Dortmunder Ladesäulen-Hersteller meldet Insolvenz an Große Sorge um Compleo

Dortmunder Ladesäulen-Hersteller meldet Insolvenz an: Große Sorge um Compleo
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Der Kursverfall der Aktie säte schon seit Längerem Zweifel an einer erfolgreichen Zukunft des Dortmunder Ladesäulenherstellers Compleo. Das Eingeständnis eigener Fehler in der rasanten Wachstumsphase und die Entlassung von Mitarbeitern an den Standorten in Ostwestfalen taten ihr Übriges.

Jetzt wird Compleo Anträge zu einer Insolvenz in Eigenverwaltung stellen. Betroffen davon sind die Compleo Charging Solutions AG und die Compleo Charging Technologies GmbH. Das zeigte das börsennotierte Unternehmen selbst an.

In Dortmund sind bei Compleo, das seinen Hauptsitz an der Oberste-Wilms-Straße in Brackel hat, rund 500 Männer und Frauen beschäftigt. Andere Tochtergesellschaften von Compleo sind derzeit nicht von der Antragsstellung betroffen.

Prozesse verschlanken

Viel wurde versucht, um Compleo, das mit seinem Börsengang im Sommer 2020 viel Aufsehen erregte und sogar Thema in den ARD-Tagesthemen war, in der Erfolgsspur zu halten. In den vergangenen sechs Wochen, in denen ein neuer Vorstand im Amt ist, seien bereits viele Maßnahmen eingeleitet worden, um das Unternehmen auf eine solide Basis zu stellen, wird erklärt. „Unter anderem haben wir damit begonnen, Prozesse sowie das Produktportfolio zu verschlanken und die Organisation zu restrukturieren“, so Finanzvorstand Peter Hamela.

Am 1. November dieses Jahres übernahm Jörg Lohr als neuer Vorstandschef das Ruder bei Compleo. „Seitdem bin ich eigentlich ununterbrochen in Investorengesprächen“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Obwohl die zuletzt eingegangenen Großaufträge der Telekom-Tochter Comfort Charge oder der Berliner Stadtwerke bei den Gesprächen sehr geholfen hätten, habe die Zeit einfach nicht gereicht, um das nötige Geld locker zu machen.

Zahlungsunfähigkeit droht

Was eben nicht erreicht wurde, ist, dass Compleo nach den Zukäufen der Wallbe GmbH (Hersteller von Wallboxen für das Laden von E-Autos in der Garage) oder der Eon-Tochter Innogy eMobility Solutions GmbH wirtschaftlich arbeitet. Es wurde, wie Jörg Lohr sagt, mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Jetzt ist der Vorstand „aufgrund erhaltener Informationen über den Stand der Verhandlungsgespräche mit potentiellen Investoren und Stakeholdern zu dem Ergebnis gekommen, dass (...) eine kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher Finanzierungsmittel nicht mehr mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu einem erfolgreichen Abschluss führen werde“, heißt es in der Compleo-Mitteilung.

Ladesäulen werden für die E-Mobilität gebraucht und die Branche verzeichnet ein 30-prozentiges Wachstum. Davon hofft man auch bei Compleo nach einer erfolgreichen Neuaufstellung profitieren zu können.
Ladesäulen werden für die E-Mobilität gebraucht und die Branche verzeichnet ein 30-prozentiges Wachstum. Davon hofft man auch bei Compleo nach einer erfolgreichen Neuaufstellung profitieren zu können. © dpa

Vor diesem Hintergrund, so ist dort weiter zu lesen, sieht der Vorstand „die positive Fortführung des Unternehmens nicht mehr als überwiegend wahrscheinlich an und wird aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit kurzfristig Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung stellen.“ Diese Mitteilung sorgte dafür, dass die nach dem Börsengang mal auf über 100 Euro gesprungene Aktie auf unter einen Euro abstürzte. Begleitet von drastischen Kommentaren im Netz, wo Compleo unter anderem als „Rohrkrepierer“ bezeichnet wurde. Auf ein Comeback des Unternehmens mag man dort nicht wetten.

Gehälter werden weitergezahlt

Das Unternehmen soll aber im Rahmen des Insolvenzverfahrens nun unverändert von CEO Jörg Lohr und CFO Peter Hamela fortgeführt werden. „Die Produktion von Ladestationen läuft wie geplant weiter. Wir zielen darauf ab, die seit Wochen angeschobenen Restrukturierungsprozesse weiter voranzutreiben, um den Fortbestand des Unternehmens sowie den Erhalt der Arbeitsplätze abzusichern. Das ist nicht das Ende von Compleo“, sagt Jörg Lohr.

„Wir hätten kurz vor den Festtagen gerne eine andere Nachricht übermittelt. Leider ist uns dies angesichts des zu kurzen Zeitfensters nicht gelungen“, ergänzt er. „Wir sind aber zuversichtlich, dass wir im neuen Jahr die nötigen Finanzierungen erhalten. Es braucht nur etwas mehr Zeit“, so Lohr und verweist auf die guten Marktdaten, die ein 30-prozentiges Wachstum für die Branche ausweisen: „Die Infrastruktur für Elektro-Mobilität wächst. Die Voraussetzungen, dass es weitergeht, sind für Compleo gut.“

„Es ist sichergestellt, dass die Gehälter weitergezahlt werden. Den Turnaround bekommen wir nur mit der Belegschaft hin“, betont Jörg Lohr. Die nächsten drei Monate seien entscheidend. Personalentlassungen will er zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, sie seien aber „das allerletzte Mittel.“

  • Die Compleo Charging Solutions AG entwickelt, produziert und vertreibt Lade-Lösungen für Elektrofahrzeuge. Zu den Kunden zählen mehrere deutsche Großkonzerne wie Siemens und die Deutsche Telekom sowie mehr als 300 Stadtwerke.
  • Das Unternehmen unterstützt seine Geschäftskunden mit seinen Ladetechnologien sowie seinen Ladestationen, der Software der Ladeinfrastruktur und bei Bedarf auch bei der Planung, Installation, Wartung und dem Service. Das Angebot von Compleo umfasst sowohl AC- als auch DC-Ladestationen. DC-Ladesäulen von Compleo sind nach eigenen Angaben die ersten eichrechtskonformen DC-Ladestationen im Markt.
  • Compleo ging aus einem Elektrobetrieb in Lünen hervor und startete 2009 die Produktion der ersten Ladestationen. Das Unternehmen beschäftigt zurzeit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Compleo ist im Segment Prime Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet.

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