
Volker Kühnrich bringt seine Hotelgäste im Gefängnis unter. © Joscha F. Westerkamp
Dortmunds verrücktestes Hotel: Volker Kühnrich steckt seine Gäste in den Knast
Hotelzimmer der Superlative
Eine Nacht im Knast – das ist in Dortmund tatsächlich möglich, in einem ganz besonderen Hotelzimmer. Wir haben es getestet. Und den Geschäftsführer gefragt: Was hat er sich dabei gedacht?
Kurz kriegen wir Angst. Die Tür geht nicht mehr auf. Jetzt mal ohne Spaß, die Tür geht wirklich nicht mehr auf! Sind wir tatsächlich eingesperrt? Über Nacht? Im Knast? Hilfe!
Zum Glück hat sie dann doch nur geklemmt und wir können uns befreien. Freiheit, nach einer halben Stunde im Knast. Oder zumindest einem Hotelzimmer, das so aussieht. Im „Roadstop Motel“ liegt das, ganz im Dortmunder Süden, nahe der Hohensyburg.

RN-Reporter Joscha F. Westerkamp im Knast-Zimmer. © Joscha F. Westerkamp
Preiswert ist die Übernachtung, mitten im Sommer zahlen wir nur 50 Euro, und eine zweite Person ist direkt im Preis inbegriffen. So günstig ist eine Übernachtung selbst in echten Gefängnissen für den Staat nicht.
Dabei kommt hier alles andere einem echten Knastzimmer echt nahe. Oder zumindest der durch semigute Filme geprägten Vorstellung davon. Was an Komfort eingespart wurde, wird durch Erlebnischarakter wettgemacht – zumindest für jeden, der nichts dagegen hat, wenn der Mitinsasse einen auf dem Klo hört und sieht.
Die Toilette ist direkt im Raum
Denn ein eigenes Badezimmer gibt es hier nicht. „Wir haben bewusst auf einiges verzichtet, was in normalen Hotelzimmern dazugehört“, sagt Roadstop-Geschäftsführer Volker Kühnrich.

Zur Toilette gibt es keine Tür – und nur einen hochklappbaren Sitz, keinen Deckel. © Joscha F. Westerkamp
Das ganze Zimmer ist gerade einmal etwa zehn Quadratmeter groß. Statt eigenem Bad hat es in einem unabgetrennten hinteren Bereich Dusche, Waschbecken und Toilette. Um das direkt abzuhaken: Auch wenn alles bewusst ranzig gehalten ist (der Spiegel hat sogar Rost-Optik), ist es doch angenehm sauber.

Der Rost am Spiegel ist nur Deko. © Joscha F. Westerkamp
Die Toilette liegt direkt neben dem einzigen Fenster des Zimmers, das natürlich mit einem Gitter geschützt ist. Ein schwerer Vorhang dunkelt es in der Nacht ab. Zugegeben, man könnte das Fenster ganz einfach öffnen und daraus flüchten. Sonst würde das die Nacht nach so mancher Sitzung auf dem Klo (das nicht mal einen Deckel hat) wohl auch echt unerträglich machen.
Zur anderen Seite des Zimmers fiele die Flucht schon deutlich schwieriger aus. Vor der normalen Tür, die von außen mit einer vierstelligen Zahlenkombination geschützt ist, befindet sich noch ein massives Gitter, das hochgeht bis zur Decke und das gesamte Zimmer verschließt.

Hinter dem Gitter folgt die echte Zimmertür. © Joscha F. Westerkamp
In dieses Gitter ist eine Tür eingelassen, die mit einem Riegel zu schließen ist. Eher aus dekorativen Zwecken hängt dazu noch ein riesiger Schlüsselbund an der Wand, den man frei im Schloss der Tür drehen kann. Aber: Auch wenn das Gitter im Grunde nicht abgeschlossen werden kann, klemmt der Riegel doch von innen so sehr, dass das Gefühl, eingesperrt zu sein, weitaus realistischer ist, als man meinen könnte.
Der Knastlook ist überall im Zimmer
Doch nicht nur dieses Gitter und der in das winzige Zimmer eingebaute Badbereich macht den Knastlook aus. Es passt einfach alles. Die Wand ist so bemalt, dass sie stark vergilbt wirkt. Daran hängen Bilder, die ehemalige Knastinsassen zeigen. Wer genau hinguckt, erkennt Prominente wieder.
Es gibt einen kleinen Fernseher, einen kleinen Tisch und einen Stuhl. Und das Bett. Es ist ein Hochbett, komplett aus Metallstangen, weniger als einen Meter breit. Wer unten liegt, stößt sich ständig am oberen Bett den Kopf. Wer oben liegt, hat Angst, runterzufallen.
Weil es nichts gibt, was einen vom Runterfallen stoppen würde, bauen wir uns mit einer Decke eine schützende Blockade. Das rettet uns zwar vor dem ein oder anderen Bruch, macht das Bett aber nur noch schmaler.
Und das war dann auch schon das Zimmer. Zehn Quadratmeter sind eben noch weniger als man denkt, insbesondere, wenn der gesamte Badbereich dazu zählt.

