Prof. Dr. Helge Möllmann ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin I des St.-Johannes-Hospitals. Das Krankenhaus ist unter anderem für seine Kardiologie renommiert und eines von drei Covid-Schwerpunkt-Krankenhäusern in Dortmund.

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Dortmunder Chefarzt: Grund zur Sorge, dass Intensiv-Betten knapp werden

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Die Lage auf den Dortmunder Covid-Intensivstationen ist angespannt, die Belastung des Personals hoch. Warum ein freies Bett nicht alles gut macht, erklärt Prof. Helge Möllmann im Video-Interview.

Dortmund

, 21.04.2021, 05:00 Uhr

Bei Alarmrufen gibt es so etwas wie einen Abstumpfungs-Effekt: Wenn immer und immer wieder vor der gleichen Sache gewarnt wird, verlieren diese Warnung mit ihrer Häufigkeit an Wirkung. Bis das Unglück schließlich eintritt.

Ungefähr an diesem Punkt befinden wir uns wohl gerade bei den Alarmrufen aus der Intensivmedizin. Seit Wochen warnen Ärzte und Ärztinnen vor einer Überlastung von Kapazitäten und Personal. Auch in Dortmund ist die Lage angespannt.

„Man kann aus der Erfahrung des letzten Jahres extrapolieren“, erklärt Prof. Dr. Helge Möllmann, Leiter der Klinik für Innere Medizin I am St.-Johannes Hospital. „Dann besteht tatsächlich Grund zur Sorge, dass im Intensivbereich die Zahl der Betten knapp werden könnte.“

Weitere Intensivstation eingerichtet

Die Lage sei so angespannt, dass im St.-Johannes-Hospital am Dienstag (20.4.) eine zweite zusätzlich Covid-19-Intensivstation eröffnet wurde. Sechs Betten mehr für schwerste Verläufe der vom Coronavirus ausgelösten Erkrankung, zusätzlich zu den bereits vor Monaten geschaffenen zehn Covid-Intensivbetten.

„Alle Krankenhäuser sind aufgerufen, Reservekapazitäten jetzt zum Leben zu erwecken um auf die zunehmende Zahl von Intensivpatienten entsprechend reagieren zu können“, sagt Helge Möllmann.

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Seit einem Jahr hohe physische und psychische Belastung

Anders als zu Beginn der dritten Welle sei aktuell die Ausgangslage in zwei wichtigen Punkten anders. Erstens sei die Belastung von Ärzten und Pflegern anhaltend hoch. „Wir arbeiten schon seit einem Jahr hart an der Grenze. Ich meine damit nicht nur die physische, sondern auch die psychische Belastung. Es ist nicht einfach, mit so viel Leid umzugehen.“

Zweitens seien die Patienten auf den Covid-Intensivstationen im Schnitt deutlich jünger. Das sei ein Erfolg der Impfkampagne, liege aber auch daran, dass die britische Mutante B.1.1.7 jüngere Patienten schwerer erkranken lasse, erklärt Helge Möllmann.

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Aktuell gebe es im St.-Johannes-Hospital zwei sehr junge Patienten im Alter von 29 und 33 Jahren, die an eine sogenannte ECMO-Maschine angeschlossen sind. Die komplexen Geräte reichern das Blut von Patienten außerhalb des Körpers mit Sauerstoff an, wenn deren Lungen diese Aufgabe nicht mehr erfüllen können.

Durch verfügbare Intensivbetten wird nicht alles gut

Dass im Durchschnitt jüngere Menschen auf den Covid-Intensivstationen liegen, heiße jedoch nicht, dass alles in Ordnung sei, betont Helge Möllmann. „Sicherlich haben jüngere Patienten bessere Chancen. Allerdings ist allein die Tatsache, dass sie ein Intensivbett bekommen alles andere als eine Garantie, dass das dann auch klappt.“

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Die Verfügbarkeit von Intensivbetten als Maß für die Verschärfung oder Lockerung von Infektionsschutzmaßnahmen zu nehmen, wie es zum Beispiel aus Reihen der FDP und der SPD gefordert worden war, sei deshalb keine gute Methode.

Zurückhaltung bei planbaren Eingriffen

Die starke Beanspruchung durch Covid-Patienten und -Patientinnen mache auch Einschränkungen bei anderen Erkrankungen nötig. „Notfallpatienten werden grundsätzlich aufgenommen. Das steht vollkommen außer Frage“, betont Helge Möllmann. „Bei planbaren Eingriffen, die einen Intensiv-Aufenthalt nach sich ziehen würden, ist aber Zurückhaltung geboten.“ Das sei nicht nur im St.-Johannes-Hospital so.

Was bisher in dem Krankenhaus geschafft worden sei, sei auch durch viel freiwillige Leistung ermöglicht worden. „Und nun soll es noch ein drittes Mal nach oben gehen. Das ist für viele schwer zu ertragen.“

Um diesen Anstieg auszubremsen, hält Prof. Helge Möllmann eine Ausgangssperre für vernünftig. Vor allem, um private Treffen in geschlossenen Räumen zu verhindern.

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