
© Arche90
Drama auf der Weide: Skandalschäfer übergibt zwei halbtote Lämmer im Eimer
Tierschutz
Das Leiden der Lämmer beim „Problemschäfer“ im Dortmunder Nordwesten geht weiter. Lämmchen drohten auf der Weide zu erfrieren. Tierschützer schlagen Alarm. Vor kurzem ist die Situation eskaliert.
Die Helfer der Dortmunder Tierschutzorganisation Arche90 sind im Dauereinsatz, wenn es um die Tiere eines polizeibekannten Wanderschäfers aus Castrop-Rauxel geht. Der 74-Jährige bekommt seit einem Jahr wiederholt Auflagen vom Veterinäramt, weil er seine Schafe und Hunde, die auf Weiden im Dortmunder Nordwesten stehen, stark vernachlässigt.
In Mengede, Schwieringhausen, Ellinghausen und nun wieder in Deusen – auf den von ihm genutzten Weiden gibt es immer wieder Beschwerden von Anwohnern und Tierschützern wegen toter Lämmer und verletzter Tiere. Bei Arche90 heißt der Mann nur noch „der Problem-Schäfer“.
Die unendliche Geschichte erreichte am Sonntag (7.2.) einen neuen traurigen Höhepunkt auf einer Weide mit 55 Schafen an der Deusener Straße. Wie schon im Vorjahr hat der Schäfer zumindest einige seiner Tiere zu früh decken lassen, sodass bis Montag bereits zehn Lämmer im Februar, also in diesen Tagen, auf einer Weide in Deusen geboren wurden.
Sie haben noch kein dichtes Fell und lagen bei klirrender Kälte auf dem Schnee, ohne eine Möglichkeit zum Unterschlupf.
Zwei halbtote Lämmer im Eimer übergeben
Jeden Tag stehen die Tierschützer an der Weide und müssen sich das Elend ansehen. Am Sonntag übergab der Schäfer Arche90 „zwei halbtote Lämmer, übereinander gestapelt in einem Eimer“, berichtet Vereinssprecherin Gabi Bayer. „Ich dachte, die Tiere haben keine Überlebens-Chance“, erzählt sie, „sie waren abgemagert, stark dehydriert und völlig unterkühlt.“
Doch dank des schnellen Eingreifens einer Tierärztin aus Waltrop überlebten die Lämmer. Ihr Zustand hat sich stabilisiert. Ein mit Arche90 befreundeter Schäfer zieht sie mit der Flasche groß.
Doch derweil werden die nächsten Lämmchen geboren. „Ich weiß wirklich nicht, wie die Tiere das überleben sollen“, sagt Gabi Bayer. Der Schäfer überlasse Arche90 die Tiere erst, wenn sie fast tot seien.

Die junge, unerfahrene Kangalhündin geht das Mutterschaf und sein Lamm immer wieder an und beißt auch zu. © Arche90
Als am Sonntag wieder neugeborene Lämmer auf der Wiese lagen, schaukelten sich die Emotionen zwischen Tierschützern und dem vorbeischauenden Schäfer so hoch, dass es zu Handgreiflichkeiten und laut Polizeisprecher Peter Bandermann zu gegenseitigen Anzeigen wegen Körperverletzung kam.
Schon früher Gewalt angedroht
Der Schäfer, der Gabi Bayer und Heike Beckmann von Arche90 schon früher Gewalt angedroht hatte, wenn sie seine Weide beträten, tat das auch am Sonntag.
Dieses Mal aber waren Heiko Pape, Mitglied der Tierschutzpartei in Dortmund und sachkundiger Bürger im Bürgerdiensteausschuss des Rates, sowie ein weiterer Begleiter dabei.
Sie wollten die Lämmer mit ihren Mutterschafen retten, berichtet er: „Es geht schließlich um Leben.“ Wer nun wen zuerst angegriffen habe, werde jetzt von der Polizei ermittelt, so Bandermann.
Arche90 hat wie jedes Mal das Veterinäramt eingeschaltet. Im Laufe des Sonntags, so Stadtsprecher Maximilian Löchter, habe der Schäfer auf Anordnung der Polizei die sechs Lämmer von der Weide genommen. Sie seien jedoch schon so alt (Ende 2020 geboren), dass sie unter den Bedingungen auch draußen bei ihren Müttern am besten aufgehoben gewesen wären.
Die Mutterschafe habe der Schäfer aber auf der Weide stehen lassen, sagt Gabi Bayer. Diese wiederum würden nun nicht abgemolken. Sie hätten deshalb Schmerzen und ihnen drohten Entzündungen am Euter.

Sechs Lämmchen hat der Schäfer schließlich von der Weide geholt, die Mutterschafe aber stehen gelassen. Die leiden jetzt schmerzhaft unter ihrem dicken Euter, der nicht abgemolken wird. © Arche90
Am Montagmorgen lag wieder ein neugeborenes Lamm auf der Weide, berichtet auch Heiko Pape. Normalerweise, sagt er, wärmen sich Schafe in einem Pulk. Das lasse aber eine unerfahrene, sechs Monate alte Kangalhündin nicht zu. Die Herdenschutzhündin treibe die Schafe immer wieder auseinander.
Herdenschutzhund humpelt
Und nicht nur die Schafe leiden. Auch ein weiterer etwa neun Monate alter Kangalrüde humpelte nur noch über die Wiese. Allen Beteiligten ist unverständlich, wieso das Veterinäramt nicht härter durchgreift. „Was muss noch passieren, damit der Mann ein Tierhalteverbot bekommt?“, fragen Gabi Bayer und Heiko Pape.
Das Veterinäramt lässt über Stadtsprecher Löchter mitteilen, dem Schäfer sei bereits im November 2020 per Ordnungsverfügung aufgegeben worden, hochträchtige Schafe für die Lammzeit in einem Stall unterzubringen, oder für die Tiere draußen eine Schutzvorrichtung (Strohmatratze mit Windschutz) zur Geburt einzurichten, die Herde mehrfach täglich zu kontrollieren und einzelne zu früh gebärende Mutterschafe und deren Lämmer innerhalb von drei Stunden in einen Stall zu bringen.
Auch in diesem Jahr sei ein Teil der Schafe ungeplant gedeckt worden, teilt das Amt weiter mit. „Der Tierhalter hat daher die Schafe täglich intensiv zu beobachten und die Tiere, die er als kurz vor der Geburt befindlich ausmachen kann, unverzüglich in seinen Stall zu verbringen.“ Die Anordnungen würden mit Zwangsgeld durchgesetzt und Verstöße geahndet.
Bei den „in einem Eimer“ an die Arche 90 e. V. überbrachten Lämmer habe es sich um Tiere gehandelt, die nicht von ihren Müttern angenommen worden seien, so Stadtsprecher Löchter. Die tierärztliche Untersuchung des humpelnden Herdenschutzhundes sei vom Veterinäramt angeordnet worden.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
