Alina Wackermann ist Tierbestatterin „Man muss viele Tränen aushalten“

Alina Wackermann ist Tierbestatterin: „Man muss viele Tränen aushalten“
Lesezeit

Das Körbchen steht an einem ungewöhnlichen Platz: Direkt vor dem Fenster, aber nicht auf dem Boden, sondern auf einem über ein Meter hohen Holzpodest. Zu hoch, als das ein Hund sich einfach hineinlegen könnte. Aber das ist auch nicht nötig. In dieses Körbchen müssen Tiere nicht selbst klettern. Sie werden von ihren Besitzern hineingelegt, wenn der letzte Abschied ansteht. Das Körbchen steht im Beratungsraum der Tierbestatter für Dortmund.

Hier sitzt Alina Wackermann nahezu täglich an einem hellen Holztisch und berät tieftraurige Menschen, die ihr Haustier einäschern oder bestatten lassen möchten. Und denen es wichtig ist, dass mit ihrem Hund, ihrer Katze, ihrem Nagetier oder Reptil würdevoll umgegangen wird. „Passen Sie bloß auf, dass Moritz gut über die Regenbogenbrücke kommt!“ Diese Bitte, diesen Auftrag bekommt Alina Wackermann oft zu hören.

Diese Verantwortung nimmt die 23-jährige Dortmunderin sehr ernst – weil sie aus eigener Erfahrung weiß, wie hart der Tod eines Haustieres sein kann. „Bei uns zu Hause im Wohnzimmer stehen vier Urnen“, sagt sie. Immer schon hat ihre Familie Hunde gehabt, einige liegen im Garten begraben, andere wurden eingeäschert. Und noch nicht lange ist es her, dass ihr Pony Maja starb.

Für die Dortmunderin stand fest: Sie möchte ihre Maja einäschern lassen, „kremieren“, wie sie im Fachjargon sagt. „Ich habe sie begleitet, von Anfang bis Ende.“ Ihre Mutter fährt sie zum Krematorium nach Holland, sie schaut zu, wie ihr Pony in den Ofen einfährt. „Am nächsten Tag hat mein Papa sie mit mir abgeholt, die Asche.“ Selbst Autofahren wäre wohl kaum möglich gewesen, zu stark die Emotionen, die Trauer.

Alina Wackermann kann sehr gut nachempfinden, wie sich Tierbesitzer fühlen, wenn sie zu ihr ins Beratungsgespräch kommen. Anfangs musste sie nach Gesprächen oft selbst ein paar Tränchen vergießen, so sehr nahm sie die Trauer um die Tiere mit. „Eine Kollegin hat mir dann gesagt: ‚Du darfst mitfühlen, aber nicht mitleiden.‘“ Ein Ratschlag, der ihr half, auch bei sehr berührenden Schicksalen eine gewisse Distanz zu wahren, besser mit den Herausforderungen ihres Berufs umzugehen – in den sie eher zufällig reingeraten ist.

Eine Box Taschentücher steht im Büro von Tierbestatterin Alina Wackermann in Dortmund auf einem Holztisch.
Ohne Taschentücher geht es kaum: „Man muss viele Tränen aushalten“, sagt Alina Wackermann über die Beratungsgespräche, die sie mit trauernden Tierbesitzern führt. © Jessica Will

Sie war mitten in der Ausbildung zur Bürokauffrau in der Genossenschaft der Friedhofsgärtner, die eben auch Tierbestattungen anbietet. Im zweiten Ausbildungsjahr merkte die Dortmunderin bei der Zusammenarbeit mit einer Kollegin, dass ihr die Beratung rund um Tierbestattungen gut liegt. Die Ausbildung hat sie mittlerweile abgeschlossen, die kaufmännische Grundlage ist geblieben – aber die Berufung der jungen Frau ist die Beratung von Tierbesitzern in Trauer.

„Man muss gut zuhören können und viele Tränen aushalten.“ Erlebt man die 23-Jährige im Gespräch, glaubt man sofort, dass sie das gut kann: Sie ist kein Mensch, der sofort drauflosredet. Sie hält viel Blickkontakt, hört aufmerksam zu, lässt sich bei Antworten einen Moment Zeit.

Der Gemütszustand, in dem ihre Kunden im Beratungsgespräch sind, ist sehr unterschiedlich: Manche kommen direkt vom Tierarzt, weil ihr Haustier eingeschläfert werden musste. Mal fassungslos, weil das Ende schneller kam, als erwartet. Mal auch ein wenig erleichtert, wenn die tödliche Injektion am Ende einer langen Krankengeschichte eher eine Erlösung war.

Und mal auch in absolutem Schockzustand. An einen besonders dramatischen Fall wird sich die Tierbestatterin wohl auf ewig erinnern: Eine Frau kam mit den Überresten ihrer beiden Hunde angefahren – die kurze Zeit zuvor von einem Zug erfasst worden waren. Die geschockte Tierbesitzerin hatte es über sich gebracht, die blutigen Überreste ihrer geliebten Vierbeiner selbst an der Bahnstrecke einzusammeln.

