Reporter Joscha F. Westerkamp hat eine Nacht im billigsten Hotel Dortmunds übernachtet.

Reporter Joscha F. Westerkamp hat eine Nacht im billigsten Hotel Dortmunds übernachtet. © Joscha F. Westerkamp

Eine Nacht im billigsten Hotelzimmer Dortmunds: Wie sauber ist es?

rnHotelzimmer der Superlative

Wir haben eine Nacht in Dortmunds billigstem Hotelzimmer verbracht – und dabei gründlicher nach Schmutz geguckt als viele vor uns. Wie sauber ist es? Und wie gut schläft man dort?

Dortmund

, 11.09.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Ängste hat man ja so einige, wenn man für eine Nacht im billigsten Hotelzimmer Dortmunds übernachten soll. Fadenpilze, Silberfischchen, Bettläuse schwirren einem im Kopf rum. Und man hofft, dass sie auch da bleiben. Das sind doch bestimmt alles nur Vorurteile?

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Durchaus annehmend, dass wohl die meisten Sorgen übertrieben sind (und dennoch das Schlimmste befürchtend), legen wir unsere Check-in-Zeit so spät wie möglich. Bis 22 Uhr muss man angekommen sein, wir sind knapp eine Stunde eher da. Nicht noch später, weil wir nicht riskieren wollten, zu spät zu kommen.

Hotel liegt zwischen Marten und Lütgendortmund

Denn das Hotel liegt, um das mal so auszudrücken, nicht gerade in einer Toplage. Es liegt an der Ortsteilgrenze zwischen Marten und Lütgendortmund, unweit vom S-Bahn-Halt Germania.

Erster Eindruck, als wir das Hotel sehen: Die Bilder im Internet sind noch beschönigend. Die Fassade bröckelt schon an einigen Stellen, an der „HOTEL“-Schrift ist das halbe H abgebrochen und auf dem Schild darunter steht ein ganz anderer Hotelname als auf unserer Buchungsbestätigung.

So sieht das Hotel von außen aus.

So sieht das Hotel von außen aus. © Joscha F. Westerkamp

Die Rezeption ist bereits geschlossen. Ein Papierschild an der Tür weist uns zu einem Nachteingang im Hinterhof. Auch eine Handynummer steht dort, die wir anrufen sollen. Im dritten Versuch geht ein freundlicher Herr dran. Es ist Jajeer Anton Jesuthascon, seit letztem Jahr Inhaber des Hotels, wie wir später erfahren sollen. Seitdem hieße es „GT Hotel“, zuvor war es noch das „Ashok Hotel“, wie es auch vor der Tür steht.

Ein neues Schild sprenge den finanziellen Rahmen gerade einfach, so Pathmanathan Ashok, der nach wie vor Eigentümer des Gebäudes und übrigens der Cousin der Frau des jetzigen Inhabers sei (er habe das Hotel nicht aus der Familie geben wollen).

Statt Rezeption werden wir im Hinterhof abgeholt

Etwa zehn Minuten nach unserer Ankunft holt uns der Inhaber im Hinterhof ab, bringt uns in unser Zimmer und überreicht die Schlüsselkarte. Das ist mehr Service als in so manchen Viersterne-Hotels. Auschecken bräuchten wir morgen auch nicht: einfach Karte im Zimmer liegen lassen und tschüss.

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Das Zimmer wirkt dann auf den ersten Blick auch fast schon zu okay für das billigste der Stadt. Handtücher liegen auf dem Bett bereit, im Badezimmer hängen die Hotel-typischen Alles-in-einem-Duschgels. Kein Schimmel zu sehen. Im Zimmer ist sogar ein kleiner Fernseher, an der Wand hängen Klee und Kandinsky. Eins der Gemälde hat zwar schon einen Riss im Glas, aber wen stört das schon.

Das ganze Hotel hat nur Raucherzimmer, das hatte uns im Vorhinein einige Sorgen bereitet. Rauchgeruch in den Wänden, Rauchergeruch in Decken und in Handtüchern. Das ist nicht gerade, was einen als absoluter Nicht-Raucher erfreut. Doch jetzt fällt uns erst ganz spät am Abend auf: Hey, das Zimmer riecht ja überhaupt nicht nach Rauch.

Im Laufe des Abends fällt dann allerdings doch so einiges auf, was weniger positiv ist. Auf der Toilette befindet sich ein Schmierfilm: Ob Überreste von Reinigungsmitteln oder eher das genaue Gegenteil, wissen wir nicht. Auf der Heizung liegt ein verklumpter Seifenbrocken. Am Waschbecken befinden sich allerhand Flecken, denen wir nicht weiter nachgehen.

