Am schlimmsten sei die Situation am Mittwoch gewesen, morgens um 9 Uhr, als sie das Krankenzimmer betreten habe: „Meine Mutter hat sich vor Schmerzen gekrümmt“, erinnert sich Sylvia Krause (68). Also habe sie Hilfe holen wollen.
Im Ärztezimmer der Station hätten fünf Mediziner gestanden. „Bitte, helfen Sie meiner Mutter, sie hat Schmerzen ohne Ende“, habe sie gerufen. „Aber es hieß nur: ‚Wir sind nicht zuständig.‘“
Sorge bei der Einlieferung
Zu diesem Zeitpunkt lag Sylvia Krauses 86-jährige Mutter schon einige Tage im Knappschaftskrankenhaus Brackel. Direkt am Tag der Einlieferung habe das Drama schon begonnen, ärgert sich die Tochter.
„Sie kam mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus und ich durfte nicht mitfahren. Dann durfte ich nicht zu ihr in die Notaufnahme. Aber sie ist 86 Jahre, kann sich vielleicht nicht richtig artikulieren, da kann ich sie doch nicht alleine lassen.“
Stations-Ärzte nicht zuständig
Den ganzen Tag habe sie nichts gehört, keine Diagnose oder Vermutung, geschweige denn, wie es ihrer Mutter überhaupt gehe. Später habe die 86-Jährige, die vor der Einlieferung über Luftnot und Bauchschmerzen geklagt habe und von ihrem Hausarzt eingewiesen wurde, dann auf der falschen Station gelegen.
„Weil die internistische komplett belegt war, kam sie auf die chirurgische Station“, erklärt Sylvia Krause. Die Ärzte dort seien aber für ihre Mutter nicht zuständig gewesen. „Man musste jedem hinterherlaufen“ - und teils sei das Personal sehr unfreundlich gewesen.
Zwei Wochen ohne Diagnose
Noch nach zwei Wochen habe es keine richtige Diagnose gegeben, nur Vermutungen. Eine davon, aber geäußert auch erst nach über einer Woche: vielleicht doch ein Herzinfarkt?
Das habe sich zum Glück auch als falsch herausgestellt, aber die Schmerzen seien geblieben. Und ohne ärztliche Anweisung hätten die Schwestern und Pfleger ihrer Mutter ja nichts geben dürfen. „Die durften nicht in die Krankenakte schauen“, behauptet Krause.
„Ich renne durchs ganze Haus“
Mittlerweile sei ihre Mutter auf der kardiologischen Station angekommen. Zwischenzeitlich habe sich auch die Pflegedienstleitung sehr für sie eingesetzt. Und es gebe durchaus auch viele nette Mitarbeiter im Knappschaftskrankenhaus.
Aber Krause sagt auch: „Ich renne hier durchs ganze Haus und versuche, die Ärzte zu sprechen.“ Zwischendurch sei sie mit dem Namen eines Mediziners zur Pforte geschickt worden, von wo aus sie sich weiter habe durchfragen sollen.
Was tun ohne Angehörige?
Der Personalmangel sei offensichtlich. Manche Mediziner mit fremden Wurzeln könne sie schon kaum verstehen - wie solle es da erst kranken Senioren gehen? Vor allem: „Was machen ältere Menschen, die keine Angehörigen haben, bei denen sich keiner kümmert? Die vegetieren nur vor sich hin.“
Krause arbeitet normalerweise noch zwei Mal pro Woche. Aber mehrmals habe sie schon absagen müssen - sie wolle doch bei ihrer Mutter sein. Und sie sei sich sicher: Andere Angehörige könnten das nicht so lange.
Angehörige dürfen dabei sein
Zum konkreten Fall dürfe man sich nicht äußern, sagt Susanne Janecke, die Pressesprecherin des Knappschaftskrankenhauses. Man unterliege wie bei allen Patienten der medizinischen Schweigepflicht. Zu den Abläufen und einigen angesprochenen Sachverhalten kann sie aber etwas erläutern.
„Angehörige dürfen die Patienten grundsätzlich in die Notaufnahme begleiten, ein generelles Besuchsverbot gilt hier nicht.“ In bestimmten Situationen bleibe es den Mitarbeitern vor Ort „allerdings vorbehalten, die Angehörigen in den Warteraum zu bitten.“
Information erst an Patienten
Und weiter: „Die ärztliche Information geht grundsätzlich erst einmal an den Patienten oder die Patientin.“ Stimme die Person zu, „werden dann in der Regel auch die Angehörigen informiert“. Sei eine Station voll, „werden Patienten auf einer anderen Station in einem freien Bett untergebracht“.
Für die Behandlung seien allerdings die Ärzte der Station zuständig, auf der der Patient normalerweise liegen würde. Der jeweils behandelnde Arzt sei für Auskünfte „verfügbar – aber natürlich nicht rund um die Uhr vor Ort. Wird ein nicht zuständiger Arzt angesprochen, verweist er folgerichtig auf seinen Kollegen.“
Arzt erst nach einer Stunde da
Sylvia Krause ärgert sich dennoch über solche „Bürokratie“. Wenn da jemand so starke Schmerzen habe wie ihre Mutter an diesem einen Morgen im Bett, müsse doch jeder Arzt sofort helfen.
Doch erst nach einer Stunde oder noch länger sei der behandelnde Arzt da gewesen und habe die 86-Jährige an einen Schmerztropf angeschlossen. Mittlerweile deute Vieles darauf hin, dass es sich um eine Entzündung der Magenschleimhaut handele.
Personalprobleme machen Angst
Dennoch: „Man muss sich um alles selbst kümmern“, ärgert sich Sylvia Krause. Sie macht sich generell Sorgen, dass in Krankenhäusern immer mehr gespart werden müsse, dass Personal fehle, dass das dann auf Kosten der älteren Menschen gehe. Und das bezieht sie nicht nur auf diesen Fall, nicht nur auf dieses Krankenhaus. Nein, das sei ganz generell.
Sie wisse, sie habe den Satz gerade schon einmal gesagt. Aber der sei ihr sehr wichtig: „Was machen denn die Menschen, die keine Angehörige bei sich haben? Werden die einfach liegengelassen?“
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