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Endet der Immobilienboom? „Die Zeit der Mini-Zinsen ist wohl vorbei“
Baufinanzierung
Die mit dem Angriffskrieg in der Ukraine erfolgte Zeitenwende hat für viele Häuslebauer Auswirkungen. Die Baufinanzierungen ändern sich gerade. Was bedeutet das für Immobilienkäufer?
Das private Kreditgeschäft der Banken ist in den vergangenen Jahren ständig gewachsen. Das niedrige Zinsniveau machte das Geldleihen attraktiv. Besonders viel Geld leihen sich die Dortmunder für den Hausbau. Sowohl die Sparkasse Dortmund als auch die Dortmunder Volksbank verzeichneten im vergangenen Jahr eine weiter hohe Nachfrage nach Baufinanzierungen.
Die Pandemie, so heißt es übereinstimmend aus beiden Häusern, habe den Wunsch nach Wohneigentum mit Platz für ein Büro und einem Garten verstärkt - trotz deutlich gestiegener Preise. Immer noch gebe es aber zu wenig Angebote auf dem Immobilienmarkt.
Die durchschnittliche Kreditsumme, die für den Immobilienerwerb aufgenommen wird, ist von Jahr zu Jahr immer weiter gestiegen. „Wenn ich mich an meine Anfangszeit bei der Dortmunder Volksbank vor 18 Jahren erinnere“, sagt Jan Nöthe, Leiter der Baufinanzierung bei der Volksbank, „dann haben wir damals Reihenhäuser finanziert, die so etwa 215.000 Euro kosteten. Heute kosten diese Immobilien 400.000 bis 500.000 Euro.
Bauzinsen sind seit Januar um gut ein Prozent gestiegen
Beeinflusst hat diese Verdopplung der Immobilienpreise die Nachfrage nicht, so Jan Nöthe: „Die Nachfrage und damit auch diese Preisentwicklung bei Immobilien wurde ja befeuert durch das niedrige Zinsniveau. Bei einem Zinssatz von durchschnittlich rund einem Prozent bei zehnjähriger Laufzeit konnten sich auch Familien mit moderatem Einkommen eine hohe Finanzierungssumme leisten.“

Jan Nöthe ist Leiter der Baufinanzierung bei der Dortmunder Volksbank. Er sagt: „Wir hatten in den vergangenen Wochen etliche Beratungsgespräche, nach denen Bauwillige ihren Traum vom Eigenheim enttäuscht zurückstellen mussten.“ © Volksbank
Mit den wirtschaftlichen Turbulenzen in der Folge des Krieges in der Ukraine ändert sich das allerdings gerade. „Tatsächlich konnten wir zum Jahresbeginn noch Finanzierungen mit einem Zins von einem Prozent bei einer Zinsbindung für 10 Jahre anbieten“, sagt Jan Nöthe, „jetzt sind wir bei zwei Prozent. Und das kann bei einer Finanzierungssumme für einen Hausbau schon eine monatliche Mehrbelastung von rund 500 Euro ausmachen.“
Das führt zu der Frage: Können sich Familien angesichts der aktuell zu beobachtenden Zinssprünge ihren geplanten Hausbau überhaupt noch leisten? Hört man sich bei den Banken um, dann müssen viele Bauwillige gerade kräftig schlucken. „Wir hatten in den vergangenen Wochen etliche Beratungsgespräche, nach denen Bauwillige ihren Traum vom Eigenheim enttäuscht zurückstellen mussten. Vorher gab es immer noch irgendwelche Lösungsmöglichkeiten. Die gibt es bei diesem Zinssprung jetzt nicht mehr,“ sagt Jan Nöthe.
Zinssprung kann 330 Euro mehr im Monat ausmachen
Luigi Pellecchia, Bereichsleiter des Immobiliencenters bei der Sparkasse Dortmund, stellt das Gleiche fest: „Wir nehmen wahr, dass Kaufinteressierte, die sich vor Kurzem noch eine 400.000-Euro-Immobilie hätten leisten können, jetzt abspringen. Der Zinssprung von gut einem Prozent seit Januar macht viel aus. Damit liegt die Rate beim 400.000-Euro-Darlehen schon knapp 330 Euro im Monat höher als zuvor.“
Sowohl Jan Nöthe als auch Luigi Pellecchia sehen trotzdem vorerst keinen Einbruch kommen. „Die Nachfrage nach Eigentum ist weiter hoch. Kaufen lohnt sich nach wie vor, weil eine Baufinanzierung nicht mehr monatliche Belastung ausmacht als eine Miete“, sagt Luigi Pellecchia. Wie Jan Nöthe erwartet auch er mittelfristig eine weitere Zinssteigerung.

