Viele Tiere – schwierige Vermittlung Tierheim schlägt Alarm wegen nie dagewesener Überfüllung

Tierheim schlägt Alarm wegen Überfüllung: „Wir sind hier wirklich an der Grenze“
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Stanley ist schon seit zehn Monaten im Tierheim in Dortmund. Der schwarze Schäferhund-Akita-Mischling wurde an Weihnachten des vergangenen Jahres mit seinem Hundekumpel an einer Raststätte ausgesetzt. „Die Menschen sind skrupellos“, weiß Jörg Woitzik (45). Er ist der stellvertretende Leiter der Einrichtung an der Hallerey.

Stanley gilt im Tierheim als ein gut vermittelbarer Hund, obwohl er ein erfahrenes Herrchen beziehungsweise Frauchen benötigt; obwohl er auf einige Reize mit sehr starker Fixierung reagiert und bei ihm Grundgehorsamkeit nur in geringem Maß vorhanden ist. Es gibt andere Hunde, die schon seit vielen Jahren auf Vermittlung warten.

Damit sind schon zwei Probleme benannt, mit denen das Tierheim im Alltag zu kämpfen hat. Erstens: Es werden viele Tiere in die Einrichtung gebracht. Und zweitens: Eine Vermittlung ist oftmals schwierig. Die Folge ist eine nie dagewesene Überfüllung, die gleichzeitig wiederum Ursache von Problemen ist - ein Teufelskreis. „Wir sind doppelt belegt“, sagt Jörg Woitzik.

Rund 130 Katzen untergebracht

Die Situation sei mal ganz anders gewesen. „Bei normalem Bestand lief die Vermittlung gut. Wir hatten viele Anfragen, aber gar nicht so viele Tiere“, so der stellvertretende Einrichtungsleiter.

Aktuell seien die Mitarbeiter jedoch so stark in die Pflege der vielen Tiere eingebunden, dass für die Vermittlungsarbeit zu wenig Zeit bliebe. „Manchmal muss man sich entscheiden, ob man eine E-Mail bearbeitet oder sich um ein Tier kümmert. Und dann bleibt eher die E-Mail liegen“, schildert Woitzik ein Beispiel aus dem Alltag. Im Tierheim arbeiten derzeit 14 Pfleger, vier Azubis und zwölf Helfer, die der Einrichtung über das Jobcenter vermittelt wurden.

Jörg Woitzik, der stellvertretende Tierheim-Leiter, mit Schäferhund-Mix Stanley
Jörg Woitzik, der stellvertretende Tierheim-Leiter, mit Schäferhund-Mix Stanley © Tim Schulze

Über 300 Tiere sind aktuell in der Einrichtung untergebracht. Würden jetzt zehn Welpen gerettet und ins Dortmunder Tierheim gebracht - die Leitung müsste hoffen, dass sie zusammenbleiben können. „Wir hätten nicht genügend Einzelboxen“, sagt Woitzik.

Knapp 70 Hunde, rund 130 Katzen und 50 Kaninchen sowie viele weitere Kleintiere sind in der Obhut der Tierheim-Mitarbeiter. „So wie es jetzt ist, ist es heftig. Wir sind wirklich an der Grenze“, gibt Woitzik unumwunden zu. Zumal unter den Tieren einige seien, die als schwer vermittelbar gelten. Zum Beispiel Hunde, die krank sind oder schon mal zuschnappen.

Bei den Katzen ist der Bestand aktuell besonders groß. Während Kitten oft vermittelt werden können, sei es bei älteren Tieren schwieriger, sagt Woitzik.

Die ebenfalls sehr große Anzahl an Kaninchen führt der stellvertretende Einrichtungsleiter auf Folgen der Corona-Pandemie zurück. „Kaninchen waren während Corona die Tiere, die sich viele angeschafft haben, als sie im Homeoffice waren. Schließlich kann man Kaninchen einfach in einer Zoohandlung kaufen.“ Jetzt, wo viele Menschen wieder regelmäßiger ins Büro müssen, würden zahlreiche Kaninchen ausgesetzt. „Das sind keine Wildtiere. Sie sind ihren natürlichen Feinden draußen schutzlos ausgeliefert.“

Von Amts wegen im Tierheim

Während manche Tiere wie Schäferhund-Mix Stanley ausgesetzt und gefunden werden, kommen andere von Amts wegen ins Tierheim. Dabei handelt es sich um „Beschlagnahmungen“, wenn Tiere beispielsweise nicht vernünftig gehalten werden. So war es auch bei den sieben Welpen und zwei Elterntieren der Rasse „Bolonka Zwetna“, die die Feuerwehr im Februar in der Nordstadt gerettet hatte. „Diese Hunde wurden inzwischen alle vermittelt“, weiß Jörg Woitzik.

Häufiger als Beschlagnahmungen greife der Fall der sogenannten Notpflege. „Wenn der Besitzer oder die Besitzerin zum Beispiel ins Krankenhaus eingeliefert wird oder ins Gefängnis muss.“ Solche Fälle kämen aktuell besonders oft vor.

Dass es bei den Vermittlungen stockt, erklärt sich Jörg Woitzik auch aufgrund der gestiegenen Tierhaltungskosten. „Futter und Tierarztbesuche sind teurer geworden.“ Manche Menschen, die eigentlich gern ein Tier aufnehmen würden, seien dadurch abgeschreckt.

Doch auch auf technischer Seite klappt nicht alles wie es sollte. Zwar sei die Tierheim-Webseite überarbeitet worden, sagt Jörg Woitzik. Doch diese funktioniere nicht immer einwandfrei. „Manchmal sind dort Katzen zu sehen, die längst vermittelt wurden.“ Neue Katzen wiederum, die das Tierheim auf der Webseite präsentieren möchte, tauchten dort nicht auf. Das Hochladen der Inhalte sei problematisch, da die Internetleitung des Tierheims „sehr langsam“ sei.

Das Tierheim denkt aktuell darüber nach, wieder regelmäßige Öffnungszeiten einzuführen, um für Besucher attraktiver zu werden. Diese waren zu Corona-Zeiten abgeschafft worden. Wer kommen möchte, braucht einen Termin. Möglicherweise könne man samstags feste Zeiten organisieren, sagt Jörg Woitzik. „Vielleicht kommen dann wieder mehr Leute, die keine Lust auf Termine haben“, hofft er.