Gäste und Angestellte wollten sich nach dem Ende der Marlene Bar ein Andenken an die Bar sichern. Bei einer Auktion kamen knapp 6000 Euro für einen guten Zweck zusammen.

© privat

Wrestling, Liebe und viel Schweiß: Gäste erinnern sich an die Marlene Bar

rnEnde für Kult-Disco

Wir haben mit Menschen gesprochen, die sich ein Erinnerungsstück an die Marlene Bar gesichert haben. Sie erzählen von Realitätsflucht, künstlerischen Liebesbekundungen und taumelnden Gästen.

Dortmund

, 14.08.2021, 17:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Tobias Heitmann muss schlucken, um den Kloß im Hals ein wenig beiseitezuschieben. Vor seinen Augen wird seine Marlene Bar, die an Wochenenden aus allen Nähten platze, immer leerer. „Wenn man hier steht und das sieht, ist das schon hart“, sagt Heitmann. Nach und nach tragen ehemalige Gäste und Mitarbeiter das Inventar des kleinen Clubs, das sie ersteigert haben, heraus. Es sind Teile, an denen viele Erinnerungen hängen.

„Hier sind einige Beziehungen entstanden, sicherlich ist aber auch die ein oder andere wegen der Marlene zerbrochen“, sagt Heitmann und lacht. Wer etwas ersteigert hat, bekam einen letzten Abend in der Marlene. Für viele schon Grund genug, aber wir wollten genauer wissen, warum sie sich ein Erinnerungsstück gesichert haben und was sie mit der Marlene Bar verbinden.

Sie erzählen Geschichten von künstlerischen Liebesbekundungen, Wrestlingmasken, Realitätsflucht, taumelnden Gästen und schwitzigen Sommern.

Jetzt lesen

Christopher Messina – Schirmlampe

Christopher Messina hat sich und seine Frau auf einer Stehlampe verewigt, die auf dem Tresen der Marlene Bar stand. "Da hätte mich auch niemand überbieten können", sagt er.

Christopher Messina hat sich und seine Frau auf einer Stehlampe verewigt, die auf dem Tresen der Marlene Bar stand. "Da hätte mich auch keiner überbieten können", sagt er. © Lukas Wittland

„Die Marlene war damals die Stammkneipe von mir und meinen Kumpels. Wir waren fast jedes Wochenende hier. Meine heutige Frau hat früher hier gearbeitet, und wir haben uns ungefähr für ein Jahr jedes Wochenende gesehen – ich als Gast, sie als Mitarbeiterin. Wir haben dann nach kurzer Zeit die Lampe, die auf der Bar stand, mit einem großen Herzen und unseren Namen verziert. Wir haben heute auch eine gemeinsame Tochter. Das war der Grund, weshalb ich die Lampe ersteigert habe. Da hätte mich auch niemand überbieten können.“

Jürgen Tolksdorf – DJ-Pult

Jürgen Tolksdorf hat ab und an in der Marlene Bar aufgelegt und hat deshalb das bunte DJ-Pult ersteigert.

Jürgen Tolksdorf hat ab und an in der Marlene Bar aufgelegt und hat deshalb das bunte DJ-Pult ersteigert. © privat

„Für mich war sofort klar, dass ich das DJ-Pult haben wollte. Ich habe in der Marlene Bar hin und wieder mit anderen DJs aufgelegt, wenn mal Not am Mann war. Als ich ein letztes Mal dort war, um das Pult abzubauen, war es, als würde ich das Herz aus einem Teil der Dortmunder Clubgeschichte herausreißen. Wo genau ich es wieder transplantieren werde, weiß ich noch nicht, aber es wird mit Sicherheit einen ehrenwerten Platz bekommen.

An den Boden werde ich es aber nicht mehr anschrauben müssen. Es werden sich schließlich keine Feiernden mehr daran festhalten müssen, die gerade noch den letzten Musikwunsch über das Pult schreien wollen. Dieser Gedanke ist allerdings traurig.

Auf dem DJ-Pult kleben alte Schallplatten-Cover.

Auf dem DJ-Pult kleben alte Schallplatten-Cover. © Lukas Wittland

Die Marlene stand für ganz viel Dortmund. Sie war zwanglos, ehrlich und bodenständig und laut. Ihr Geist wird durch die versteigerten Teile in verschiedenen Ecken Dortmunds weiterleben. Wenn etwas altes wegbricht, eröffnen sich neue Horizonte. Das ist das Schöne.“

Helge Grewe – rote Wrestlermaske

„Mit der Marlene Bar verbinden meine Freundin Alina und ich vor allem unser Wiedersehen. Wir kannten uns flüchtig aus der Schule, haben uns aber nie so wirklich kennengelernt, bis wir uns dann in der Marlene Bar wieder getroffen haben. Jetzt sind wir seit bald fünf Jahren ein Paar.

