Beim Trauermarrsch für Siegfried Borchardt trafen sich im Herbst 500 Neonazis in Dortmund. © Robin Albers
Verfassungsschutz-Bericht
Mitglieder „mit Strahlkraft“ weg - Wie steht es um Dortmunds Neonazi-Szene?
Wie steht es um die Neonazi-Szene in Dortmund? Der Verfassungsschutz hat eine eindeutige Einschätzung, die Polizei nennt Zahlen. Und einen Anlass, bei dem sich viele Rechtsextreme hier trafen.
Ein „Sammelbecken für Neonazis“ bleibe sie – in Dortmund wie in wenigen anderen Städten in NRW. In der aktuellen Ausgabe des Verfassungsschutzes, die NRW-Innenminister Herbert Reul am Freitag in Düsseldorf vorgestellt hat, kommt die Partei „Die Rechte“ weiterhin vor. Allerdings fällt die Einschätzung nun anders aus als noch vor einigen Jahren.
Wobei: In wieweit trifft der Begriff „Partei“ überhaupt zu? Juristisch tut er das, aber auch inhaltlich? „Die meisten Mitglieder dürften ihre Organisation weiterhin nicht als Partei begreifen“, so der Verfassungsschutz: „Hauptsächlich geht es den Aktivisten darum, ihre ‚Erlebniswelt Rechtsextremismus‘ vor staatlichen Repressionsmaßnahmen zu schützen.“
Eindeutige, aber nicht strafbare Bedrohungen
Das Verbreiten von „neonazistischer Propaganda“ und die rechtsextremen Aktivitäten würden hier „im Schutz des sogenannten Parteienprivilegs“ betrieben. Der NRW-Landesverband dominiere die ganze Bundespartei, die indes bei den Bundestagswahlen nicht antrat, nicht einmal mit einer Landesliste in Nordrhein-Westfalen. Stattdessen nennt der Verfassungsschutz die „aggressiv-kämpferischer Weise“, mit der die Mitglieder auftreten würden.
Das Ziel: „die von ihnen ausgemachten Gegner der Partei einzuschüchtern“. Durch Bedrohungen, die eindeutig sind, aber in der Regel „unterhalb der Grenze der Strafbarkeit“. Betroffen seien „Politiker, Journalisten und Bürger, die sich kritisch mit ‚Die Rechte‘ auseinandersetzen, sowie Behördenmitarbeiter, die im Sinne der wehrhaften Demokratie repressive Maßnahmen gegen Rechtsextremisten veranlassen“.
Verfassungsschutz schaute bei Beerdigung genau hin
Deshalb unterliege die Partei der nachrichtendienstlichen Beobachtung. Der Verfassungsschutz spricht von „rund 80 mobilisierbaren Anhängern“, aber auch von einer deutlichen Schwächung, von „nachlassender Aktionsfähigkeit“. Grund sei einerseits der Wegzug von führenden Köpfen wie Michael Brück und Christoph Drewer, andererseits aber auch der Tod von Siegfried Borchardt im Oktober 2021.
Borchardt war seit Jahrzehnten bundesweit bekannt und zuletzt Kreis-Chef von „Die Rechte“. Nach seinem Tod sei „eine Person mit vergleichbarer Strahlkraft in die rechtsextremistische Szene derzeit im Dortmunder Kreisverband nicht vorhanden“. Deshalb schaute der Verfassungsschutz auch bei der Beerdigung genau hin.
Nicht nur Mitglieder von Die Rechte und NPD nahmen an Trauermarsch und Beerdigung teil. Auch Mitglieder verbotener Neonazi-Gruppen waren in Dortmund. © Stephan Schütze
Mitglieder von verbotener Neonazi-Gruppe dabei
„Zahlreiche Neonazis“ seien dort gewesen, ein NPD-Funktionär war einer der Fahnenträger. Auch unter den Gästen: Mitglieder von „Combat 18“. Der Name dieser verbotenen Organisation setzt sich zusammen aus dem englischen Begriff für „Kampf“ und den Initialen Adolf Hitlers. In dieser Woche gab es eine deutschlandweite Razzia gegen Mitglieder, auch in Dortmund und Castrop-Rauxel.
Die Zahl der polizeibekannten rechtsextremen Straftaten indes ging weiter zurück, wie die Dortmunder Polizei ebenfalls am Freitag mitteilte. 2020 seien es noch 203 gewesen, 2021 dann 183, also knapp zehn Prozent weniger. Den Höchststand hatte es 2015 gegeben, mit seinerzeit mehr als 400.
Deutlich weniger Gewaltdelikte als noch vor Jahren
Noch stärker gesunken ist in derselben Zeit die Zahl der Gewaltdelikte: von 49 (2015) über 13 (2020) auf zuletzt 7 (2021). Die Polizei führt das auf den Erfolg der Soko Rechts zurück, der in Dutzende Gerichtsverhandlungen gemündet sei. Die wiederum hätten zu „insgesamt 34 Jahren Haftstrafen von Rechtsextremisten“ geführt.
Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange unterstreicht: „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus bleibt deshalb weiter ein strategischer Schwerpunkt. Null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus in all seinen widerwärtigen Formen.“
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