Silvia Busch hat es gewusst: „Letztlich wird es so sein, dass der Tumor siegt.“ Er hat gesiegt. Dreieinhalb Monate, nachdem sie in das Hospiz am Ostpark gezogen war. Am Abend des 30. August, einem Mittwoch, ist Silvia Busch gestorben. Im Alter von 53 Jahren. Dahingerafft von einem bösartigen, inoperablen, streuenden Tumor in der Lunge, der ihr die Luft zum Atmen nahm.
Den Tod vor Augen, hatte sie den Lebensmut nicht verloren. Im Gegenteil: Sie war dankbar für die Zuwendung und Pflege in dem Sterbehaus in der östlichen Dortmunder Innenstadt – und sie hat Pläne gemacht. Manchen Wunsch haben ihr das Hospiz und die Familie noch erfüllen können. Sie konnte noch einmal nach Zandvoort ans Meer und die Füße ins Wasser halten. Auch ein letztes Kaffeetrinken mit den Nachbarn zu Hause war noch möglich.
Sie hätte gern auch noch einmal im „dm“ nach Makeup und Parfüm gestöbert. Das sollte nicht sein. Das konnte sie verschmerzen. Schlimm dagegen war, dass sie bei der Einschulung eines ihrer sieben Enkelkinder nicht mehr dabei sein konnte. Die Kräfte reichten nicht mehr.
Als Überraschung geplant
Auch um die Erfüllung ihres letzten Herzenswunsches hat der zuletzt im Eilschritt nahende Tod sie gebracht. Silvia Busch wollte das Eheversprechen für ihren Mann Mirko (52) erneuern, „ihn noch mal heiraten“, wie sie sagte. Um ihre Liebe und Zuneigung zu ihm zu zeigen und das Leben mit ihm zu feiern.
Das „zweite“ Ja-Wort sollte eine Überraschung für ihren Mann werden. „Ich habe alles vom Bett aus mit dem Handy organisiert“, sagte sie voller Vorfreude. Sie hatte eine Traurednerin engagiert, die Musik ausgesucht, ein Frühstück und rosa Rosen als Dekoration bestellt. Die Familie und das Hospiz waren eingeweiht.

Doch dann ging es ihr immer schlechter, der Hochzeitstermin wurde vorgezogen auf den 2. September. Und war immer noch zu spät. Der Tod nahm zum Schluss die Überholspur. Die Familie war am 30. August den Tag über noch bei ihr gewesen, erzählt Sarah Allmeroth, eines ihrer drei Kinder. „Um 18.15 Uhr kam der Anruf aus dem Hospiz.“ Silvia Busch hatte den letzten Atemzug durch den Schlauch des Sauerstoffgerätes getan.
Ins Koma gefallen
Erst da erfuhr Mirko Busch von seinen Kindern, womit ihn seine Frau überraschen wollte. „Er hat sehr geweint“, sagt seine Tochter. Sein ganzer Tagesablauf hatte sich im vergangenen halben Jahr um seine Frau gedreht. Nach der Arbeit hat er sie zunächst im Krankenhaus und dann im Hospiz besucht und Dinge für sie erledigt. „Das fehlt“, sagt Sarah Allmeroth.
Obwohl der Tod absehbar war, habe sich die Familie nicht wirklich von Silvia Busch verabschieden können, sagt die Tochter. Wenige Tage vor ihrem Tod war die Sterbenskranke ins Koma gefallen.
Die Seiten in dem Büchlein, das ihr Mann ihr zuvor geschenkt hatte, blieben leer. „Alles, was ihr wissen müsst, wenn ich nicht mehr bin“, ist der Titel des Ausfüllbuches. Zwischen den grünen Buchdeckeln kann man letzte Wünsche und besondere Erinnerungen für die Hinterbliebenen formulieren, den Liebsten Checklisten, Kontaktdaten und Passwörter hinterlassen – und eigene Vorstellungen zur Beerdigung.
Lebenswerte Perspektive
Es ist nicht leicht, sich mit dem eigenen Tod zu beschäftigen. Offensichtlich auch für Silvia Busch war es das nicht, auch wenn sie eine bewundernswerte Haltung zeigte und dem Sterben mit Lebensfreude und Zuversicht begegnete. Sie wollte dazu beitragen, das Leben im Hospiz aus der Tabuzone zu holen.
Die professionellen Pflegekräfte und ehrenamtlichen Mitarbeiter gäben den Gästen, wie die Patienten hier heißen, eine lebenswerte Perspektive, betonte sie, „zu 150 Prozent“. Hier hat das Sterben einen Platz im Leben.
Trotzdem hat Silvia Busch das grüne Buch nicht genutzt, um die letzten Dinge des Lebens zu ordnen. „Wir hatten gedacht, dass alles darin aufgeschrieben ist, dass sie ihre Beerdigung schon hinter unserem Rücken geplant hat“, sagt die Tochter. Allerdings hatte die Mutter zumindest über den einen oder anderen Wunsch zu ihrer Beerdigung, wie zum Beispiel über die Musikauswahl, mit der Familie gesprochen.
Sarah Allmeroth hat Kontakt zu der Traurednerin aufgenommen, die sich angeboten hatte, statt bei der Traufeier nun bei der Trauerfeier am 15. September zu reden. So soll es geschehen. „Das würde auch meine Mutter freuen. Das hätte sie sicher so gewollt.“ Die rosa Rosen gibt es jetzt nicht zum Ja-Wort, sondern auf den Sarg.
Friedlich eingeschlafen
Wenn im Hospiz am Ostpark jemand stirbt, wird unten im Foyer eine Kerze angezündet. Diese Gepflogenheit zum Abschied hat Silvia Busch gefallen. Am 30. August brannte die Kerze nicht für sie allein. Am selben Tag war ein weiterer Gast im Hospiz gestorben.
Silvia Busch hat sich gefragt, „wie es sein wird, wenn ich sterbe. Merke ich das?“ Sie sei nicht gläubig, hat sie über sich selbst gesagt, „aber ich glaube, dass man sich wiedersieht. Ich habe das Gefühl, dass meine Mutter oben wartet. Das nimmt mir die Angst.“ Silvia Busch ist friedlich eingeschlafen.
Silvia Busch wird sterben: „Ich habe das Gefühl, dass meine Mutter oben wartet. Das nimmt mir die An
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