Für meine Freundin war deshalb klar, dass wir bei der Auktion mitbieten, um uns ein Erinnerungsstück an die Marlene zu sichern. Eigentlich hätten wir gerne das Schild für unsere Wohnung gehabt. Aber da natürlich nicht klar war, ob wir es bekommen, habe ich auch noch für die rote Wrestlermaske mitgeboten. Vor allem aber, um beim letzten Abend in der Marlene dabei sein zu können. Das hat sich definitiv gelohnt.

Die Marlene wird Dortmund fehlen. Es gibt keinen Laden im Umkreis, der eine vergleichbare Atmosphäre bietet und so viel Charme entfaltet. In keiner Disco habe ich erlebt, dass die Menschen so eng zusammen kommen und es so selten Ärger gab.“

Jetzt lesen

Benjamin Draut – Discokugel

Benjamin Draut blutet das Herz, wenn er bedeckt, dass er nicht einfach wieder durch die Tür der Marlene gehen und tanzen kann.

Benjamin Draut blutet das Herz, wenn er bedenkt, dass er nicht einfach wieder durch die Tür der Marlene gehen und tanzen kann. © Lukas Wittland

„Die Discokugel kann man vom materiellen Wert wahrscheinlich eher in den Glascontainer werfen, einige Spiegelkacheln fehlen auch schon, aber die Emotionen, die daran hängen, kann man nicht in Geld aufwiegen. Jetzt habe ich eine schöne Erinnerung und werde sie vielleicht irgendwann mal in meinen eigenen Partykeller hängen.

Es war hart, diese Discokugel abzuholen. In dem Moment habe ich realisiert, dass es das war mit der Marlene Bar. Ich hatte dort so viele gute Abende und wollte eigentlich gar nicht nach Hause gehen. Es war komisch davor zu stehen. Am liebsten hätte ich draußen noch ein Bier getrunken, eine Zigarette geraucht und wäre dann wieder reingegangen, um zu tanzen. In der Marlene konnte man alles andere vergessen.“

Jetzt lesen

Sebastian Mosbacher – Neon-Schriftzug

Die Leuchtschrift "reality has no place in our world" bezeichnen manche als das "bekannteste Neon" der Stadt. Sebastian Mosbacher (r.) hat es ersteigert.

Die Leuchtschrift "reality has no place in our world" bezeichnen manche als das "bekannteste Neon" der Stadt. Sebastian Mosbacher (r.) hat es ersteigert. © Lukas Wittland

„Die fast zwei Meter lange Neonschrift war für mich immer das Highlight der Marlene Bar. Weil sie auch noch für einen guten Zweck versteigert wurde, freue ich mich doppelt, dass sie nun bei mir in der Kellerbar landen wird.

Der Schriftzug „reality has no place in our world“ passte perfekt zur Marlene Bar. Den Alltag und die Welt draußen hatte man vergessen, sobald man sie betreten hatte. Mit ihr verbinde ich durchzechte Nächte, die erst in den Morgenstunden endeten. Die Marlene war ein Stück Freiheitsgefühl. Dass es sie nicht mehr geben wird, ist in jedem Fall ein Verlust für das Dortmunder Nachtleben.“

Jetzt lesen

Tobias Quentmeier – blaue Wrestlermaske

Tobias Quentmeier hat die Wrestlermaske, die er ersteigert hat, noch am Abend eingeweiht.

Tobias Quentmeier hat die Wrestlermaske, die er ersteigert hat, noch am Abend eingeweiht. © privat

„Oh Gott, wo mögen diese hässlichen Masken nur herkommen, habe ich mich jedes Mal gefragt, wenn ich an der Bar angestanden und auf ein Getränk gewartet habe. Ich habe sie aber trotzdem ersteigert, um mir ein Andenken zu sichern und natürlich, um bei der letzten Party in der Marlene dabei zu sein. Die war noch einmal ziemlich gut, aber es war auch viel Wehmut dabei. Es herrschte eine Mischung aus Aufbruch- und Abbruchstimmung.

Ich werde die Marlene definitiv vermissen, die entspannten Leute, das nette Personal und die sehr schwitzigen Sommer.“

Jetzt lesen

Schlagworte:
Lesen Sie jetzt