Auf dem Nachttisch liegt ein ausgespuckter Kaugummi

Auf dem Nachttisch liegt, direkt neben der Nachttischlampe, ein sehr großes Stück Staub. Denken wir zumindest. Später stellen wir fest, dass es sich um einen ausgespuckten Kaugummi handelt. Hm …

Dann wagen wir den Blick unters Bett. Zwischen reichlich Staub liegt ein bisschen Müll, eine leere Colaflasche und ein Honigglas. Als wir später die Handtücher vom Nachttisch nehmen, entdecken wir darunter einen grünen Fleck. Schnell legen wir die Handtücher wieder zurück. Gucken noch ein bisschen fern (WLAN haben die Zimmer nicht), und gehen dann schlafen.

So sieht das Bett im Zimmer aus.

So sieht das Bett im Zimmer aus. © Joscha F. Westerkamp

Das Bett ist wirklich sehr, sehr weich, vielleicht ein bisschen zu sehr. Es quietscht jedes Mal, wenn wir uns wenden, ist ansonsten aber in Ordnung. Ziemlich dünn müssen allerdings die Zimmerwände sein, alles ist wahnsinnig hellhörig. Man hört, wenn der Nachbar duscht, sich Leute vor der Tür unterhalten, und es ist ganz unfassbar laut, wenn ein Zug vorbeirattert. Doch wir schlafen gut, und, wie wir zwei Wochen später auch sicher sagen können, frei von Läusen.

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42 Euro hat die Übernachtung gekostet, gemessen haben wir den Preis über das Buchungsportal Booking.com. Ob es außerhalb der Plattform nicht doch noch ein günstigeres Hotelzimmer gibt, können wir nicht garantieren. Aber auch die Betreiber des Hotels kennen keinen günstigeren Konkurrenten.

„An einzelnen Tagen gehen bei anderen die Preise runter. Es war einmal sogar Unique günstiger als wir, das hat uns sehr überrascht. Aber das ist dann nur im letzten Moment, so konstant wissen wir von keinem, der so günstig ist wie wir“, sagt Pathmanathan Ashok.

Betreiber: Sie sparen am Service und der Reinigung

Wie schaffen sie es, das günstigste Zimmer der Stadt anzubieten? Ashok: „Wir haben an Service eingespart, den andere anbieten. Wenn Gäste drei, vier Tage bleiben, wechseln wir die Bettwäsche und reinigen das Zimmer zwischendurch zum Beispiel nur, wenn sie darum bitten.“

Auch an Personal spare man. Es gebe momentan nur einen einzigen Mitarbeiter auf Teilzeit. Der Inhaber reinige die Zimmer selbst (31 habe das Hotel insgesamt) und übernehme auch fast alle anfallenden Reparaturen. Zur Rezeption komme er nach kurzem Anruf. „Vor Corona hatten wir noch elf Mitarbeiter. Die mussten wir alle entlassen.“

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Ashok habe Glück, dass ihm das Gebäude gehöre, sagt er. „Dadurch, dass wir keine Pacht zahlen müssen, bleiben die Fixkosten sehr gering. So kann man das Objekt zumindest am Leben halten.“ Ob man selbst davon leben könne, sei eine andere Frage. Seit 2009 sei der Preis nicht erhöht worden, das zu halten werde für sie immer schwieriger. 35 Euro koste eine Übernachtung, wenn man es bei ihnen direkt buche – wer mehrere Nächte bleibt, kriege es sogar für 30.

Das meiste wird nur alle drei bis sechs Wochen geputzt

„Wer 35 Euro pro Nacht zahlt, soll ein frisch bezogenes Bett und ein sauberes Bad haben. Alles Weitere reinigen wir nur alle drei bis sechs Wochen.“ Irgendwo müsse man nun mal sparen, sagt er, für diesen Preis. „Für eine gründliche Reinigung der Zimmer bräuchte man 20 bis 30 Minuten. Selbst bei Mindestlohn könnten wir dann den Preis nicht mehr anbieten.“

So sieht das Badezimmer aus.

So sieht das Badezimmer aus. © Joscha F. Westerkamp

Ihre Zielgruppe seien keine Touristen. „Hier übernachten überwiegend Monteure, viele osteuropäischer Herkunft. Da ist unsere Lage sogar auch eher von Vorteil. Die kommen mit großen Autos. Wir haben Autobahnnähe und Platz zum Parken. Außerdem können sie sich nach der Arbeit einfach mit ein paar Stühlen bei uns in den Hof setzen. Das ist bei schickeren Hotels nicht üblich.“

Und, das wichtigste: „Unsere Gäste wissen, wie sauber es bei uns ist. Das sieht man ja schon an den Bewertungen und Bildern im Internet. Aber bei dem Preis ist das für die okay.“

Serie

Dortmunds Hotelzimmer der Superlative

In dieser Mini-Serie stellen wir ganz besondere Dortmunder Hotelzimmer vor. Zuerst übernachten wir testweise als normaler Gast im Zimmer – dann kontaktieren wir die Betreiber.