„Wir wollen die Dealer arbeitslos machen“ Dortmunder Rat liefert sich Schlagabtausch um Cannabis

Schlagabtausch um Cannabis: „Wir wollen die Dealer arbeitslos machen“
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Soll Dortmund mitmachen? Soll sich die Stadt tatsächlich als Modellkommune bewerben, in der lizenzierte Geschäfte Cannabis legal verkaufen dürfen? Die Berliner Ampelkoalition will das möglich machen. Begrenzt für fünf Jahre und wissenschaftlich begleitet.

„Regionales Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten“ ist das in Aussicht gestellte Projekt überschrieben. Heißt: Es soll Unternehmen geben, die Cannabis herstellen, liefern und an Konsumenten verkaufen. Gut oder schlecht für Dortmund?

Am Donnerstag (11.5.) im Rat prallten die Gegensätze aufeinander. Eine breite Mehrheit aus SPD, Grünen, Linke+, Die Partei sowie FDP/Bürgerliste hatte den Antrag vorgelegt, die Stadt möge sich - analog zu anderen Städten -, beim Berliner Gesundheitsministerium bewerben. In den Reihen von CDU und AfD wurden die Köpfe geschüttelt; unabhängig voneinander.

Dominik De Marco (SPD) warb als erster Redner für einen Versuch in Dortmund. Durch einen kontrollierten Verkauf werde die Qualität des Cannabis gesichert und die Gesundheit der Konsumenten besser geschützt. „Die alte Cannabis-Politik ist gescheitert“, sagte De Marco. Es gehe auch darum, zu entkriminalisieren und die Polizei zu entlasten. Allerdings dürfe man Cannabis nicht unterschätzen. Weshalb es flankierend Informations- und Beratungsangebote geben soll.

„Es gibt kein Bürgerrecht auf Rausch“

„Wir sind noch nie weiter gekommen, indem wir etwas verboten haben“, merkte Grünen-Fraktionssprecher Christoph Neumann in Sachen Drogen an - womit er beispielsweise auch Alkohol meinte. „Cannabis rauchen ist in der Gesellschaft ohnehin längst breit verankert“, assistierte Utz Kowalewski, Fraktionschef von Linke+.

Ein deutliches „Nein“ kam von Thomas Bahr. „Es gibt kein Bürgerrecht auf Rausch“, befand der sozialpolitische Sprecher der CDU. Wie viel Cannabis-Konsumenten würden in Kliniken stationär behandelt? „Wie viele Menschen haben sich durch Cannabis um ihre Zukunft gebracht?“, fragte Bahr.

Er verwies auf die Bundesärztekammer, die eindringlich vor einer Verharmlosung warne. Dortmund dürfe nicht zum „Forschungslabor für die Auswirkungen von kommerziellen Lieferketten auf den Gesundheits-und Jugendschutz und auf den Schwarzmarkt werden“, so die CDU. Sie fürchtet um den Ruf der Stadt Dortmund - die ohnehin schon als Hochburg von Koks-Konsumenten gelte.

„Gekifft wird am Ende sowieso“

Olaf Schlösser, Fraktionschef von „Die Partei", griff die Bedenken in humoristisch-satirischer Weise auf. Er malte aus, dass „Touristen aus aller Welt nach Dortmund kommen“, um sich an Cannabis-Produkten verschiedenster Art zu erfreuen.

Weniger humvorvoll zeigte sich AfD-Fraktionschef Heiner Garbe. Als Modellkommune für Cannabis werde die Drogenproblematik nur vergrößert, sagte er voraus. „Der Staat als Dealer?“, fragte Garbe süffisant - und unterstellte dem „Cannabis-Bündnis“ im Rat, Punkte bei der jüngeren Wählerschaft machen zu wollen.

Vielleicht gibt es ja wirklich kein Bürgerrecht auf Rausch, wie CDU-Mann Bahr gesagt hatte. „Dafür gibt es aber Recht der mündigen Bürger, selber über sich und ihren Körper zu entscheiden“, gab Michael Kauch zu bedenken, erster Mann bei der FDP/Bürgerliste. „Wir wollen die Dealer arbeitslos machen“, sagte Kauch.

Sie rauche nicht und habe auch mit Cannabis nichts zu tun, bekannte Jenny Brunner, Sozialpolitikerin der Grünen. Aber auch sie betonte: Es gehe darum, Konsumenten besser zu schützen und zu entkriminalisieren. Zudem verwies sie auf steigende Einnahmen des Staates durch Cannabis-Verkauf. „Gekifft wird am Ende sowie, ob legal oder illegal“, so Brunner.

Da die Ratsmehrheit für die Bewerbung Dortmunds als Modellkommune von Anfang an feststand, war das Ergebnis keine große Überraschung mehr: Die Stadtverwaltung ist nun aufgefordert, eine Bewerbung anzumelden. Ein erster Schritt. Ob Dortmund am Ende tatsächlich mitmacht, wird später entschieden. Wenn die Details des Cannabis-Gesetzes vorliegen, das SPD-Gesundheitsminister Lauterbach angekündigt hat.

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