Das Krankenhauswesen in Deutschland soll sich grundlegend ändern. Am Montag (10.7.) erreichten Bund und Länder nach monatelangen Verhandlungen eine Einigung über die Eckpunkte einer umfassenden Krankenhausreform.
Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und seinen Kollegen in den Bundesländern sollen die Fallpauschalen abgeschafft und durch ein System der Vorhaltepauschalen ersetzt werden, bei denen die Krankenhäuser 60 Prozent der Vergütungen für jene Leistungen bekommen sollen, die sie anbieten - und zwar unabhängig davon, wie sie abgerufen werden.
Nur Kliniken, die bestimmte Qualitätsstandards erfüllen, sollen jene Vergütungspauschalen bekommen. So soll eine Spezialisierung kleinerer Krankenhäuser auf bestimmte Gebiete gefördert werden.
Stefan Haßfeld ist seit Anfang des Jahres medizinischer Geschäftsführer des Klinikums Dortmund. „Das Konzept ist ok, ich sehe den Sinn dahinter“, urteilt er über das Verhandlungsergebnis. „Aber die echten Probleme werden damit nicht angegangen.“
„Das vorgeschlagene System ist sauberer, weil es das Risiko der Übertherapie verringert“, führt Haßfeld weiter aus. „Doch mit all diesen Konzepten ist noch kein Euro mehr im System.“ Und genau das bräuchten Krankenhäuser gerade landauf, landab: mehr Geld.
Klinikum fehlen 35 Millionen
Durch Inflation und Tarifsteigerungen klafft ein dickes Loch in der Bilanz des Klinikums. Schrieb Dortmunds größtes Krankenhaus in den vergangenen Jahren schwarze Zahlen, warnte der inzwischen geschasste Geschäftsführer Marcus Polle bereits Anfang des Jahres für 2023 vor einem Minus von 19 Millionen Euro - eine Größenordnung, von der auch Haßfeld immer noch ausgeht. Für eine „vernünftige Investitionstätigkeit“ bräuchte das Klinikum pro Jahr zusätzlich 30 bis 35 Millionen Euro vom Land NRW.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DGK) sieht derweil einer Insolvenzwelle durch Deutschlands Kliniklandschaft rollen. Bis zu jeder fünften Klinik im Land drohe in den nächsten zehn Jahren die Schließung, prophezeite die DGK im Juni.
Klinikum-Chef glaubt nicht an Kliniksterben
Droht auch Dortmund ein Krankenhaussterben? Klinikums-Geschäftsführer Haßfeld glaubt nicht daran: „Dass ganze Häuser aus Dortmund verschwinden werden, sehe ich nicht“, sagt der Mediziner.
Auch die „Katholische St. Paulus Gesellschaft“ sieht sich für die „anstehende Herausforderung gut aufgestellt“. Zu dem Klinikverbund gehören unter anderem das Johannes-Hospital im Klinikviertel, das Josephs-Hospital in Hörde und das Katholische Krankenhaus Dortmund-West in Lütgendortmund. In den fünf Krankenhäusern in der Paulus-Gesellschaft in Dortmund werden nach Angaben des Unternehmens mehr als 30 Prozent der Patientinnen und Patienten in der Stadt versorgt.

„Das Eckpunktepapier ist nur der erste Schritt zu einer Einigung, die konkrete Umsetzung und der zeitliche Ablauf sind weiterhin unklar“, sagt St.-Paulus-Geschäftsführer Clemens Galuschka. „Wie auch immer die Debatte ausgehen wird, erfordert die zu erwartende Reform erhebliche Investitionen, von denen nicht klar ist, wie sie finanziert werden sollen.“
Die Ungewissheit hinsichtlich der künftigen Krankenhausplanung führe zu Unruhe in der Belegschaft, meint Galuschka. Man erwarte nun schnelle Entscheidungen von der Politik, bevor man Mitarbeitende an andere Branchen verliere.
Dennoch sei man der angedachten Reform, bei der unter anderem eine Spezialisierung kleinerer Kliniken auf bestimmte Felder vorgesehen ist, „aufgeschlossen“ gegenüber: „Auch für die kleineren Krankenhäuser bedeutet die Reform eine Chance.“
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