Im Kirchlinder Awo-Seniorenzentrum sind Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet worden. Nun wohnen Fremde in dem Zimmer einer Dame, die positiv auf das Virus getestet wurde.

© Stephan Schuetze (Symbolfoto)

„Enteignung“ – Fremder wohnt im Heim-Zimmer von Corona-positiver Oma

rnCoronavirus im Awo-Heim

Eine 94-jährige Bewohnerin des Awo-Seniorenzentrums ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. Darum musste sie ihr gemietetes Zimmer verlassen. Jetzt wohnt dort wer anders.

Kirchlinde

, 18.01.2021, 17:56 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Meine Oma hat so geweint“, sagt Marina Heinrici. Die Enkelin und ihre 94-jährige Großmutter sind bestürzt. Und das nicht, weil Oma positiv auf das Coronavirus getestet wurde.

„An Corona können wir alle erkranken“, sagt Marina Heinrici. Was der Enkelin nicht schmeckt, ist, dass einfach entschieden wurde, dass nun vorübergehend wer anders in dem gemieteten Zimmer im Kirchlinder Awo-Seniorenzentrum lebt.

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Weil die 94-Jährige positiv auf das Coronavirus getestet wurde, musste sie ihr Zimmer verlassen. Am vergangenen Freitag (15. Januar) bekam Marina Heinrici den Anruf aus dem Awo-Seniorenzentrum in Dortmund-Kirchlinde. „Ihre Oma ist positiv getestet worden“, hieß es. Sie müsse nun umziehen. Von der Station 2 geht es auf die Station 3, berichtet die Enkelin.

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Pflegekräfte sagten der Enkelin am Telefon, dass vorübergehend ein gesunder Bewohner in dem Zimmer ihrer Oma wohnt.

Dass Gesunde in den Zimmern von coronaerkrankten Bewohnern leben, bestätigt die Pressesprecherin auf Nachfrage dieser Redaktion.

Dortmunderin lebt seit 2019 im Seniorenzentrum

Dass die 94-Jährige umziehen musste, findet Marina Heinrici an sich richtig. Nur versteht sie nicht, warum nun wer anders in dem gemieteten Zimmer untergebracht wird.

„Wir haben es ihr dort richtig gemütlich gemacht und extra neue Möbel gekauft, weil ihre alten nicht in das kleine Zimmer passten“, erklärt Marina Heinrici im Gespräch mit dieser Redaktion.

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Eine verstellbarer Relax-Sessel steht vor dem Fernseher und natürlich liegen persönliche Dinge wie zum Beispiel Fotoalben in dem Zimmer.

Seit November 2019 lebt die Dame im Seniorenzentrum und damit sei sie auch sehr zufrieden, berichtet die Enkelin. „Ihr gefällt es dort sehr gut. Alle sind sehr freundlich zu ihr.“ Aber dass nun jemand all diese persönlichen Dinge anfassen und benutzen könnte, stört die Familie sehr.

Zimmer ist im Seniorenzentrum gemietet

„Immerhin zahlen wir fast 3000 Euro Miete monatlich für das Zimmer und die Pflege. Dann dürfen wir doch auch entscheiden, wer dort rein darf und wer nicht. Das ist Enteignung“, findet Heinrici.

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Die Enkelin hat ihre Kritik gegenüber den Pflegekräften vor Ort kundgetan. Bis zur Heimleitung habe sie es bisher nicht geschafft (Stand: 18. Januar). „Das ist für uns alle psychischer Stress.“

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Zum Glück zeige die Großmutter keine Symptome. Sie war eine der ersten, die die erste Impfung gegen SARS-CoV2 bekommen habe, berichtet die Enkelin.

Ihren Unmut hat Heinrici auch auf Facebook veröffentlicht. In einem langen Post beschreibt sie die Situation ihrer Oma. Der Post wurde 145 Mal geteilt, 33 User kommentierten den Beitrag (Stand: 18. Januar, 17.30 Uhr).

Auf Anfrage äußert sich das Awo-Seniorenzentrum zu den Corona-Fällen in Kirchlinde. Nachdem zuerst in der vergangenen Woche drei Bewohner des Seniorenzentrums Kirchlinde im Krankenhaus mit PCR-Tests positiv auf das Coronavirus getestet wurden, hat das Gesundheitsamt entschieden, alle Mitarbeitenden und Bewohner zu testen.

„Die Tests, die am vergangenen Donnerstag durchgeführt wurden, ergaben 50 positiv getestete Bewohner und 12 Mitarbeitende“, heißt es in der Stellungnahme.

In einer ersten Mitteilung der Awo waren es sechs Bewohner gewesen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Diese sechs positiven Tests waren die Ergebnisse des Heims selbst.

1929 Schnelltests durchgeführt

„Wir haben seit Mitte Dezember bis heute insgesamt 1929 PoC-Schnelltests bei Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern durchgeführt. Diese waren durchgängig negativ“, so Einrichtungsleiter Peter Boeckel am Montag (18. Januar).

„Wir gehen mittlerweile davon aus, dass die positiven Fälle auf das Weihnachtsfest zurückzuführen sind.“ Die aktuellen Corona-Fälle seien die ersten in der Einrichtung seit neun Monaten.

Die positiv getesteten Bewohner wurden in separate Wohnbereiche verlegt, um einen geschützten Quarantäne-Bereich zu bilden.

„Das hat leider zu kurzfristigen Umzügen geführt, mit denen wir nicht glücklich sind, aber wir haben dies auch getan, um das Infektionsrisiko der nicht betroffenen Bewohner zu minimieren“, so Peter Boeckel.

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Am Mittwoch (20. Januar) werde das Gesundheitsamt erneut Corona-Tests durchführen. Zudem stehe der zweite Impftermin unmittelbar bevor.

„Sollte sich das Infektionsgeschehen nicht verschlimmern, gehen wir davon aus, dass wir in der nächsten Woche damit beginnen können, alle Bewohner wieder in ihre Zimmer zurückziehen zu lassen“, sagt Boeckel.

Jeder positiv getestete Bewohner sei mit seinem Bett, seinem Nachttisch und einigen persönlichen Dingen umgezogen. Die Schränke auf den Zimmern seien verschlossen worden. So wolle die Leitung privates Eigentum schützen.

Gesunde Mitarbeiter verschieben Urlaub

Die infizierten Mitarbeiter wurden durch Kollegen ersetzt, die sich bereit erklärt haben, ihren Urlaub zu verschieben oder freie Tage erst später anzutreten.

Zudem würden Mitarbeitende von Leiharbeitsfirmen eingesetzt, um alle Bewohner auch weiterhin versorgen zu können.