Christian Erber, Niederlassungsleiter der Commerzbank in Dortmund, erwartet trotz gestiegener Zinsen keinen Einbruch bei der Nachfrage nach Immobilien. „Die Erschwinglichkeit von Wohneigentum bleibt im historischen Vergleich hoch“, sagt er. © Commerzbank
Trotzdem, das meint auch Christian Erber, Leiter der Commerzbank-Niederlassung Dortmund, werde die Immobiliennachfrage nicht nachlassen. „Die Zeit der Mini-Zinsen ist wohl vorbei. Der durchschnittliche Hypothekenzins ist aber immer noch so, dass er für viele leistbar ist. Viele sagen sich eher: jetzt noch schnell eine Baufinanzierung abschließen, bevor es noch teurer wird.“
Commerzbank: Wohnimmobilien sind weiter erschwinglich
Zur Erinnerung: 2011 lag der Zinssatz bei zehnjähriger Bindung noch bei vier Prozent. Seitdem erleben wir den längsten Immobilienboom seit Beginn der 70er-Jahre. Während die Preisanstiege der 1970er- und Anfang der 1990er-Jahre jeweils nach rund acht Jahren zu Ende gingen, läuft die derzeitige Preisrallye mittlerweile seit zehn Jahren.
Für Christian Erber wird auch die bisherige Erhöhung der Bauzinsen auf gut zwei Prozent den Immobilienboom nicht stoppen. „Weil die Geldpolitik nach wie vor für den Immobilienmarkt weitaus zu locker ausgerichtet ist“, sagt er. Er verweist auf einen gerade von der Commerzbank berechneten Erschwinglichkeitsindex: „Trotz eines zu erwartenden Zinsanstiegs im laufenden Jahr bleibt die Erschwinglichkeit von Wohnimmobilien im historischen Vergleich hoch.“
Zumal auch noch Anreize durch Förderprogramme für klimaeffektives Bauen zu erwarten seien. „Auch bei Bau oder Renovierung achten immer mehr Kunden auf Nachhaltigkeit“, sagt Christian Erber. Inzwischen sei bereits mehr als jeder vierte Neuabschluss bei der Commerzbank eine „grüne Baufinanzierung“, die einen Zinsrabatt für Energieeffizienz gewähre.
Finanzexperte: 20 Prozent Eigenkapital und 5 Prozent Annuität
Kritisch blickt dagegen der Finanzexperte Boris Fahle, Direktor der Consilium Finanzmanagement AG auf der Stadtkrone-Ost, auf die aktuelle Lage. Für ihn bedeutet die sich abzeichnende Spirale aus Zinssteigerung, Inflation und Baukostensteigerung, dass sich eine normale Familie ihren Traum vom Eigenheim in Dortmund kaum noch wird leisten können.

Für den Finanzexperten Boris Fahle, Direktor der Consilium AG auf der Stadtkrone-Ost, sollten bei einem Immobilienkauf 20 Prozent Eigenkapital vorhanden sein. © Consilium AG/Ursula Doeren
„Die Risiken werden immer größer, sodass es aus meiner Sicht eine wirklich solide Finanzierung braucht. Das heißt, man sollte 20 Prozent Eigenkapital aufbringen können und mit einer Annuität von 5 Prozent rechnen - also 2 Prozent Zinsbelastung und 3 Prozent Tilgung. Der Tilgungsanteil sollte nicht in Vergessenheit geraten. Bei einer Finanzierungssumme von 300.000 Euro bedeutet das eine Belastung von monatlich 1250 Euro. Hinzu kommen die Lebenshaltungskosten, die eine Familie mit zwei Kindern bei etwa 2400 Euro veranschlagen sollte“, so Boris Fahle.
Sehr lange Zinssicherheit ist eine Überlegung wert
Und er weist darauf hin, dass zudem auch noch Rücklagen für Reparaturen gebildet werden sollten. „Und parallel ist auch noch ein Vermögensaufbau für Sondertilgungen zu empfehlen, mit denen man den Kredit schneller abbezahlt bekommt“, so Boris Fahle.
Es gilt also, die Baufinanzierung nicht auf Kante zu nähen und sich vielleicht sogar auch eine Zinssicherheit zu erkaufen, indem man sich eine Finanzierung mit einer 20-jährigen Zinsbindung sichert. Die ist bei einigen Banken möglich.
So solide der Immobilienkauf am Ende aber auch durchkalkuliert ist, Christian Erber von der Commerzbank weiß aus langjähriger Erfahrung, dass ein Risiko immer bleibt. „Das Hauptrisiko“, sagt er, „ist bei Doppelverdienern das Scheidungsrisiko.“
Nach mehreren Stationen in Redaktionen rund um Dortmund bin ich seit dem 1. Juni 2015 in der Stadtredaktion Dortmund tätig. Als gebürtigem Dortmunder liegt mir die Stadt am Herzen. Hier interessieren mich nicht nur der Fußball, sondern auch die Kultur und die Wirtschaft. Seit dem 1. April 2020 arbeite ich in der Stadtredaktion als Wirtschaftsredakteur. In meiner Freizeit treibe ich gern Sport: Laufen, Mountainbike-Fahren, Tischtennis, Badminton. Außerdem bin ich Jazz-Fan, höre aber gerne auch Rockmusik (Springsteen, Clapton, Santana etc.).
