen Antrag bei der Bezirksvertretung Innenstadt-West, die Bank an der Sonnenstraße Ecke Poppelsdorfer Straße zu entfernen. Der Antrag ist im Online-Informationssystem der Bezirksverwaltung einzusehen, die Antragstellerin bat jedoch darum, ihren Namen aus den Unterlagen zu entfernen.

Anstatt ein Quartiers-Treffpunkt zu sein, mache die Bank nur Ärger, schrieb sie in dem Antrag, etwa durch Lärm und Müll durch „Alkoholkranke“. Im Winter sei die Bank darüber hinaus der Schlafort eines Obdachlosen.

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„Das Urinieren des Herrn an unserer Haustür und dem Garagen-Rolltor war dann sehr unangenehm“, heißt es in dem Schreiben. „Die Vermüllung rund um die Bank ist einfach schaurig, sodass einige Anwohner immer wieder Müll, kaputte Flaschen und Drogen-Nadeln aufsammeln. Es kam mehrfach zu Auseinandersetzungen mit Anwohnern und den Nutzern der Bank.“

Bezirksvertretung einigt sich auf halbgaren Kompromiss

Bezirksbürgermeister Friedrich Fuß setzte die Anfrage auf die Tagesordnung der Bezirksvertretungs-Sitzung Ende April. „Das war eine ganz schwierige Entscheidung“, sagt Fuß im Rückblick über die Beratungen.

Im Stadtteil-Parlament Innenstadt-West gibt es eine grün-rote Mehrheit, die sei den Belangen der Obdachlosen sehr zugewandt, so Fuß: „Die Obdachlosen haben ein schwieriges Schicksal, wir können sie nicht überall vertreiben.“ Doch gleichzeitig habe man auch Verständnis für die Nöte der Anwohner gehabt. „Da schlagen zwei Herzen in der Brust.“

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Am Ende kommt es zu einem etwas halbgaren Kompromiss. „Die Bezirksvertretung nimmt die Eingabe aus der Bürgerschaft zu Kenntnis“, heißt es bewusst neutral im Protokoll der Sitzung.

Der Wunsch nach einer Entfernung der Bank werde zwar abgelehnt, allerdings werde die Verwaltung „gebeten, die Sitzbank mit einer Mittellehne zu versehen, damit ausgeschlossen wird, dass Menschen dort nächtigen.“

Hat das Kreuzviertel ein Problem mit Obdachlosen?

Diesem Wunsch entspricht das Tiefbauamt schließlich Mitte September 2022: Sie tauscht Bank gegen das laut Stadt „nur geringfügig teurere“ Exemplar mit Mittel-Armlehnen aus.

Hat das Kreuzviertel ein Problem mit Obdachlosen? „Nein!“, antwortet Bezirksbürgermeister Fuß, der selbst im Viertel lebt, entschieden. Er sei überrascht gewesen, als er von den Problemen an der Sonnenstraße gehört habe. Es gebe auch keine Feindlichkeit gegenüber Obdachlosen in der Bezirksvertretung, das zeige beispielsweise die Unterstützung des Gasthauses an der Rheinischen Straße.

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Die im Internet geäußerte Sorge der mittlerweile wieder in Österreich lebenden Bank-Befürworterin Marie Wolf, dass die anderen Sitzbänke im Kreuzviertel auch durch Anti-Obdachlosen-Bänke ausgetauscht werden könnten, kann er zerstreuen: „Solche Bänke sind nicht gewünscht.“ Der Austausch an der Sonnenstraße sei eine Einzelentscheidung gewesen, weitergehende Pläne gebe es nicht.

Antragstellerin: Nicht die einzige Bank mit Problemen

Das bestätigt auch die Stadtverwaltung: „Es handelt sich hier um einen Einzelfall“, schreibt das Tiefbauamt. „Aktuell liegen dem Tiefbauamt keine weiteren derartigen Aufträge vor.“

Ob das so bleibt, ist jedoch nicht gewiss: „Auch ist es bekannt, dass diese Sitzbank nicht die einzige Bank im Viertel ist, die diese Problematiken angezogen hat“, behauptet die anonyme Antragstellerin in ihrem Schreiben.

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