Roadstop-Geschäftsführer Volker Kühnrich in seinem Knastzimmer. © Joscha F. Westerkamp
„Wir hatten diesen sehr kleinen Raum und haben überlegt, was wir damit machen könnten“, sagt Volker Kühnrich. „Für einen Putzraum wäre er zu schade gewesen, weil er ein Fenster hat. Da war die erste Idee: Machen wir halt ein Gefängnis rein.“
Noch viele weitere Themenzimmer
Was zuerst völlig absurd klingt, ist letztlich nur Teil eines großen Ganzen, denn: Im Roadstop gibt es noch mehr Hotelzimmer – und die haben alle ein anderes Thema. Zum Beispiel: Direkt neben dem Knast liegt das „Jim Beam“-Zimmer, das hat nicht mal eine eigene Dusche, sondern nur einen großen hölzernen Waschzuber.

Einen eigenen Whirlpool gibt es in der Las Vegas Suite. © Joscha F. Westerkamp
Doch es gibt auch das große Kontrastprogramm, etwa die „Las Vegas Suite“ mit eigenem Whirlpool. „Das ist das beliebteste Zimmer und meist schon Monate im Voraus ausgebucht“, sagt Kühnrich. Der Knast käme aber nur wenig dahinter. Insgesamt sechs verschiedene Räume hat das Hotel, die alle sehr gut ausgelastet seien.
Neben Knast, Jim Beam und Las Vegas gibt es auch einen „Los Angeles White Room“ mit Wasserbett, einen „Harley Campsite“ mit halbem Zelt um das Bett und echtem Teer auf dem Boden sowie das „New York Central Park“-Zimmer, bei dem das Bett von einer Traverse mit diversen Leuchtern umgeben ist.
„Wir hatten diese Räume anfangs einfach über“, so Kühnrich. „Als dann immer mal wieder Gäste nach einem Hotel in der Nähe gefragt haben, haben wir beschlossen: Machen wir doch einfach selbst eins. Im Roadstop machen wir alles ein bisschen anders, also wollten wir auch nicht einfach ganz normale Hotelzimmer haben.“

Eine Ecke des „Harley Campsite“-Zimmers. © Joscha F. Westerkamp
So habe man sich für die Themenzimmer entschieden. Alle sollten, wie auch das Roadstop-Restaurant (das es bereits deutlich länger gibt), etwas mit Amerika zu tun haben. „Dann haben wir uns einfach mit den Geschäftsführern und Gesellschaftern hingesetzt und Ideen aufgeschrieben: Was ist typisch amerikanisch?“
Viele Gäste kommen, nur um einmal im Knast zu sitzen
Heute kämen die meisten Gäste ins Hotel, nur um mal dieses besondere Erlebnis zu haben. „Es gibt überhaupt keine bestimmte Zielgruppe. Auch im Knast ist das ganz bunt gemischt. Viele kommen aber aus einem Umfeld von 50 Kilometern.“ Echte Touristen habe man, schon wegen der dezentralen Lage in Dortmund, weniger.

So sieht es aus im Zimmer „New York Central Park“ © Joscha F. Westerkamp
Doch es habe sich auch schon mal ein Geschäftsmann in den Knast verirrt, erzählt Kühnrich. „Der hat über ein Buchungsportal im Internet reserviert, wo es leider für uns technisch ein bisschen schwierig ist, das Hotel richtig darzustellen, weil wir sehr viel in vorgegebene Kategorien eintragen müssen.“
Der Gast sei sich dann gar nicht so genau bewusst gewesen, was er da eigentlich gebucht habe. „Als er auf einmal das Zimmer gesehen hat, dachte er zuerst, wir wollten ihn verarschen. Aber er hat es mit viel Humor genommen.“
Auch Gutscheine für die Zimmer würden immer wieder gerne verschenkt. „Ich glaube, dass das Knastzimmer viele mit einem Augenzwinkern verschenken. Wenn hier eine Hochzeitsgesellschaft ist, heißt es schon mal: Und die Schwiegermutter kommt in den Knast.“
Dortmunds Hotelzimmer der Superlative
In dieser Mini-Serie stellen wir ganz besondere Dortmunder Hotelzimmer vor. Zuerst übernachten wir testweise als normaler Gast im Zimmer – dann kontaktieren wir die Betreiber.Gebürtiger Ostwestfale, jetzt Dortmunder. In der zehnten Klasse mit Journalismus und Fotografie angefangen. Liebt es, mit Sprache zu jonglieren – so sehr, dass er nun schon zwei Bücher übers Jonglieren geschrieben hat.