Ein Fall, der Alina Wackermann nicht nur ob der besonderen Dramatik sehr berührte, sondern auch, weil eigene Erinnerungen mit hineinspielten: „Unsere Hündin Dina ist von einem Auto angefahren worden.“ Die Familie versuchte alles, um die Hündin noch zu retten. Doch auch in der Tierklinik kam jede Hilfe zu spät. „Wenn hier Tiere gebracht werden, die einen Unfall hatten, denke ich auch immer an Dina.“

Bleibende Erinnerungen an das Tier

Es gebe aber auch Kunden, die sich sehr viel Zeit damit lassen, ihr Tier nach dem Tod abzugeben, erzählt Alina Wackermann. Es gebe Fälle, in denen ein Tier schon vor Tagen gestorben ist, dann aber erstmal in der Tiefkühltruhe „eingelagert“ wird. „Der endgültige Abschied fällt oft schwer, er wird so hinausgezögert“, so deutet sie es. Ein extremes Beispiel für solch ein Verhalten: Eine Frau hatte sich für ihre gestorbenen Haustiere – in diesem Fall Ratten – extra eine Tiefkühltruhe angeschafft. Erst als diese voll war, rief sie die Bestatter. Die Ratten wurden abgeholt und zusammen eingeäschert. In einer Urne nahm die Dame ihre Haustiere dann wieder mit nach Hause.

Die meisten Menschen, die sich an die Tierbestatter wenden, interessieren sich für die Kremierung von Tieren. Zum Angebot gehören auch Erdbestattungen, diese werden jedoch weniger nachgefragt. Im Gespräch weist die Expertin auch auf Möglichkeiten hin, Erinnerungsstücke zu schaffen, in die beispielsweise Tierhaare oder Asche eingearbeitet werden. Schmuck ist eine Möglichkeit, Dekorationsobjekte, wie Herzen aus Acrylglas, eine andere. „Es soll keine Verkaufsveranstaltung sein, aber es ist eben wichtig für bleibende Erinnerungen.“ Im Regal des Beratungsraums steht auch ein Bilderrahmen mit einem Pfotenabdruck eines Hundes. „So ein Abdruck ist mit die schönste Sache, finde ich. Weil man den danach nie wieder machen kann.“

Diese pragmatischen Hinweise gehören zum Berufsalltag dazu, und auch diese Seite ihres Berufs gefällt der Dortmunderin. „Man kann Menschen helfen, die letzte Reise ihres Tieres so zu gestalten, wie sie es gerne hätten.“

Alina Wackermann steht vor der einer Wand, an der bunte Tierbilder hängen.
Alina Wackermann hat in den Beratungen zu Tierbestattungen ihre Berufung gefunden: „Dass da jemand ist, der einen versteht, der einem zuhört, das ist wichtig“, sagt sie über ihre Gespräche mit den Trauernden. © Jessica Will

Einen entscheidenderen Anteil haben aber die Gespräche über die Haustiere, über die Erinnerungen an sie. „Man kann helfen, mit dem Schmerz umzugehen, indem man ein offenes Ohr hat. Dass da jemand ist, der einen versteht, der einem zuhört, das ist wichtig.“ Die einfachen Fragen, wie alt das Tier geworden ist und ob es an einer Krankheit gestorben ist, sei oftmals ein Eisbrecher, gut miteinander ins Gespräch zu kommen.

Oft schauen die Tierbesitzer dabei zwischendurch auf ihr Handy, suchen die schönsten Fotos und Videos ihrer Tiere heraus. Stolz mischt sich unter die Trauer – und oft fließen dann auch bei denen, die anfangs noch die Fassung wahren, die Tränen. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt des endgültigen Abschieds. „Ich gehe dann raus und lasse den Menschen die Zeit, sich nochmal zu verabschieden. Viele streicheln ihre Tiere nochmals oder machen Fotos, wie sie in dem Körbchen liegen. Manche brauchen nur kurz, andere länger.“

Haben sich die Trauernden verabschiedet, übernimmt Alina Wackermann: Sie nimmt die Tiere aus dem Körbchen und bereitet sie für die Fahrt ins Krematorium vor. Oder möchte man das Bild aufgreifen, das vielen Tierbesitzern Trost spendet: für den Weg über die Regenbogenbrücke.

Zum Thema

Tierbestatter in Dortmund

  • Unter dem Dach der Genossenschaft der Friedhofsgärtner bieten die Tierbestatter für Dortmund seit 2004 Bestattungen an. Erdbestattungen finden auf dem Tierfriedhof am Rennweg 111 statt. Für die Einäscherungen werden die Tierkörper in ein Tierkrematorium überführt. Die Asche kann anschließend mit nach Hause genommen werden oder auf dem sogenannten Sternenfeld oder einer individuellen Grabstätte auf dem Tierfriedhof beigesetzt werden. Möglich ist auch, die Asche in einem Waldstück beim Krematorium verstreuen zu lassen.
  • Hunde und Katzen werden am häufigsten eingeäschert oder beerdigt. Aber auch Anfragen für Schlangen, Ratten oder Wellensittiche gehören für die Tierbestatter zum Alltag. Die gesetzliche Grundlage erlaubt die Einäscherung von Haustieren – bei Nutztieren ist dies verboten. Sie werden, genau wie tote Haustiere, die man nicht im eigenen Garten bestattet, sondern beim Tierarzt lässt, in Tierkörperbeseitigungslagen entsorgt.
  • Die Preise für Kremierungen unterscheiden sich, je nachdem, ob eine Einzel- oder eine Sammelkremierung gewünscht ist. Der Preis ist außerdem abhängig vom Gewicht des Tieres. Bis zu einem Kilo Gewicht kostet eine Einzelkremierung 135 Euro, zwischen 10,1 und 17 Kilo sind beispielsweise 255 Euro fällig. Hinzu kommt jeweils eine Energiepauschale von 15 Euro.
  • Hotline für Tierbesitzer, von 7 bis 22 Uhr erreichbar: 0231/562293-22
  • Weitere Infos unter www.tierbestatter.nrw

Viele Tiere – schwierige Vermittlung: Tierheim schlägt Alarm wegen nie dagewesener Überfüllung

Exotische Schlange vor Haustür in Dortmund gefunden: Erst ein Experte konnte helfen