E-Scooter-Firma verlangt Alkoholtest Der ist sogar nüchtern schwierig - ein Selbstversuch

E-Scooter-Firma Bolt verlangt Alkoholtest - ein Selbstversuch
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Es ist 1.30 Uhr, eine Nacht von Donnerstag auf Freitag - und ich habe gerade einen längeren Reportereinsatz beendet. Nahe dem Stadthaus entdecke ich einen E-Scooter der Firma Bolt, mit dem ich schneller nach Hause komme, als wenn ich laufen würde. Die Bahnen fahren ja eh nicht mehr.

Klar nehme ich den Bolt-Scooter, die App habe ich ohnehin auf dem Smartphone. Wie immer scanne ich den Code auf dem Roller und auf dem Bildschirm des Handys erscheint die Option: Fahrt beginnen. Alles ganz normal. Ich tippe auf die Fläche. Plötzlich öffnet sich ein neues Fenster auf dem Bildschirm.

In dicken Lettern erscheint die Anweisung: „Fahre nur, wenn du nüchtern bist.“ Darunter weist die App darauf hin, dass es illegal und gefährlich ist, ein Fahrzeug unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen zu fahren. „Das kann zu Geldstrafen und schweren Verletzungen führen.“

Ich kann wählen: Betätige ich den „Ich bin nüchtern“-Button oder gehe ich auf „Zurück“. Danke für die Warnung, aber natürlich bin ich nüchtern, schließlich war ich eben noch im Dienst. Ich drücke auf: „Ich bin nüchtern“.

Das Spiel beginnt

Wieder öffnet sich ein neues Fenster: „Teste deine Reaktionszeit“, steht ganz oben in großen Lettern. Und darunter: „Wir messen deine Reaktionszeit mit einem schnellen Spiel, damit du sicher einschätzen kannst, ob du bereit bist, sicher zu fahren.“

Mitten auf dem Bildschirm ist eine grüne Schaltfläche, auf der „Starten“ steht. Wieder darunter eine kurze Erklärung zum Spiel, die ich in dem Moment aber überlese.

Ich wundere mich kurz, weil ich die Funktion nicht kannte, aber denke mir: „Halb so wild, dann mache ich diesen Test eben.“ Ich drücke auf die Schaltfläche „Starten“. Jetzt beginnt das Spiel...

Ein Countdown zählt von drei herunter. Darunter ist die rudimentäre Zeichnung eines offenbar männlichen Gesichts abgebildet. Sieht aus wie: dunkle Haare, massiver Vollbart, zwei Ohren und eine angedeutete Nase.

Der grüne Helm

Ich habe die Erklärung zum Spiel immer noch nicht gelesen und habe keine Ahnung, was zu tun ist. Als der Countdown vorbei ist, passiert für vielleicht zwei Sekunden: gar nichts. Dann bekommt das männliche Gesicht einen grünen Helm aufgesetzt. Über der Zeichnung erscheint die Anweisung „Tippen!“. Ich tippe.

Für ein paar Sekunden erscheint das Gesicht wieder ohne Helm. Dann taucht der Helm erneut auf. Und wieder soll ich tippen. Der Vorgang wiederholt sich ein drittes Mal. Ich tippe. Dann erscheint die ernüchternde Nachricht auf dem Bildschirm: „Deine Reaktionszeit ist zu langsam.“

Darunter rät mir die App, ein Taxi zu nehmen statt den Roller. Ich fluche einmal und drücke auf: „Nochmal spielen“.

Jetzt lese ich während des Countdowns, was die Erklärung verlauten lässt: „Tippe auf das Bild, sobald ein Helm erscheint. Deine Reaktionszeit wird gemessen.“

Alles klar, wird gemacht, denke ich mir. Mittlerweile habe ich überhaupt erst so richtig begriffen, was das hier soll. Dabei wollte ich doch nur schnell nach Hause...

Ein paar Flüche

Aber der Ehrgeiz hat mich gepackt. Neuer Versuch. Noch immer bin ich der Überzeugung, dass ich einfach nur beim ersten Helm schnell genug sein muss. Ich tippe zu früh. Mist! Dann wieder zu spät...

Zweiter Helm: Ich bin zu spät.

Dritter Helm: Ich tippe zu früh.

Ich fluche ein paar Mal. Zwei junge Frauen laufen vorbei und schauen irritiert zu mir herüber.

So sieht die Schaltfläche aus, mit der man das Spiel beginnen kann.
So sieht die Schaltfläche aus, mit der man das Spiel beginnen kann. © Privat

Beim nächsten Versuch scheitere ich erneut. Die App sagt: Reaktionszeit zu langsam. Mensch, ich bin doch nüchtern. Selbstzweifel! Bin ich zu doof, um nüchtern einen Reaktionstest am E-Scooter zu bestehen?

Sehr transparent

Erst jetzt wird mir klar, dass der Test dreiteilig sein muss. Also ist es egal, wie gut und schnell ich beim ersten Helm bin. Es gibt immer einen zweiten und dritten Helm. Das ist der Gamechanger.

Beim erneuten Versuch konzentriere ich mich darauf, bei allen drei Anläufen zeitig zu tippen, sobald der grüne Helm erscheint. Und tatsächlich: Die App meldet, dass ich bestanden habe. „Deine durchschnittliche Reaktionszeit betrug 435 Millisekunden - das ist innerhalb des zulässigen Bereichs“, steht auf dem Bildschirm.

Vielen Dank, sehr transparent! Ich klicke auf „weiter“ und die Fahrt beginnt endlich. Grob geschätzt habe ich dem Spiel fünf Minuten gewidmet. Drei Minuten nach Fahrtbeginn bin ich dann endlich daheim.

Hinweis der Redaktion: Für die Foto- und Videoaufnahmen hat unser Reporter den Test noch einmal gemacht.

  • Den Alkoholtest bei Scootern von Bolt gibt es schon länger. Das Unternehmen informierte im Februar 2022 per Pressemitteilung über die Einführung. „Bolt hat die Funktion in allen 51 Städten eingeführt, in denen seine E-Scooter in Deutschland aktiv sind“, heißt es darin.
  • Das System sei von Donnerstag bis Sonntag jeweils zwischen 22 und 5 Uhr aktiv. Bolt zielt damit auf Zeiten ab, zu denen potenzielle Nutzer am ehesten unter Alkoholeinfluss fahren.
  • Das Unternehmen reagierte nach eigenen Angaben auf zunehmende Berichte über Trunkenheitsfahrten mit E-Scootern. Die Funktion soll helfen alkoholbedingte Unfälle mit E-Scootern zu reduzieren.
  • Bolt ist einer von vier derzeit in Dortmund aktiven E-Scooter-Anbietern.

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